Leitsatz (amtlich)
Wird der Streitgegenstand des Verfahrens nachträglich durch Änderung des Klageantrags vollständig ausgetauscht (Klagewechsel), das gerichtliche Verfahren dann aber vor Klärung der Zulässigkeit des Klagewechsels beendet, kommt eine Addition der Werte des ursprünglichen und des wirtschaftlich nicht identischen neuen Streitgegenstandes bei Bemessung des Gebührenstreitwerts nicht in Betracht.
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Beschluss vom 12.12.2015; Aktenzeichen 2 O 247/14) |
Tenor
Die Beschwerde des Beklagtenvertreters gegen den Streitwertbeschluss des Einzelrichters des LG Freiburg vom 12.12.2015 wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
I. Der Prozessbevollmächtigte der Beklagten begehrt Heraufsetzung des vom LG auf 12.500,00 EUR festgesetzten Gebührenstreitwerts.
Der Kläger hatte die Beklagte als Erbin seiner verstorbenen Ehefrau zunächst wegen behaupteter Pflichtteilsansprüche bei einem vorläufigen Streitwert von 12.500,00 EUR im Wege der Stufenklage in Anspruch genommen. Das LG ließ zur Frage der Wirksamkeit eines Erbverzichts, den der Kläger in dem zwischen den Eheleuten geschlossenen "Separation Agreement" vom 12.02.2012 nach kanadischem Recht erklärt hatte, ein Rechtsgutachten einholen. Nach Eingang des Gutachtens hat der Kläger seine Klage mit Schriftsatz vom 15.09.2015 geändert und statt der Pflichtteilsansprüche nun aus einer zusätzlichen "Vereinbarung zum Separation Agreement", ebenfalls vom 12.02.2012, Zahlung von 13.236,00 EUR verlangt.
Die Beklagte hat der Klageänderung widersprochen. Das LG hat mit Verfügung vom 09.11.2015 darauf hingewiesen, dass es die Klageänderung voraussichtlich für nicht sachdienlich halte. In der nachfolgenden mündlichen Verhandlung vom 11.12.2015 haben die Parteien den Rechtsstreit durch Vergleich beendet, ohne dass eine gerichtliche Entscheidung über die Zulässigkeit der Klageänderung ergangen war. Den Streitwert hat das LG auf 12.500,00 EUR festgesetzt, den Mehrwert des Vergleichs auf 13.236,00 EUR.
Gegen diese Streitwertfestsetzung richtet sich der Beklagtenvertreter mit seiner Streitwertbeschwerde, mit der er eine Addition der Werte des ursprünglichen und des wirtschaftlich nicht identischen neuen Streitgegenstandes begehrt. Das LG hat der Beschwerde mit Beschluss vom 02.05.2016 nicht abgeholfen.
II. Die Beschwerde des Beklagtenvertreters ist gemäß § 68 Abs. 1 GKG, § 32 Abs. 2 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die Beschwerde hat in der Sache jedoch keinen Erfolg. Der Streitwert für die Gerichtsgebühren ist zu Recht auf den Wert des ursprünglichen Klagegegenstandes festgesetzt worden. Die Werte des ursprünglichen und des wirtschaftlich nicht identischen neuen Streitgegenstandes sind im Streitfall nicht zusammenzurechnen.
1. Wird der Streitgegenstand des Verfahrens nachträglich durch Änderung des Klageantrags vollständig ausgetauscht (Klagewechsel), sind in Bezug auf die Festsetzung des Gebührenstreitwerts folgende Konstellationen zu unterscheiden:
a. Die Klageänderung wird mangels Sachdienlichkeit nicht zugelassen und der Gegner verweigert seine Zustimmung.
In diesem Fall bleibt es nach allgemeiner Auffassung beim bisherigen Streitwert für den ursprünglichen Streitgegenstand. Über den neuen Streitgegenstand wird nicht entschieden, denn es wird bereits der Wechsel zum neuen prozessualen Anspruch zurückgewiesen (OLG Bamberg, Beschl. v. 07.01.2013 - 6 W 51/12 - juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 22.06.2001 - 5 U 87/91 - juris; Schneider/Herget/Kurpat, Streitwertkommentar, 14. Aufl. 2016, Rn. 3322; Zöller/Greger, ZPO, 31. Aufl. 2016, § 263 Rn. 18).
b. Die Klageänderung wird zugelassen bzw. die Einwilligung des Gegners wird erteilt.
aa. Austausch wirtschaftlich identischer Ansprüche:
Nach allgemeiner Meinung erfolgt keine Zusammenrechnung der Werte der Ansprüche, da sie wirtschaftlich denselben Gegenstand betreffen (vgl. Schneider/Herget/Kurpat, a.a.O., Rn. 3322).
bb. Austausch wirtschaftlich nicht identischer Streitgegenstände:
Ob die Werte der vor und nach einer - zugelassenen - Klageänderung nach § 263 ZPO geltend gemachten Ansprüche bei fehlender wirtschaftlicher Identität zusammenzurechnen sind, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten. Wirtschaftliche Identität fehlt immer dann, wenn die Ansprüche nebeneinander bestehen könnten, das Gericht also beiden Ansprüchen stattgeben könnte (vgl. Liebheit, JuS 2001, 687).
Im Hinblick darauf, dass § 39 GKG die kumulative und gleichzeitige Geltendmachung mehrerer Ansprüche voraussetze, wird die Addition der Werte der prozessualen Ansprüche zum Teil abgelehnt: OLG Frankfurt, Beschl. v. 04.03.2009 - 3 W 3/09 -, juris, OLG Dresden, Beschl. vom 29.12.2006 - 5 W 1517/06 -, juris; OLG Schleswig, Beschl. v. 28.02.2012 - 17 W 1/12 -, juris; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.08.2010 - I-W 9/19 -, juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 20.12.2011 - 4 W 74/11 -, juris).
Für die Addition haben sich demgegenüber ausgesprochen: Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschl...