Verfahrensgang
LG Bielefeld (Aktenzeichen 8 O 274/04) |
Gründe
I. Auf die Darstellung des Tatbestandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO verzichtet.
II. Die Berufung des Beklagten hatte Erfolg.
Die Klage ist unbegründet.
Der Klägerin steht gegen den Beklagten kein Zahlungsanspruch i.H.v. 7.392,47 EUR zu.
1. Ein vertraglicher Vergütungsanspruch für die Zurverfügungstellung der Website der Klägerin als "Marktplatz" für Waren- und Dienstleistungsangebote scheidet aus.
Der Beklagte ist aus dem im Juli 2000 geschlossenen Nutzungsvertrag, auf den die Klägerin in erster Linie ihren Zahlungsanspruch stützt, nicht persönlich berechtigt und verpflichtet, wie sich aus §§ 164 ff. BGB ergibt. Der Vertrag, der nach § 15 Nr. 2 der Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin deutschem Recht unterliegt, kam nicht mit dem Beklagten persönlich, sondern mit der "R. Limited" zustande.
Der Beklagte nahm die dem Vertragsschluss zugrunde liegende Online-Anmeldung vom 18.7.2000 nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der R. Limited vor. Hierbei handelt es sich um eine nach englischem Recht wirksam gegründete, rechtsfähige Gesellschaft, eine Private Limited Company. Die in einem EU-Vertragsstaat nach dessen Vorschriften wirksam gegründete Gesellschaft ist in einem anderen Vertragsstaat in dieser Rechtsform anzuerkennen (vgl. EuGH v. 5.11.2002 - Rs. C-208/00 - Überseering, MDR 2003, 96 = GmbHR 2002, 1137 = AG 2003, 37 = NJW 2002, 3614; BGH, Urt. v. 14.3.2005 - II ZR 5/03, BGHReport 2005, 914 = MDR 2005, 1000 = GmbHR 2005, 630).
Unstreitig war der Beklagte berechtigt, im Namen dieser Gesellschaft zu handeln.
2. Die Klägerin kann den Beklagten auch nicht analog § 11 Abs. 2 GmbHG auf Zahlung in Anspruch nehmen.
Nach § 11 Abs. 2 GmbHG haftet derjenige persönlich, der vor Eintragung einer GmbH in das Handelsregister im Namen der Gesellschaft gehandelt hat.
Es ist unerheblich, dass die R. Limited nicht im deutschen Handelsregister eingetragen ist.
Wie der BGH in seinem Urteil vom 14.3.2005 (BGH, Urt. v. 14.3.2005 - II ZR 5/03, BGHReport 2005, 914 = MDR 2005, 1000 = GmbHR 2005, 630) ausgeführt hat, folgt aus der Anerkennung der Rechtsfähigkeit der englischen Private Limited Company zugleich, dass deren Personalstatut auch in Bezug auf die Haftung für in ihrem Namen begründete rechtsgeschäftliche Verbindlichkeiten einschließlich der Frage nach einer etwaigen diesbezüglichen persönlichen Haftung ihrer Gesellschafter oder Geschäftsführer ggü. den Gesellschaftsgläubigern maßgeblich ist. Nach dem für das Personalstatut der Private Limited Company, einer Kapitalgesellschaft, maßgeblichen englischen Recht haftet für deren Verbindlichkeiten grundsätzlich nur das Gesellschaftsvermögen.
Die Bejahung einer Handelndenhaftung nach deutschem Recht analog § 11 Abs. 2 GmbHG wegen unterbliebener Handelsregisteranmeldung verstieße gegen die in Art. 43, 48 EGV garantierte Niederlassungsfreiheit.
Dass es der Beklagte - unter Verstoß gegen § 13d HGB - unterlassen hat, die an seinem Wohnsitz begründete Zweigniederlassung der englischen Gesellschaft zum Handelsregister anzumelden, begründet auch keinen Haftungstatbestand analog § 11 Abs. 2 GmbHG. Das HGB sieht bei einem Verstoß gegen diese Anmeldepflicht allein die Festsetzung eine Zwangsgelds nach § 14 HGB vor, aber keine haftungsrechtlichen Konsequenzen. Eine Rechtsfortbildung im Sinne einer erweiternden Handelndenhaftung kommt nicht in Betracht (BGH, Urt. v. 14.3.2005 - II ZR 5/03, BGHReport 2005, 914 = MDR 2005, 1000 = GmbHR 2005, 630).
Die vom LG - in Anwendung deutschen Rechts - befürwortete Durchgriffshaftung wegen offensichtlicher Unterkapitalisierung der R. Limited ist gleichfalls abzulehnen. Auf die Höhe des Gründungskapitals der Gesellschaft kommt es nicht an.
Auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH (EuGH v. 5.11.2002 - Rs. C-208/00 - Überseering, MDR 2003, 96 = GmbHR 2002, 1137 = AG 2003, 37 = NJW 2002, 3614; EuGH v. 30.9.2003 - Rs. C-167/01 - Inspire Art, AG 2003, 680 = GmbHR 2003, 1260 m. Anm. Meilicke = MDR 2003, 1303 = ZIP 2003, 1885) ist es mit dem europäischen Gemeinschaftsrecht unvereinbar, eine nach nationalem Recht anzunehmende Unterschreitung des Mindest-Gesellschaftskapitals mit einer persönlichen Handelndenhaftung zu sanktionieren. Eine Behinderung der gemeinschaftsvertraglich garantierten Niederlassungsfreiheit durch nationale Maßnahmen kann allenfalls dann gerechtfertigt sein, wenn die Maßnahmen in nicht diskriminierender Weise angewandt werden, sie zwingenden Gründen des Gemeinwohls entsprechen und zur Erreichung des verfolgten Zieles geeignet und erforderlich sind (vgl. EuGH v. 30.9.2003 - Rs. C-167/01 - Inspire Art, AG 2003, 680 = GmbHR 2003, 1260 m. Anm. Meilicke = MDR 2003, 1303 = ZIP 2003, 1885, Rz. 133).
Die bewusste Ausnutzung unterschiedlicher Rechtssysteme stellt dabei für sich allein noch keinen Missbrauch dar, der verhindert werden muss.
Der vom LG ins Feld geführte Gläubigerschutz gebietet weder zwingend die Einhaltung von Mindestkapitalvorschriften noc...