Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzthaftung: Umfang der Aufklärungspflicht über alternative Behandlungsmöglichkeiten; antizipierte Beweiswürdigung im Prozesskostenhilfeverfahren; Schmerzensgeldhöhe bei erheblichen Operationsfolgen und wiederholten Nachoperationen
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird ihm Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug für eine auf die Aufklärungsrüge gestützte Klage mit nachstehenden Anträgen gewährt:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ein in das Ermessen des Gerichts gestelltes Schmerzensgeld, jedoch nicht unter 35.000 EUR, nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Zustellung des Schriftsatzes vom 18.12.2012 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger alle materiellen zu ersetzen, die ihm aus der fehlerhaften Operation am 23.0.32008 entstanden sind oder noch entstehen, sowie die künftigen immateriellen Schäden, soweit die Ansprüche nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergehen.
2. Dem Antragsteller werden Rechtsanwälte Dr ... Koll. zu den Bedingungen eines am LG Heidelberg zugelassenen Rechtsanwalts beigeordnet. Die Partei hat keine Raten und keine sonstigen Beträge aus ihrem Vermögen zu zahlen.
3. Die weiter gehende Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Der Beschwerdeführer wendet sich mit seiner sofortigen Beschwerde vom 14.3.2013 (AS 33-34), begründet mit Schriftsatz vom 2.4.2013 (AS 36-40), gegen den die beantragte Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss des LG Mannheim vom 27.2.2013 (AS 25-31). Das LG hat der Beschwerde gemäß Beschluss vom 17.4.2013 (AS 41-44) nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt. Der Senat hat die Akten der Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht bei der Landesärztekammer Baden-Württemberg für den Bereich der Bezirksärztekammer Südbaden - Az. GSB 056/09 - beigezogen.
II. Die zulässige Beschwerde des Antragstellers hat in der Sache teilweise Erfolg. Zu Unrecht hat das LG die beantragte Prozesskostenhilfe bereits dem Grunde nach auch hinsichtlich der mit einem Aufklärungsverschulden begründeten beabsichtigten Rechtsverfolgung verneint. Die für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe gem. § 114 ZPO erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung lässt sich entgegen der Auffassung des LG im tenorierten Umfang nicht verneinen. Ob dem Antragsteller Ansprüche in diesem Umfang wegen Aufklärungsversäumnissen gem. §§ 280, 249, 253 Abs. 2 BGB aus einer Verletzung des Behandlungsvertrags oder unter dem Gesichtspunkt der unerlaubten Handlung gem. §§ 823 Abs. 1, 249, 253 Abs. 2 BGB zustehen, lässt sich nicht ohne weitere Beweisaufnahme beurteilen. Hinsichtlich der gerügten Behandlungsfehler hat das LG dagegen zu Recht die hinreichende Erfolgsaussicht verneint.
1. Ob dem Antragsteller die geltend gemachten Ansprüche wegen unzureichender Aufklärung dem Grunde nach zustehen, lässt sich entgegen der Auffassung des LG nicht ohne weitere Beweisaufnahme hinsichtlich einer Aufklärungspflichtverletzung und deren Kausalität für die geklagten Beschwerden entscheiden.
a) Das LG hat rechtsfehlerhaft im Hinblick auf die Ausführungen in dem Verfahren vor der Gutachterkommission für Fragen ärztlicher Haftpflicht eingeholten Gutachten des Dr. H. vom 18.8.2009 (AH II, B1) S. 13 eine Aufklärungspflicht über eine Behandlungsalternative verneint. Der Antragsteller beanstandet, er sei nicht über die Möglichkeit einer konservativen Behandlung aufgeklärt worden. Dabei habe es sich um eine gleichwertige Behandlungsalternative gehandelt (AS 11).
aa) Dem Patienten ist durch die vor jedem ärztlichen Eingriff zu erfolgende Aufklärung eine allgemeine Vorstellung von der Art und dem Schweregrad der in Betracht stehenden Behandlung sowie den damit verbundenen Belastungen und Risiken zu vermitteln. Dabei ist zunächst über die Art der konkreten Behandlung und deren Tragweite aufzuklären (Behandlungsaufklärung) sowie über die mit der fehlerfreien medizinischen Behandlung verbundenen und dem Eingriff spezifisch anhaftenden Risiken, die bei ihrer Verwirklichung für die Lebensführung des Patienten von Bedeutung sind (Risikoaufklärung). Zu der Behandlungsaufklärung gehört auch, dass der Arzt den Patienten Kenntnis von Behandlungsalternativen verschaffen muss, wenn gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden mit wesentlich unterschiedlichen Risiken und Erfolgschancen eine echte Wahlmöglichkeit für den Patienten begründen. Zwar ist die Wahl der Behandlungsmethode grundsätzlich primär Sache des Arztes. Er muss dem Patienten daher im Allgemeinen nicht ungefragt erläutern, welche Behandlungsmethoden theoretisch in Betracht kommen, solange er eine Therapie anwendet, die dem medizinischen Standard genügt. Die Wahrung des Selbstbestimmungsrechts des Patienten erfordert aber eine Unterrichtung über eine alternative Behandlungsmöglichkeit, wenn für eine medizinisch sinnvolle und indizierte Therapie mehrere gle...