Leitsatz (amtlich)
Hinsichtlich der Erforderlichkeit von Mängelbeseitigungsmaßnahmen ist auf den Aufwand und die Kosten abzustellen, die der Besteller bei verständiger Würdigung im Zeitpunkt der Mängelbeseitigung als vernünftiger, wirtschaftlich denkender Bauherr aufgrund sachkundiger Beratung oder Feststellung für erforderlich halten durfte und konnte, wobei es sich insgesamt um vertretbare Maßnahmen der Schadensbeseitigung oder Mängelbeseitigung handeln muss (vgl. BGH NJW-RR 2003, 1021 [1022]). In diesem Zusammenhang trägt der Unternehmer, der durch die mangelhafte Leistung und die Weigerung der Mängelbeseitigung innerhalb der ihm gesetzten Frist das Risiko gesetzt hat, dass im Rahmen der dann durch den Besteller veranlassten Mängelbeseitigung auch Maßnahmen ergriffen werden, die sich in einer nachträglichen Bewertung als nicht erforderlich erweisen, das sog. Einschätzungs- und Prognoserisiko. Damit können auch diejenigen Kosten erstattungsfähig sein, die für einen erfolglosen oder sich später als unverhältnismäßig teuer herausstellenden Versuch aufgewendet wurden (vgl. OLG Düsseldorf, Urt. v. 7.6.2011 - 21 U 100/10, juris; OLG Bamberg, Urt. v. 1.4.2005 - 6 U 42/04, juris).
Normenkette
BGB §§ 633, 634 Nr. 4, § 280 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Münster (Urteil vom 24.04.2013; Aktenzeichen 12 O 308/10) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 24.4.2013 verkündete Urteil der 12. Zivilkammer des LG Münster teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin zur Erstattung des Minderwerts des von ihr durch notarielle Urkunde des Notars Dr. Q vom 26.4.2005 (UR-Nr. 94/2005) erworbenen Miteigentumsanteils, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung im Dachgeschoss vorne rechts und im Galeriegeschoss rechts, des Objekts N-Straße 35/35a, O, verpflichtet ist, der sich daraus ergibt, dass im Zuge der Instandsetzung der (oberen) Dachterrassenebene die dort angeordneten Terrassentüren der Wohnung der Klägerin dergestalt umgestaltet werden mussten, dass ein fast ebener Ausgang auf die Dachterrasse nicht mehr möglich ist, sondern eine ca. 20 cm hohe Innenstufe eingebaut werden musste.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.009,85 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 3.7.2013 zu zahlen.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin 1.500 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.9.2010 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weiter gehende Berufung wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte einschließlich der durch die Nebenintervention auf Seiten der Klägerin verursachten Kosten.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagten bleibt nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Gründe
A. Die Klägerin (Erwerberin einer Eigentumswohnung) nimmt die Beklagte (Bauträgerin) auf Feststellung ihrer Schadensersatzpflicht (Minderwert der Wohnung) und auf Zahlung von Schadensersatz (Feuchtigkeitsschäden und Nutzungsausfall) wegen Mängeln der erworbenen Wohnung in Anspruch.
Die Klägerin erwarb durch notariellen Vertrag vom 26.4.2005 von der Beklagten einen Miteigentumsanteil verbunden mit dem Sondereigentum an einer zweigeschossigen DG-Wohnung im Neubauobjekt N-Straße 35 in O (notarieller Vertrag: Bl. 9 ff. d.A.). Die Ingebrauchnahme der Wohnung durch die Klägerin erfolgte im August 2005.
In der Wohnung kam es in der Folge zu Feuchtigkeitseinbrüchen, von denen aber nicht nur die Wohnung der Klägerin, sondern auch weitere Wohnungen betroffen waren (vgl. Parallelverfahren des Senats 24 U 43/13).
Die Wohnungseigentümergemeinschaft (im Folgenden nur: WEG) beauftragte daraufhin den Sachverständigen Dipl.-Ing. J (= Streithelfer der Klägerin) mit der Begutachtung der Schäden und Schadensursachen (vgl. Privatgutachten vom 26.5.2008: Bl. 42 ff. d.A.).
Im Anschluss daran führte die Klägerin im Herbst 2009 unter der Regie ihres Streithelfers bzw. seines Kollegen Dipl.-Ing. N im Bereich der Dachterrasse umfangreiche Instandsetzungsmaßnahmen durch. Das Basisprofil wurde erhöht, was zur Folge hatte, dass die ursprünglich großzügig angelegte Fensterfront der Wohnung der Klägerin, durch die die Dachterrasse betreten werden konnte, verkleinert wurde. Die ursprünglichen Fenster wurden ausgetauscht und durch kleinere ersetzt. Die Erhöhung des Basisprofils hatte weiterhin zur Folge, dass die Dachterrasse nunmehr lediglich über eine etwa 40 cm hohe Schwelle zu erreichen ist. Vor der Durchführung der Arbeiten war der Ausgang auf die Dachterrasse beinahe ebenerdig.
Die Beklagte hat wegen der vom Streithelfer der Klägerin dokumentierten Mängel ein selbständiges Beweisverfahren gegen den von ihr beauftragten Architekten (= Streithelfer der Beklagten) und ...