Leitsatz (amtlich)
1) Die Ausschlusswirkung eines bestandskräftigen Planfeststellungsbeschlusses gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 VwVfG erfasst grundsätzlich alle zivilrechtlichen Ansprüche, auch solche auf Geldersatz gemäß § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB.
2) Für die Reichweite der Ausschlusswirkung eines Planfeststellungsbeschlusses sind Inhalt und Umfang seines Regelungsgegenstands maßgeblich. Insoweit finden die allgemeinen Auslegungsregeln Anwendung.
3) Ein Planfeststellungsbeschluss gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 AEG, der die Änderung einer Eisenbahn-Bestandsstrecke regelt, kann danach die gesamte Bestandsstrecke erfassen, auch wenn nur einzelne Abschnitte der Bestandsstrecke von baulichen Maßnahmen betroffen sind, die als wesentliche Änderung im Sinne von § 41 Abs. 1 BImSchG, § 1 Abs. 1 16. BImSchV eingeordnet werden. Soweit die Planfeststellungsbehörde deshalb für die im Wesentlichen unverändert bleibenden Abschnitte (Baulücken) eine Anwendung der Immissionsgrenzwerte gemäß § 2 Abs. 1 16. BImSchV (fachplanungsrechtliche Erheblichkeitsschwelle) versagt und die Prüfung der Schallimmissionen auf potentielle Grundrechtsbeeinträchtigungen und gesundheitskritische Beurteilungspegel beschränkt (Zumutbarkeitsschwelle) und dem Vorhabenträger lediglich daran ausgerichtete Maßnahmen auferlegt, bleibt es bei der Ausschlusswirkung gegenüber Ansprüchen, die von Baulücken-Anliegern gegen den Vorhabenträger erhoben werden. Dies ist letztlich Folge der von den Gerichten hinzunehmenden gesetzgeberischen Entscheidung, den Anwendungsbereich der Immissionsgrenzwerte der fachplanungsrechtlichen Erheblichkeitsschwelle auf Neubauten und wesentliche Änderungen von Schienenwegen zu beschränken.
Verfahrensgang
LG Bochum (Aktenzeichen 2 O 162/21) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das am 18.02.2022 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Münster wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt der Kläger.
Dieses und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche auf Unterlassung wesentlicher Geräuschimmissionen sowie auf Geldentschädigung geltend. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen.
Der Kläger ist neben seiner Ehefrau, Frau A., Miteigentümer des im Dachgeschoss selbstgenutzten und weitere sieben Wohnungen aufweisenden Miethauses Y.-straße 00 in I.-O.. Das Grundstück befindet sich nicht im Geltungsbereich eines Bebauungsplans. Es liegt innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils, dessen Einordnung als Mischgebiet gemäß § 6 Abs. 1 BauNVO zwischen den Parteien außer Streit steht. Das Gebäude befindet sich in einem Abstand von ca. 25 Metern südlich der im Eigentum der Beklagten stehenden, von Ost nach West verlaufenden, zweigleisigen Bahnstrecke Witten/Dortmund-Oberhausen/Duisburg (Streckennummer 2160: Essen-Wattenscheid-Bochum) und zwar etwa auf Höhe des Bahnkilometers N01. An dieser Stelle befindet sich eine über die Y.-straße führende Eisenbahnbrücke, die seit ihrer Errichtung im Jahr 1861 keine bauliche Erneuerung erfahren hat.
Die Bahnstrecke wurde aufgrund der Konzessions- und Bestätigungsurkunde des Prinzen von Preußen vom 21.06.1858 (Anlage B1, Bl. 317 d.A.) ab 1860 von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn errichtet und am 01.03.1862 in Betrieb genommen.
Auf der Bahnstrecke verkehren aktuell stündlich der NRW-Express von Aachen nach Hamm (RE 1), der Rhein-Weser-Express von Köln/Bonn Flughafen nach Minden (RE 6), der Rhein-Hellweg-Express von Kassel nach Düsseldorf (RE 11), der Ruhr-Sieg-Express von Essen nach Siegen (RE 16) und die Ruhr-Lenne-Bahn von Essen nach Hagen (RB 40). Ferner verkehren auf der Strecke Güterzüge.
Die Bahnstrecke war im Rahmen des Vorhabens Rhein-Ruhr-Express Planfeststellungsabschnitt 5b gemäß § 18 Abs. 1 AEG Gegenstand eines Planfeststellungsbeschlusses des Eisenbahn-Bundesamts vom 30.12.2019 (Auszug, Anlage K18, Bl. 516-529 d.A., und im Internet vollständig abrufbar unter https://www.eba.bund.de/SharedDocs/Downloads/DE/PF/Beschluesse/Nordrhein_W/bis_2020/51_Rhein_Ruhr_Express_Abschnitt_5_Wattenscheid_Wattenscheid_Hoentrop_Bochum_Hauptbahnhof_Bochum_Langendreer_diverse_Bahn_Kilometer_und_Strecken.pdf?__blob=publicationFile&v=1). Der Baubeginn ist derzeit auf das Jahr 2025 verschoben.
In dem Planfeststellungsbeschluss heißt es:
"A Verfügender Teil
A.1 Feststellung des Plans
Der Plan für das Vorhaben
Rhein-Ruhr-Express (RRX)
Planfeststellungsabschnitt 5b
Wattenscheid/Wattenscheid-Höntrop - Bochum Hbf - Bochum-Langendreer
Strecke 2160 Essen Hbf - Bochum Hbf, km 7,9 - km 16,0
...
wird mit den in diesem Planfeststellungsbeschluss aufgeführten Ergänzungen, Änderungen, Vorbehalten, Nebenbestimmungen und Schutzanlagen festgestellt.
Die Züge des Rhein-Ruhr-Express sollen im Stadtgebiet Bochum zukünftig auf der vorhandenen Fernbahnstrecke geführt werden. Zur Entlastung der Fernbahnstrecke werden zwei der heute dort verkehrenden Regionalverkehrslinien auf die ebenfalls vorh...