Entscheidungsstichwort (Thema)

Arzthaftung: Beweiswert einer EDV-Dokumentation

 

Leitsatz (amtlich)

Eine EDV-Dokumentation, welche gegen nachträgliche Veränderungen nicht gesichert ist, hat dennoch den vollen Beweiswert in eine übliche handschriftliche Dokumentation, wenn der Arzt plausibel darlegt, dass die Dokumentation auch aus medizinischen Gesichtspunkten plausibel erscheint.

 

Normenkette

BGB §§ 823, 847; ZPO § 285 Abs. 1, § 412 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LG Bielefeld (Urteil vom 20.04.2004; Aktenzeichen 4 O 539/02)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 20.4.2004 verkündete Urteil der 4. Zivilkammer des LG wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird gestattet, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 % des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die am 18.3.1963 geborene Klägerin wurde am 18.10.2000 wegen einer Kahnbeinfraktur des linken Sprunggelenks im E.-Krankenhaus in G. operiert. Nach ihrer Entlassung aus der stationären Behandlung am 24.10.2000 wurde die Klägerin ab dem 25.10.2000 ambulant vom Beklagten, der als niedergelassener Chirurg tätig ist, betreut. Mehrfach wechselte, weitete und unterfütterte der Beklagte den Gipsverband am linken Bein. Am 28.11.2000 entfernte der Beklagte den Gips und dokumentierte "Keine lokale Schwellung". Am 21.12.2000 dokumentierte der Beklagte: "Keine lokale Schwellung, reizlose Weichteilverhältnisse". Am 2.1.2001 dokumentierte er: "anhaltende Schwellneigung" und wies die Klägerin wieder in das E.-Krankenhaus ein. Wegen der Einzelheiten der EDV-Dokumentation des Beklagten wird auf Bl. 7-11 d.A. Bezug genommen. Bei der Klägerin wurde sodann ein Morbus-Sudeck-Syndrom festgestellt. Die Klägerin wirft dem Beklagten vor, dessen Entstehung nicht rechtzeitig erkannt zu haben.

Das LG hat die Klage abgewiesen. Auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil wird Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO).

Mit der Berufungsbegründung macht die Klägerin im Wesentlichen geltend: Sie habe bereits unmittelbar nach der Operation vom 18.10.2000 über inadäquat starke Beschwerden geklagt. Zwei bis drei Wochen nach der Operation, spätestens Mitte November 2000, sei deshalb mit einem M. Sudeck zu rechnen gewesen. Sie habe schon vor Dezember 2000 Anzeichen eines M. Sudeck (Brennen, erhebliche Schwellneigung, Kochen des Fußes) gehabt und dem Beklagten mitgeteilt. In der Frühphase sei die Diagnose anhand einer Kernspintomographie möglich. Jedenfalls Mitte Dezember 2000 hätte der Beklagte aufgrund inadäquat starker Beschwerden mit einem M. Sudeck rechnen müssen. Die Dokumentation des Beklagten sei unrichtig. Das LG habe zu Unrecht angenommen, dass sich am Verlauf der Behandlung nichts geändert hätte, wenn der M. Sudeck früher erkannt worden wäre.

Die Klägerin beantragt, das am 20.4.2004 verkündete Urteil des LG Az.: 4 O 539/02, abzuändern und

1. den Beklagten zu verurteilen, an sie ein angemessenes Schmerzensgeld - Vorstellung: 15.000 EUR - nebst 5 % Zinsen hieraus über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2002 zu zahlen, welches in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,

2. den Beklagten zu verurteilen, an sie 5.526,04 EUR nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 21.6.2002 zu zahlen,

3. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, ihr auch jeden weiteren aus der Fehlbehandlung in der Zeit vom 25.10.2000 bis zum 2.1.2001 entstandenen Schaden zu ersetzen, soweit er nicht auf Sozialversicherungsträger oder Dritte übergegangen ist, hilfsweise die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und des Verfahrens an das Gericht des ersten Rechtzuges zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Er macht im Wesentlichen geltend, ein M. Sudeck könne sich auch später als 2-3 Wochen nach der Operation entwickeln. Jedenfalls habe die Krankheit hier so früh noch nicht diagnostiziert werden können.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, die beigezogenen Krankenunterlagen und das Sitzungsprotokoll zum Senatstermin vom 26.1.2005 Bezug genommen.

II. Die Berufung bleibt ohne Erfolg.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keine Ansprüche auf Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht gem. § 823 Abs. 1 BGB i.V.m. § 847 BGB a.F. oder - soweit materielle Schäden in Frage stehen - Schlechterfüllung des Behandlungsvertrages. In der medizinischen Beurteilung des Geschehens macht sich der Senat die Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. P. zu Eigen, der das Gutachten auch bei seiner Anhörung in zweiter Instanz eingehend und sachlich überzeugend begründet hat.

1. Auf der Grundlage der Behandlungsdokumentation des Beklagten hat der Sachverständige kein Diagnoseversäumnis festgestellt. Zur Überzeugung des Senats ist die Beha...

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