Entscheidungsstichwort (Thema)
Zu einstweiligen Anordnungen im Rahmen des § 101 Abs. 9 UrhG
Leitsatz (amtlich)
1. Eine einstweilige Anordnung, mit der ausgesprochen wird, dass bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG zum Zwecke der Auskunftserteilung die Daten zu sichern sind, aus denen sich ergibt, welchen Kunden unter welchen Anschriften bestimmte IP-Adressen zu bestimmten Zeitpunkten zugeordnet waren, kann mit der Beschwerde angefochten werden.
2. Eine solche Anordnung findet ihre gesetzliche Grundlage in § 101 Abs. 2 und Abs. 9 UrhG i.V.m. § 96 Abs. 2 Satz 1 TKG; die dort getroffenen Regelung stößt weder auf europarechtliche noch auf verfassungsrechtliche Bedenken.
3. Eine solche Anordnung kann getroffen werden, wenn das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Anordnung nach § 101 Abs. 9 UrhG glaubhaft gemacht wird.
4. Eine Rechtsverletzung in gewerblichem Ausmaß ist in der Regel anzunehmen, wenn eine besonders umfangreiche Datei, etwa ein vollständiger Kinofilm, ein Musikalbum oder ein Hörbuch, vor oder unmittelbar nach ihrer Veröffentlichung in Deutschland widerrechtlich im Internet einer unbestimmten Vielzahl von Dritten zugänglich gemacht wird.
Normenkette
UrhG § 101; TKG § 3 Nr. 30, § 96
Verfahrensgang
LG Mannheim (Beschluss vom 17.06.2009; Aktenzeichen 2 O 113/09) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des LG Mannheim vom 17.6.2009 (Az. 2 O 113/09) wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt die Beteiligte.
Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens: 1.500 EUR.
Gründe
I. Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG auf Antrag der Antragstellerin der Beteiligten im Wege der vorläufigen Anordnung aufgegeben, bis zum Abschluss des Verfahrens nach § 101 Abs. 9 UrhG diejenigen Daten zum Zwecke der Auskunfterteilung an die Antragstellerin zu sichern, aus denen sich ergibt, welchem/welchen Kunden unter welcher Anschrift die näher bezeichneten IP-Adressen zu näher bezeichneten Zeitpunkten zugeordnet waren.
Der entsprechende Antrag der Antragsstellerin war verbunden mit dem Antrag, die Verwendung von Verkehrsdaten (§ 3 Nr. 30 TKG) durch die Beteiligte zur Erteilung der Auskunft über Namen und Anschrift(en) desjenigen bzw. derjenigen Kunden für zulässig zu erklären, denen die näher bezeichneten IP-Adressen zu näher bezeichneten Zeitpunkten zugeordnet waren. Die Antragstellerin hat vorgetragen, sie sei Inhaberin der Rechte des Filmherstellers an dem von ihr produzierten, im April 2009 veröffentlichten Filmwerk "X". Durch Verwendung einer geeigneten Software sei festgestellt worden, dass das Filmwerk in dem Peer-to-Peer-Netzwerk "eDonkey2000" unter den im Antrag genannten IP-Adressen zu den genannten Zeitpunkten zum Download angeboten worden sei. Dem habe die Antragstellerin nicht zugestimmt.
Mit der Beschwerde beantragt die Beteiligte, den Beschluss des LG Mannheim vom 17.6.2009 aufzuheben und den auf Erlass der Anordnung gerichtete Antrag zurückzuweisen.
Sie trägt vor, sie erbringe geschäftsmäßig Telekommunikationsdienste, bei denen den Kunden durch Zuweisung dynamischer (also nur temporär vergebener) IP-Adressen der Zugang zum Internet ermöglicht werde. Auskunft über Nutzer dynamischer IP-Adressen könne nur auf der Grundlage einer Auswertung von Verkehrsdaten erteilt werden. Diese Verkehrsdaten würden bei der Beteiligten nach §§ 96, 97, 100 TKG maximal drei Tage lang gespeichert und dann gelöscht.
Für eine über den genannten Zeitraum hinausgehende Speicherung, wie sie vom LG angeordnet worden sei, fehle es an einer gesetzlichen Grundlage. Die Anordnung stelle einen Eingriff in das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 GG) und in Artt. 2 und 1 GG dar. Nach dem Grundsatz des § 4 Abs. 1 BDSG und den Regelungen des TKG müssten Verkehrsdaten unverzüglich nach Beendigung der Verbindung gelöscht werden. Die im TKG vorgesehenen Ausnahmen rechtfertigten die angeordnete Speicherung nicht. Sie könne aber nicht auf § 101 Abs. 9 UrhG gestützt werden. Die Vorschrift habe auf der Rechtsfolgenseite ein anderes Objekt und eine andere Handlung (Auskunft) zum Gegenstand als die getroffene Anordnung. Die Speicherung von Verkehrsdaten sei auch kein "Minus" im Verhältnis zur Auskunft. Auch bestehe keine Pflicht des Providers zur Auskunft.
Die getroffene Anordnung entspreche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, der der Forderung nach einem Zugriff auf die nach der sog. Vorratsdatenspeicherung (§§ 113a f. TKG) gespeicherten Daten gerade nicht nachgekommen sei. Es gebe auch keine Lücke, die durch Rechtsfortbildung zu schließen sei. Eine solche würde sowohl gegen den Gewaltenteilungsgrundsatz als auch gegen das verfassungsrechtliche Zitiergebot verstoßen. Die gesetzgeberische Entscheidung, keinen Zugriff auf die "Vorratsdaten" zu gewähren, dürfe nicht durch die Anordnung der Speicherung unterlaufen werden. Eine Vorratsdatenspeicherung sei auch nach der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich unzulässig. Da bei Erlass der Anordnung noch nicht sicher sei, ob es je zu einer Auskunft nach § 101 Abs. 9 UrhG komme...