Entscheidungsstichwort (Thema)

vorsätzliche Unterhaltspflichtverletzung. unerlaubte Handlung. Schutzgesetz. Insolvenzverfahren. § 170 StGB als Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten des durch sein Eingreifen die Gefährdung des Lebensbedarfs des Berechtigten verhindernden öffentlichen Versorgungsträgers. Möglichkeit des Gläubigers zur Anmeldung seines Anspruchs aus eigenem Recht gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB im eröffeneten Insolvenzverfahren zur Tabelle. Kenntnis des Unterhaltsschuldners von seiner Unterhaltspflicht bei Auszug der nicht über eigene Einkünfte verfügenden Ehefrau mit dem gemeinsamen Kind aus der ehelichen Wohnung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Vorschrift des § 170 StGB stellt ein Schutzgesetz i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB auch zugunsten des öffentlichen Versorgungsträgers dar, der durch sein Eingreifen die Gefährdung des Lebensbedarfs des Berechtigten verhindert hat. Der Gläubiger hat deshalb im eröffneten Insolvenzverfahren die Möglichkeit, neben dem auf ihn übergegangenen Unterhaltsanspruch auch seinen Anspruch aus eigenem Recht gem. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 170 StGB zur Tabelle anzumelden, um so den Anwendungsbereich des § 302 InsO zu eröffnen.

2. Der Unterhaltsschuldner hat bereits dann konkrete Kenntnis von seiner Unterhaltspflicht, wenn seine Ehefrau, die selbst über keine Einkünfte verfügt, mit dem gemeinsamen Kind aus der ehelichen Wohnung ausgezogen ist und ihm mitgeteilt hat, nicht mehr zurückkehren zu wollen. Insoweit kommt es nicht auf eine Aufforderung zur Zahlung eines bezifferten Unterhaltsbetrages an.

 

Normenkette

InsO § 302 Nr. 1; BGB § 823 Abs. 2, §§ 1361, 1601 ff.; StGB § 170

 

Verfahrensgang

AG Borken (Urteil vom 23.12.2009; Aktenzeichen 34 F 61/09)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 23. Dezember 2009 verkündete Urteil des Amtsgerichts – Familiengericht – Borken teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass die unter der lfd. Nr. 4 der Tabelle im Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beklagten, Amtsgericht E, Geschäfts-Nr. …/… IK … festgestellte Forderung in Höhe eines noch offenen Betrages von 457,00 EUR für den Zeitraum August bis Dezember 2007 auf einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung des Schuldners i.S.d. § 302 Nr. 1 InsO beruht.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen; die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits werden zu 3/5 dem Kläger und zu 2/5 dem Beklagten auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

I.

Der Beklagte, geb. 05.07.1965, war verheiratet mit Frau C. Aus der Ehe sind insgesamt 6 Kinder hervorgegangen, von denen drei bereits wirtschaftlich selbständig sind. Die Familie war während der Ehe in S/T wohnhaft. Im August 2007 trennte sich die Ehefrau des Beklagten von ihm und zog mit den gemeinsamen minderjährigen Kindern J-G, geb. 15.01.1994, O, geb. 12.01.1998, und U, geb. 03.10.1999, nach Borken. Der Beklagte blieb in S. Seit dem 25.09.2009 ist die Ehe rechtskräftig geschieden.

Der Kläger erbrachte in der Zeit vom 06.08.2007 bis zum 30.11.2008 für die Ehefrau des Beklagten und den Sohn J Leistungen nach dem SGB II in Höhe von insgesamt 2.165,00 EUR. Wegen der Einzelheiten wird auf die Zahlungsaufstellung, Bl. 3 d.A., Bezug genommen. Die beiden Kinder O und U erhielten Unterhaltsleistungen nach dem UVG.

Mit Schreiben vom 28.08.2007, zugestellt am 30.08.2007, wurde der Beklagte über die Hilfegewährung durch den Kläger informiert und gleichzeitig aufgefordert, die notwendigen Auskünfte zu seinen Einkommensverhältnissen zu erteilen. Nach Auskunftserteilung wurde der Beklagte mit Schreiben vom 02.10.2007 zur Zahlung von laufendem und rückständigem Unterhalt für die Ehefrau und die drei minderjährigen Kinder aufgefordert. Unter dem 06.12.2007 wurde der Beklagte erneut aufgefordert, Unterhalt zu leisten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 17.12.2007 wies der Beklagte darauf hin, dass er nur eingeschränkt leistungsfähig sei. Am 11.01.2008 erfolgte eine nochmalige, geänderte Aufforderung zur Zahlung von Unterhalt. Mit Datum vom 27.02.2008 schlossen die Parteien eine Unterhaltsvereinbarung, in der der Beklagte einen Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.457,00 EUR anerkannte. Darin heißt es u.a.: „Für die Zeit vom 0.08.2007 bis 31.12.2007 besteht ein Unterhaltsrückstand in Höhe von 1.457,00 EUR, den ich ab 2/08 in mtl. Raten von 250,00 EUR an die Stadt Z1 zahle. Dies gilt solange ich keinen laufenden Unterhalt zahle. Bei Zahlung laufenden Unterhaltes wird die Ratenzahlung angepaßt.” Wegen der näheren Einzelheiten wird auf die Kopie der Vereinbarung, Bl. 60 d.A., verwiesen.

Im Dezember 2007 überwies der Beklagte jeweils 50 EUR an seine Ehefrau und seinen Sohn J. Auf die auf den Kläger übergangene Unterhaltsschuld in Höhe von 2.165,00 EUR leistete der Beklagte Zahlungen in Höhe von insgesamt 1.000 EUR durch Teilzahlungen in Höhe von jeweils 250,00 EUR von Ende Februar bis Ende Mai 2008. An die Unterhaltsvorschusskasse erbrachte der Beklagte ebenfalls Leistungen in Höhe von 500 EUR ...

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