Entscheidungsstichwort (Thema)
Unfallversicherung
Leitsatz (amtlich)
Es ist zweifelhaft, ob die Klausel der Nr. 2.1.1.1 zweiter Spiegelstrich AUB 2000 (ärztliche Feststellung binnen 15 Monaten nach dem Unfall) wirksam ist, wenn das den Versicherungsbedingungen vorangestellte Inhaltsverzeichnis eine derartige Regelung an dieser Stelle nicht vermuten lässt (vgl. dazu aber auch OLG Düsseldorf, VersR 2006, 1487; OLG Karlsruhe, VersR 2005, 1384).
Normenkette
AUB 2000 Nr. 2.1.1.1; BGB § 307 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 04.09.2006; Aktenzeichen 15 O 351/05) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 4.9.2006 verkündete Urteil der 15. Zivilkammer des LG Münster wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufungsinstanz.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Dem Kläger wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % der nach dem Urteil vollstreckbaren Beträge abzuwenden, sofern nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % der beizutreibenden Beträge leistet.
Gründe
I. Der Kläger begehrt aus einer bei der Beklagten genommenen Unfallversicherung Zahlung von 88.964,72 EUR nebst Zinsen sowie einer monatlichen Rente von 511,29 EUR ab August 2005. Dem Vertrag liegen die AUB 2000 der Beklagten zugrunde, auf welche Bezug genommen wird.
Der Kläger hat behauptet, er sei am 22.4.2002 auf der Treppe einer sog. Fahrzeuggrube gestürzt und auf Rücken "bzw." Steißbein gefallen. Er habe durch den Unfall einen Bandscheibenvorfall, eine beidseitige Coxarthrose und ein Impingement-Syndrom rechts erlitten.
Die Beklagte hat den Unfall bestritten und im Übrigen behauptet, der Unfall habe jedenfalls keine dauerhafte Beeinträchtigung verursacht; die dauerhaften Beschwerden seien unfallunabhängig. Hilfsweise hat die Beklagte geltend gemacht, unfallabhängige Beschwerden seien ganz überwiegend durch Vorerkrankungen verursacht. Unstreitig hatte der Kläger bereits vor dem behaupteten Unfall Schmerzen wegen Veränderungen der Wirbelsäule und auch Beschwerden im Bereich der Hüfte.
Nachdem das LG einen entsprechenden Hinweis erteilt hat, hat die Beklagte sich auch darauf berufen, dass binnen der Frist von 15 Monaten keine ärztliche Feststellung i.S.d. Nr. 2.1.1.1 zweiter Spiegelstrich AUB 2000 erstellt worden sei. Es helfe dem Kläger auch nicht, dass sie nach Fristablauf - wie unstreitig ist - unter dem 11.8.2003 erklärt habe, "die Invaliditätsfrist" sei "gewahrt".
Das LG hat die Klage wegen Versäumung der Frist gem. Nr. 2.1.1.1 zweiter Spiegelstrich AUB 2000 abgewiesen. Wegen der Begründung und der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes in erster Instanz - einschließlich der Anträge - wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Mit der Berufung verfolgt der Kläger seine erstinstanzlichen Anträge weiter. Er hat sein erstinstanzliches Vorbringen wiederholt und vertieft.
Die Beklagte verteidigt das Urteil. Auch sie hat ihr Vorbringen wiederholt und vertieft.
Wegen der Einzelheiten des schriftsätzlichen Parteivorbringens in dieser Instanz wird auf die Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholen eines Gutachtens der Orthopäden Professor Dr. W und Privatdozent Dr. G, welches Letzterer vor dem Senat mündlich erläutert hat. Wegen des Ergebnisses wird auf das schriftliche Gutachten und den Berichterstattervermerk Bezug genommen.
II. Die Berufung ist unbegründet. Das LG hat die Klage - im Ergebnis - zu Recht abgewiesen.
1. Allerdings ist zweifelhaft, ob sich die Beklagte mit Erfolg auf das Fristerfordernis der Nr. 2.1.1.1 zweiter Spiegelstrich AUB 2000 berufen kann.
Es ist fraglich, ob diese Bestimmung wirksam vereinbart ist (verneinend etwa Knappmann, in: Prölss/Martin, VVG, 27. Aufl., Ziff. 2 AUB 99 Rz. 2; a.A. jedenfalls im Grundsatz OLG Düsseldorf, VersR 2006, 1487; OLG Karlsruhe, VersR 2005, 1384).
Die Beklagte hat dem Abdruck ihrer AUB 2000 ein - fett gedrucktes - Inhaltsverzeichnis vorangestellt. Dort heißt es:
"Der Versicherungsumfang
1 Was ist versichert?
2 Welche Leistungsarten können vereinbart werden?
2.1 Invaliditätsleistung
2.2 Unfall-Rente plus Zusatzleistung
3 Welche Auswirkung haben Krankheiten oder Gebrechen? [...]
Der Leistungsfall
7 Was ist nach einem Unfall zu beachten (Obliegenheiten)?
8 Welche Folgen hat die Nichtbeachtung von Obliegenheiten? [...]"
Im nachfolgenden Text ist dann auch die Überschrift
"2.1.1 Voraussetzung für die Leistung:"
fettgedruckt, wo sich unter Nr. 2.1.1.1 zweiter Spiegelstrich das Erfordernis einer ärztlichen Feststellung innerhalb von 15 Monaten nach dem Unfall findet.
Unter Nr. 7 heißt es fettgedruckt:
"Was ist nach einem Unfall zu beachten (Obliegenheiten)?"
und dann:
"Ohne Ihre Mitwirkung und die der versicherten Person können wir unsere Leistung nicht erbringen.
7.1 Nach einem Unfall, der voraussichtlich eine Leistungspflicht herbeiführt, müssen Sie oder die versicherte Person unverzüglich einen Arzt hinzuziehen, seine Anordnungen befolgen und uns unterrichten.
7.2 Die von uns übersandte Unfallanzeige müss...