Leitsatz (amtlich)
1. Selbst wenn die Durchführung eines Werkvertrags ein Verlustgeschäft darstellen würde, steht dem Auftragnehmer nach dessen Kündigung der Vergütungsanspruch gem. § 649 S. 2 BGB, § 8 Nr. 1 Abs. 2 VOB/B zu.
2. Dieser Anspruch entspricht nicht dem entgangenen Gewinn und setzt einen solchen auch nicht voraus. Entscheidend ist allein, dass die ersparten Aufwendungen und der anderweitige Erwerb geringer sind als die vereinbarte Vergütung.
3. Die Höhe der ersparten Aufwendungen richtet sich letztlich nicht nach der Kalkulation des Auftragnehmers, sondern nach den Aufwendungen bzw. Kosten, die bei Erfüllung des Bausolls tatsächlich angefallen wären.
4. Erspart sind nur die Kosten für den Arbeitsaufwand von "freien Mitarbeitern", die dem Auftragnehmer bei Durchführung des Auftrags zusätzlich zu seinen laufenden Lohnkosten entstanden wären und durch die Kündigung entfallen sind.
Der Arbeitsaufwand, der von fest angestellten Arbeitnehmern des Auftragnehmers hätte erbracht werden müssen, ist nicht als "ersparter Aufwand" zu berücksichtigen, wenn der Auftragnehmer diese Arbeitnehmer weiter bezahlen musste, weil er sie auf Grund der Kündigung des Werkvertrags nicht entlassen hat.
5. Wird auf Grund der Kündigung die Ausführung bereits erteilter Aufträge vorgezogen, so hat das keinen Einfluss auf den Vergütungsanspruch gem. § 649 S. 2 BGB.
Werden für jenen späteren Zeitraum, der durch das Vorziehen der Ausführung eines Auftrags frei geworden ist, Ersatzaufträge (Füllaufträge) angenommen, so müssen diese als anderweitiger Erwerb berücksichtigt werden, wenn der Auftragnehmer sie ohne die Kündigung nicht hätte übernehmen können.
Kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Auftragnehmer sie unabhängig von der Kündigung als Nachfolgeaufträge angenommen hat, weil er nicht voll ausgelastet ist, dürfen diese nicht als anderweitiger Erwerb berücksichtigt werden.
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 10.09.2001; Aktenzeichen 12 O 419/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird - unter Zurückweisung der weiter gehenden Berufung - das am 10.9.2001 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 20.119,94 EUR nebst 5 % Zinsen ab dem 28.9.1999 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Von den Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen der Kläger 33 % und die Beklagte 67 %.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger 17 % und die Beklagte 83 %.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Beiden Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der jeweiligen Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn diese nicht vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Zahlung einer Vergütung für den vor Ausführungsbeginn gekündigten Teil eines Auftrags in Anspruch. Zwischen den Parteien bestand in der Zeit von 1987 bis 1997 eine ständige Geschäftsbeziehung. Der Kläger führte für die Beklagte an zahlreichen Bauvorhaben Stahlblecharbeiten aus. Im Jahre 1994 kam es zu einer weiteren Zusammenarbeit zwischen den Parteien an dem Bauvorhaben Sanierung der ... in Hamburg. Die Beklagte, die ihrerseits für die Generalunternehmerin ... tätig war, beauftragte den Kläger mit der Durchführung von Stahlbauarbeiten. Das Angebot des Klägers vom 2.11.1994 nahm die Beklagte durch Auftragsschreiben vom 6.12.1994 an. Die Auftragssumme belief sich auf netto 543.720,80 DM. Der Kläger gewährte hierauf einen Nachlass von 3 % sowie 2 % Skonto bei Zahlung innerhalb von 10 Arbeitstagen. Die Geltung der VOB wurde vereinbart. Ein Teil des Auftrages (Titel V) verhielt sich über Arbeiten an einem Müllbunker. Die auf diesen Auftragsteil entfallende Auftragssumme belief sich auf 95.423,60 DM (vgl. Bl. 12, 22 d.A.). Anlässlich einer Besprechung der Bauablauftermine für die Umschlussphase am 3.9.1996 wurde sodann erörtert, den Auftragsumfang von 501 qm auf 540 qm zu vergrößern. Die Arbeiten am Müllbunker, die eine Abschaltung der gesamten Anlage erforderten, sollten ab dem 6.1.1997 über einen Zeitraum von 15 Tagen im Zweischichtbetrieb von 2 × 10 Arbeitsstunden erfolgen. Im Hinblick auf die besprochenen Änderungen teilte der Kläger der Beklagten voraussichtliche Mehrkosten mit. In der Folgezeit ordnete der Bauherr an, dass der Bauteil Müllbunker nicht zur Ausführung gelangen sollte. Die Beklagte kündigte daraufhin ggü. dem Kläger hinsichtlich dieses Bauteiles den Vertrag, was zunächst am 21.11.1996 fernmündlich und sodann durch Telefaxschreiben vom 27.11.1996 (Bl. 102 d.A.) erfolgte. Mit Schreiben vom 29.1.1997 verlangte der Kläger von der Beklagten eine Entschädigung für den gekündigten Bauteil Müllbunker i.H.v. 15 % der Auftragssumme. Mit Schreiben vom 3.2.1997 lehnte die Beklagte eine Zahlung ab. Die vom Kläger daraufhin eingeschalte...