Entscheidungsstichwort (Thema)
Zuständigkeit der Kammer für Befangenheitsgesuch nach § 45 Abs. 3 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Zuständig für die Entscheidung über ein Befangenheitsgesuch nach § 45 Abs. 3 ZPO ist die Kammer und nicht der Einzelrichter.
Einer Zurückverweisung zur Nachholung der Kammerentscheidung bedarf es nicht, wenn über die Beschwerde der Senat nach § 568 S. 2 ZPO entscheidet.
Normenkette
ZPO § 45 Abs. 3, § 568 S. 2
Verfahrensgang
LG Konstanz (Beschluss vom 03.01.2006; Aktenzeichen 12 T 362/05) |
Tenor
1. Auf die Beschwerde des Beklagten zu 1) wird der Beschluss des LG vom 3.1.2006 aufgehoben und der Befangenheitsantrag gegen Richter am AG D. zurückgewiesen.
2. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Soweit die Entscheidung auf der Annahme beruht, § 45 Abs. 3 ZPO begründe die Zuständigkeit der Kammer für Ablehnungsgesuche, wird die Rechtsbeschwerde zugelassen.
4. Der Beschwerdewert wird mit 100 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde wendet sich gegen die Zurückweisung eines Befangenheitsantrags gegen den - zur Entscheidung über die Ablehnung des Direktors des AG ... berufenen - Richter am AG D. Da das AG über keinen weiteren Richter verfügt, war das LG Konstanz zur (Erst-)Entscheidung berufen.
Der Beschwerdeführer macht geltend, das LG habe zu Unrecht durch den Einzelrichter entschieden und in der Sache verkannt, dass das Kollegialitätsverhältnis zwischen dem Abgelehnten und dem ebenfalls abzulehnenden Direktor des AG eine unbefangene und objektive Entscheidung nicht erwarten lasse. Schließlich begründe die falsche Sachbehandlung des abgelehnten Richters in einem anderen - bereits abgeschlossenen - Verfahren die Besorgnis, auch in diesem Fall werde nicht korrekt und zum Nachteil des Beschwerdeführers entschieden.
Zugleich mit seiner Beschwerde lehnt der Beklagte zu 1) auch den entscheidenden Einzelrichter des LG wegen Besorgnis der Befangenheit ab; dieser Antrag ist, bevor das LG die Akten zur Entscheidung über die Beschwerde vorgelegt hat, nicht mehr beschieden worden.
II. Die statthafte (§§ 567 Abs. 1 Nr. 1, 46 Abs. 2 ZPO), innerhalb der Fünfmonatsfrist des § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO eingelegte Beschwerde ist zulässig, da mangels Zustellung der Entscheidung die kurze Beschwerdefrist nicht in Lauf gesetzt worden ist (§ 569 Abs. 1 S. 2 ZPO). Einer Zulässigkeit steht auch nicht entgegen, dass die Beschwerde durch einfache Beschwerdeschrift, nicht mittels Anwaltsschriftsatzes eingelegt ist (§§ 569 Abs. 3 Nr. 1, 44 Abs. 1, 78 Abs. 5 ZPO).
Die Beschwerde ist in der Sache ohne Erfolg, da die Entscheidung des LG zwar aufgrund eines Verfahrensfehlers aufzuheben, im Ergebnis das Ablehnungsgesuch aber als unbegründet zurückzuweisen ist.
1. Zu Recht rügt der Beschwerdeführer, über das Ablehnungsgesuch habe verfahrensfehlerhaft anstatt der Kammer der Einzelrichter entschieden.
Gemäß § 45 Abs. 3 ZPO entscheidet in den Fällen, in denen das zunächst angerufene Gericht durch Ausscheiden des abgelehnten Mitglieds beschlussunfähig wird, das im Rechtszug zunächst höhere Gericht. Im vorliegenden Fall war deshalb das LG Konstanz anstelle eines Richters des nur mit den beiden abgelehnten Richtern besetzten AG zur Entscheidung berufen.
Die Frage, ob in den Fällen des mit Zivilprozessreformgesetz geänderten § 45 ZPO für den Fall der landgerichtlichen Zuständigkeit der Einzelrichter oder die Kammer für das Ablehnungsgesuch zuständig ist, ist sowohl für die Fälle des § 45 Abs. 1 ZPO als auch des § 45 Abs. 3 ZPO von den Obergerichten in der Vergangenheit unterschiedlich beurteilt worden (OLG Köln v. 23.3.2005 - 8 W 4/05, OLGReport Köln 2005, 481; OLG Frankfurt v. 26.4.2004 - 1 W 26/04, OLGReport Frankfurt 2004, 271; OLG Schleswig v. 14.9.2004 - 16 W 97/04, OLGReport Schleswig 2005, 10; OLG Oldenburg v. 8.12.2004 - 15 W 23/04, OLGReport Oldenburg 2005, 82; v. 15.7.2005 - 14 W 8/05, MDR 2006, 169 = OLGReport Oldenburg 2006, 269 = NJW-RR 2005, 1660; OLG Karlsruhe v. 23.6.2003 - 9 W 43/03, OLGReport Karlsruhe 2003, 523; v. 24.6.2004 - 9 W 35/04, OLGReport Karlsruhe 2004, 490; KG v. 12.4.2004 - 15 W 2/04, MDR 2004, 1377 = KGReport Berlin 2004, 391).
Im Schrifttum hingegen wird - jedenfalls für die Fälle des § 45 Abs. 1 ZPO - überwiegend die Ansicht vertreten, die Kammer sei für diese Entscheidung zuständig (Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 64. Aufl., § 45 Rz. 4; HK-ZPO/Kayser, § 45 Rz. 2; Musielak/Smid, ZPO, 4. Aufl., § 45 Rz. 2; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., § 45 Rz. 1; Thomas/Putzo/Hüßtege, ZPO, 27. Aufl., § 45 Rz. 1; Zimmermann, ZPO, 7. Aufl., § 45 Rz. 1; Zöller/Vollkommer, ZPO, 25. Aufl., § 45 Rz. 2; a.A. Fölsch, SchlHAnz 2004, 137 ff.; Vossler, MDR 2006, 304).
Der Meinungsstreit, der sich auf die Zuständigkeit für Ablehnungsgesuche gegen einen Einzelrichter des LG bezieht (§ 45 Abs. 1 ZPO), ist zwischenzeitlich - für die Rechtsprechung - mit Beschluss des BGH vom 6.4.2006 (BGH v. 6.4.2006 - V ZB 194/05) entschieden. Darin hält der BGH fest, dass die Zivilkammer ohne Mitwirkung des abgelehnt...