Leitsatz (amtlich)
1. Begehung einer geschäftlichen Handlung im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 1 UWG durch eine Körperschaft des öffentlichen Rechts.
2. Juristische Personen des öffentlichen Rechts haben bei kritischen Äußerungen das Gebot strenger Sachlichkeit und Neutralität sowohl in inhaltlicher Hinsicht als auch im Hinblick auf die gewählten Formulierungen zu beachten.
Normenkette
UWG § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 1
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das am 04.12.2015 verkündete Urteil der 10. Zivilkammer des LG Münster abgeändert.
Die Beklagten werden verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in Bezug auf eine Hörgeräteversorgung im so genannten "verkürzten Versorgungsweg" wörtlich oder sinngemäß zu behaupten oder behaupten zu lassen:
"Hier wird für schlechte Qualität gutes Geld ausgegeben"
und/oder
"Eine kontinuierliche Nachsorge durch den Arzt sei aber kaum möglich: zu lange Wartezeiten, falscher Umgang mit Reklamation, zu wenig Raum, um auf den Kunden eingehen zu können",
wenn dies geschieht wie in dem Artikel "Drei Monate für mehr Lebensqualität" in der Online-Ausgabe der Badischen Zeitung vom 25.02.2015 (Anlage K3).
Den Beklagten wird für jeden Fall der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000,00 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder von Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten angedroht, wobei die Ordnungshaft insgesamt zwei Jahre nicht übersteigen darf und, soweit sie gegen die Beklagte zu 1) angeordnet wird, an deren Vorstandsmitgliedern zu vollziehen ist.
Die Beklagten werden darüber hinaus als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin 1.531,90 EUR nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz p.a. seit dem 19.05.2015 zu zahlen.
Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Soweit sie zur Unterlassung verurteilt worden sind, können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000,00 EUR abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in dieser Höhe leistet. Im Übrigen können die Beklagten die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
A. Die Klägerin ist als Hörgeräteakustikerin tätig. Sie vertreibt bundesweit in Zusammenarbeit mit HNO-Ärzten Hörhilfen im so genannten "verkürzten Versorgungsweg". Den "verkürzten Versorgungsweg" und den in Deutschland daneben existierenden "klassischen Versorgungsweg" beschreibt der Bundesgerichtshof (BGH, Urteil vom 24.07.2014 - I ZR 68/13 - [Hörgeräteversorgung III] [juris], dort Rdnr. 2) wie folgt:
"(...) Bei der Hörgeräteversorgung gibt es seit längerer Zeit zwei unterschiedliche Versorgungswege. Im klassischen Versorgungsweg sucht der Patient nach der Verordnung einer Hörhilfe durch den HNO-Arzt einen Hörgeräteakustiker auf, der die erforderlichen audiometrischen Messungen vornimmt, gegebenenfalls einen Ohrabdruck anfertigt und dem Patienten ein Hörgerätesystem vorschlägt, das er für den Patienten anpasst. Sodann sucht der Patient den HNO-Arzt erneut auf, der überprüft, ob mit dem Hörgerät eine medizinisch ausreichende Versorgung erreicht wird. Ist das der Fall, kann der Hörgeräteakustiker aufgrund eines Testats des HNO-Arztes den Kassenanteil der Hörgeräteversorgung abrechnen. Im (...) "verkürzten Versorgungsweg" erfolgen die audiometrischen Messungen und gegebenenfalls die Abnahme der Ohrabdrücke durch den HNO-Arzt oder dessen Mitarbeiter. Die Ergebnisse nebst ohrenärztlicher Verordnung werden vom HNO-Arzt an einen Hörgeräteakustiker weitergeleitet, der das vom Patienten gewählte Hörgerätesystem anpasst und an den HNO-Arzt verschickt. Der Patient erhält in diesem Fall sein Hörsystem vom HNO-Arzt oder dessen medizinischen Fachangestellten. (...)"
Die Klägerin bietet den Patienten, die ein Hörgerät im "verkürzten Versorgungsweg" erhalten, u.a. eine Unterstützung durch einen Mitarbeiter (Hörgeräteakustiker) bei der Vornahme der konkreten Geräteeinstellungen an, die per Telefon oder über das Internet (dies im Wege eines so genannten "Live-Chats") erfolgen kann.
Die Beklagte zu 1) ist die Bundesinnung der Hörgeräteakustiker. Sie hat ihren Sitz in Mainz, ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts und steht unter der Aufsicht der Handwerkskammer Rheinhessen; ihr Bezirk umfasst das gesamte Bundesgebiet. Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 ihrer Satzung (Anlage K1 = Blatt 9-35 der Gerichtsakte) hat die Beklagte zu 1) u.a. die Aufgabe, die gemeinsamen gewerblichen Interessen ihrer Mitglieder zu fördern. Mitglieder der Beklagten zu 1) sind zumindest zu einem überwiegenden Anteil örtlich niedergelassene Hörgeräteakustiker, die den "klassischen Versorgungsweg" ...