Leitsatz (amtlich)
Nach Beendigung des Pachtverhältnisses besteht für den Pächter gem. § 596 Abs. 1 BGB die vertragli-che Verpflichtung, dem Verpächter die Pachtsache zurückzugeben und ihm daran wieder den unmittelbaren Besitz zu verschaffen. Ist der Verpächter - wie bei frei zugänglichen Landwirtschaftsflächen - ohne weiteres Zutun in der Lage, die "Gewalt über die Sache auszuüben", dann genügt für die Besitz(rück)übertragung des Pächters bei Pachtende auf ihn gem. § 854 Ab S. 2 BGB die Einigung beider auf die Übertragung der bestehenden Besitzlage. Fehlt es an einer solchen Einigung, so verbleibt der Besitz beim Pächter, so dass der Verpächter gehalten ist, seinen Herausgabeanspruch mit gerichtlicher Hilfe durchzusetzen.
Nimmt der Verpächter (auch nach Pachtvertragsende) jedoch die Pachtsache ohne den Willen des Pächters und ohne gesetzliche Gestattung eines solchen Handelns in Besitz oder stört er in dieser Weise den vorhandenen Pächterbesitz, dann handelt es sich nach § 858 Abs. 1 BGB um eine "verbotene Eigenmacht."
Normenkette
BGB § 862 Abs. 1 S. 2, § 861 Abs. 1, § 858 Abs. 1, § 586 Abs. 1; ZPO §§ 935 ff.
Verfahrensgang
AG Steinfurt (Urteil vom 11.04.2012; Aktenzeichen 14 Lw 25/12) |
Tenor
Auf die Berufung des Verfügungsklägers wird das am 11.4.2012 verkündete Urteil des AG - Landwirtschaftsgericht - Steinfurt abgeändert.
Unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen wird dem Verfügungs-beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung vorläufig untersagt, die Grundstücke Gemar-kung G, Flur 36, Flurstücke 16 und 17 zu betre-ten, zu bearbeiten oder be-arbeiten zu lassen.
Für jeden Fall der Zuwiderhandlung wird ihm ein Ordnungsgeld i.H.v. bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, angedroht.
Der Verfügungsbeklagte wird weiter im Wege der einstweiligen Verfügung verpflich-tet, die Grundstücke Gemarkung G, Flur 37, Flurstücke 41 und 146 an den Verfügungskläger herauszugeben.
Die Kosten des Verfügungsverfahrens in beiden Instanzen trägt der Ver-fügungsbe-klagte.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Wege des einstweiligen Verfügungsverfahrens über den Besitz an landwirtschaftlichen Nutzflächen in einer Größe von insgesamt 16,5 ha.
Der Verfügungskläger hatte die streitgegenständlichen Flächen seit dem Anfang des Jahres 2002 von dem Verfügungsbeklagten angepachtet; dies war bezüglich des Ackerlandes zur Größe von ca. 10 ha durch einen schriftliche fixierten Pachtvertrag und bezüglich des weiteren Grünlandes zur Größe von ca. 6 ha - das der Ver-fügungsbeklagte seinerseits vom Eigentümer angepachtet hatte - durch mündliche Absprache geschehen.
Hinsichtlich des Ackerlandes mit der Bezeichnung Gemarkung G, Flur 37 Flurstück 41 und 146 existieren 2 schriftliche Ausfertigungen eines vorgedruckten und handschriftlich ergänzten "Landpachtvertrages". Hinsichtlich des Vertragsexemplares, welches sich von beiden Parteien unterschrieben in den Hän-den des Verfügungsklägers befindet, wird auf die Anlage zur Antragsschrift vom 28.3.2012 (Bl. 15 bis 18 d.A.) Bezug genommen. Dieses Vertragsexemplar enthält neben den Unterschriften der Parteien das Datum "11.3.2002". Der handschriftlich vervollständigte Formulartext unter § 2 zur Pachtzeitregelung lautet wie folgt:
"1. Die Pachtzeit beträgt 10 Pachtjahre. Das Pachtjahr läuft vom 1.1.2002 bis 31.12.11. Die Pacht beginnt am 1.2.2002.
2. Das Pachtverhältnis verlängert sich auf unbestimmte Zeit/auf 2 Jahre, wenn es nicht mit einer Frist von 6/12 Monaten zum Pachtablauf gekündigt wird. Das auf unbe-stimmte Zeit laufende Pachtverhältnis kann mit der in Satz 1 genannten Frist zum Pachtjahresende gekündigt werden."
In den Händen des Verfügungsbeklagten befindet sich ein Vertragsexemplar, welches unter § 2 Ziff. 2 keine Angabe zu einer Verlängerung auf eine bestimmte Jahres-anzahl enthält.
Unter § 15 Ziff. 2 der in beiden Exemplaren des Pachtvertrages gedruckten Rege-lungen heißt es ferner:
"Sind in diesem Vertrage mehrere Möglichkeiten der Regelung vorgesehen, so gilt im Zweifel die erstgenannte Möglichkeit als vereinbart."
Während des laufenden Pachtvertrages kam es zu Unstimmigkeiten zwischen den Parteien, die neben den genannten Pachtabreden auch diverse weitere mündliche Vereinbarungen über landwirtschaftliche Ge-bäude, Einrichtungen etc. getroffen hatten. Wegen der strittigen Fragen kam es vor der Kreisstelle T der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen am 9.2.2009 zu einem Schlichtungsgespräch, das mit einer in Form eines Protokolls festgehaltenen Einigung endete; wegen des Protokollinhaltes wird auf die Anlage B 4 (Bl. 83/94 d.A.) Bezug ge-nommen.
Der Verfügungskläger bewirtschaftete die streitgegenständlichen Acker- und Grün-flächen unstreitig bis Ende des Jahres 2011. Ob der Verfügungsbeklagte ihm zuvor Ende Oktober 2010 eine Kündigung bezüglich dieser Pachtflächen im Postwege hatte übermitteln lassen, ist zwischen den Parteien streitig.
Mit Datum vom 30.11.2011 richtete der Verfügungskläger ein Schreiben an den Vergügungsbeklagten, wonach er die Bewirt...