Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Ablehnung eines Sachverständigen, der sich zu einer bestimmten Frage bei einem Fachkollegen "rückversichert" hat

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Sachverständiger ist berechtigt - und gegebenenfalls verpflichtet -, seine fachlichen Grundlagen, die er für die Bearbeitung eines Gutachtenauftrags benötigt, zu kontrollieren und ggfs. zu ergänzen und zu vertiefen. Das kann durch Recherchen in der Fachliteratur geschehen, aber auch durch eine "Rückversicherung" bei einer fachlichen Frage durch Erörterungen mit einem Fachkollegen.

2. Erörtert der Sachverständige bei einem Gutachtenauftrag eine bestimmte Frage mit einem Fachkollegen, liegt darin keine "Mitarbeit einer anderen Person" im Sinne von § 407a Abs. 3 ZPO, wenn und soweit die Erstellung des Gutachtens (Feststellung von Anknüpfungstatsachen und fachliche Schlussfolgerungen) in der alleinigen Verantwortung des Sachverständigen erfolgt ist.

 

Normenkette

ZPO §§ 406, 407a Abs. 3

 

Verfahrensgang

LG Konstanz (Aktenzeichen 4 OH 18/17)

 

Tenor

1. Die sofortige Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Landgerichts Konstanz vom 02.11.2020 - N 4 OH 18/17 - wird zurückgewiesen.

2. Die Antragsteller tragen die Kosten des Beschwerdeverfahrens je zur Hälfte.

3. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 1.500,00 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragsteller sind Eigentümer des Anwesens K. Straße 7 in U.. Die Antragsgegnerin ließ im Jahr 2017 auf einem Nachbargrundstück ein Mehrfamilienhaus errichten. Mit Schriftsatz ihres Prozessbevollmächtigten vom 13.06.2017 haben die Antragsteller beantragt, ein selbstständiges Beweisverfahren gegen die Antragsgegnerin durchzuführen. Durch die Baumaßnahme der Antragsgegnerin und durch den damit verbundenen Schwerlastverkehr sei es zu Erschütterungen im Wohnhaus der Antragsteller gekommen. Diese Erschütterungen hätten Schäden verursacht.

Mit Beschluss vom 10.08.2017 - ergänzt durch den späteren Beschluss vom 18.09.2017 - hat das Landgericht Konstanz im selbstständigen Beweisverfahren antragsgemäß die Einholung eines schriftlichen Sachverständigengutachtens angeordnet. Durch das Gutachten solle geklärt werden, ob, entsprechend dem Vorbringen der Antragsteller, bestimmte Schäden am Wohnhaus der Antragsteller vorhanden seien, ob und inwieweit diese durch die Bautätigkeit der Antragsgegnerin auf dem Nachbargrundstück verursacht worden seien, und welche Maßnahmen und Kosten zur Beseitigung der Schäden erforderlich seien.

Am 25.08.2019 hat der vom Landgericht beauftragte Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) M. ein schriftliches Gutachten erstellt. In diesem Gutachten hat der Sachverständige u. a. ausgeführt, im Untergeschoss des Wohnhauses der Antragsteller gebe es bestimmte Feuchtigkeitsschäden. Ursächlich für die Feuchtigkeitsschäden sei eine nicht ordnungsgemäße Abdichtung des Bauwerks. Die Undichtigkeit der Bauwerkshülle sei nicht durch Erschütterungen während der Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück verursacht worden.

Im Termin vom 14.10.2020 hat das Landgericht den Sachverständigen ergänzend zur Erläuterung des schriftlichen Gutachtens angehört. Dabei hat er insbesondere seine Schlussfolgerung erläutert, wonach die Undichtigkeit der Bauwerkshülle des klägerischen Wohnhauses nicht durch die Bauarbeiten auf dem Nachbargrundstück verursacht worden sein könnten, insbesondere nicht durch ein Befahren des Nachbargrundstücks mit schweren Baufahrzeugen. Der Sachverständige hat erläutert, er habe wegen dieser Frage im Zusammenhang mit der Ausarbeitung des schriftlichen Gutachtens eine Rücksprache gehalten mit Dr. B., einem Bodengrundsachverständigen. Er habe Dr. B. zunächst per E-Mail einige Informationen über das Baugelände geschickt und sodann ein Telefongespräch von circa 3 - 4 Minuten mit Dr. B. geführt. Es habe sich hierbei lediglich um eine Rückversicherung unter Kollegen gehandelt, unabhängig davon, dass die den Baugrund betreffende Beweisfrage auch zu seinem eigenen Fachgebiet gehöre.

Im Hinblick auf diese Erklärungen haben die Antragsteller den Sachverständigen im Anhörungstermin vom 14.10.2020 wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Sie haben die Hinzuziehung von Dr. B. und die Nichtmitteilung dieses Umstandes im schriftlichen Gutachten gerügt, und die Begründung des Ablehnungsgesuchs im Schriftsatz vom 28.10.2020 ergänzt. Der Sachverständige Dipl.-Ing. (FH) M. habe durch die Hinzuziehung des Sachverständigen Dr. B., und durch die Nichtdokumentation dieser Hinzuziehung gegen § 407 a Abs. 3 ZPO verstoßen. Daraus ergebe sich eine Besorgnis der Befangenheit aus der Sicht der Antragsteller.

Mit Beschluss vom 02.11.2020 hat das Landgericht den Befangenheitsantrag zurückgewiesen. Der Sachverständige habe nicht gegen § 407 a Abs. 3 ZPO (Verbot einer Übertragung des Auftrags auf einen anderen und Namhaftmachung der Mitarbeit eines anderen) verstoßen. Er habe das Gutachten selbst erstellt. Eine telefonische Nachfrage bei einem anderen Sachverständigen-Kollegen stelle keine unzulässige Mitarbeit dar.

Gegen diese...

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