Leitsatz (amtlich)
1. Unter Streitigkeiten i.S.v. § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG sind nicht lediglich Erkenntnisverfahren in wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten gemeint. § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG umfasst vielmehr auch Vollstreckungsverfahren, sofern zuständiges Vollstreckungsorgan das für die Entscheidung von Wohnungseigentumssachen berufene AG als Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist.
2. Ist das zuständige Vollstreckungsorgan jedoch das Vollstreckungsgericht, ist eine Sachnähe zum Erkenntnisverfahren typischerweise nicht gegeben (vgl. auch BGH NJW 1979, 1048, wonach sich die Zuständigkeit der Familiengerichte nicht auf Verrichtungen erstreckt, die die Zivilprozessordnung den Vollstreckungsgerichten zuweist).
Verfahrensgang
AG Weinheim (Beschluss vom 09.10.2007; Aktenzeichen M 1951/07) |
Tenor
Als zuständiges Gericht zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des AG Weinheim vom 9.10.2007 - M 1951/07 - wird das LG Mannheim bestimmt.
Gründe
I. Auf Antrag der Gläubigerin hat das AG Weinheim am 20.8.2007 wegen einer in einem Kostenfestsetzungsbeschluss des AG Bensheim vom 5.6.2007 titulierten Forderung i.H.v. 1.433,21 EUR sowie wegen der Kosten der Zwangsvollstreckung i.H.v. 326,19 EUR einen Pfändungs- und Überweisungsbeschluss gegen den Schuldner erlassen. Auf die Erinnerung des Schuldners hat das AG Weinheim diesen Beschluss am 9.10.2007 aufgehoben. Gegen diese Entscheidung richtet sich die sofortige Beschwerde der Gläubigerin. Das AG hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Akten dem LG Mannheim zur Entscheidung vorgelegt. Mit den Parteien bekannt gegebenem Beschluss vom 20.5.2008 hat das LG Mannheim das Beschwerdeverfahren an das LG Karlsruhe abgegeben. Dieses sei gem. § 72 Abs. 2 GVG zuständig, da es sich um eine Rechtsstreitigkeit gem. § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG handle. Das LG Karlsruhe hat sich mit den Parteien bekannt gegebenem Beschluss vom 23.6.2008 für unzuständig erklärt und die Akten zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG Karlsruhe vorgelegt.
II. Als zuständiges Gericht war gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO analog das LG Mannheim zu bestimmen.
1. Das OLG Karlsruhe ist gem. § 36 Abs. 1 Nr. 6, Abs. 2 ZPO analog zur Entscheidung berufen.
a) § 36 Nr. 6 ZPO ermöglicht die Entscheidung eines negativen Kompetenzkonflikts auch im Vollstreckungsverfahren (vgl. BGH, Beschl. v. 2.3.1983 - IV b ARZ 49/82 - zitiert nach juris Rz. 6; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 36 Rz. 37) und auch dann, wenn der Zuständigkeitsstreit die Zuständigkeit für die Entscheidung über ein Rechtsmittel betrifft (vgl. BGH, Beschl. v. 2.10.1985 - IV b ARZ 24/85 - Rz. 8, zitiert nach juris).
b) Zwar liegen die Voraussetzungen des § 36 Nr. 6 ZPO nicht vor. Denn die LG Mannheim und Karlsruhe haben sich nicht, wie in dieser Bestimmung gefordert, in rechtskräftigen Beschlüssen für unzuständig erklärt. § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO ist aber im Interesse einer raschen Klärung negativer Kompetenzkonflikte entsprechend anzuwenden, wenn verschiedene mit der Sache befasste Gerichte ihre Kompetenz leugnen (vgl. BGHZ 104, 363 - Juris-Ausdruck Rz. 5; Zöller/Vollkommer, ZPO, 26. Aufl., § 36 Rz. 25) und die Unzuständigkeitserklärungen der Gerichte den Verfahrensbeteiligten zumindest bekannt gemacht wurden (vgl. BGH NJW-RR 1992, 579; NJW-RR 1992, 1154; NJW-RR 1996, 1217; Zöller/Vollkommer, a.a.O., Rz. 25). Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Sowohl das LG Mannheim als auch das LG Karlsruhe haben sich durch den Parteien bekannt gegebene Beschlüsse vom 20.05. bzw. 23.6.2008 für unzuständig erklärt.
2. Für die Entscheidung über die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Beschluss des AG Weinheim vom 9.10.2007 ist gem. § 72 Abs. 1 GVG das LG Mannheim zuständig. Eine Rechtsmittelzuständigkeit des LG Karlsruhe gem. § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG ist nicht begründet.
a) Gemäß § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG ist in Streitigkeiten nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG das für den Sitz des OLG zuständige LG gemeinsames Berufungs- und Beschwerdegericht für den Bezirk des OLG, in dem das AG seinen Sitz hat. Die vorliegende Auseinandersetzung der Parteien über die Rechtmäßigkeit des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des AG Weinheim vom 20.8.2007 ist keine Streitigkeit nach § 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG. Entgegen der Auffassung des LG Karlsruhe sind unter Streitigkeiten in diesem Sinne allerdings nicht lediglich Erkenntnisverfahren in wohnungseigentumsrechtlichen Streitigkeiten gemeint. Nach der Rechtsprechung des Senats (Beschlüsse vom 23.6.2008 - 15 AR 13/08 -; v. 11.7.2008 - 15 AR 8/08) erfasst § 72 Abs. 2 Satz 1 GVG vielmehr auch Vollstreckungsverfahren, sofern zuständiges Vollstreckungsorgan das für die Entscheidung von Wohnungseigentumssachen gem. § 23 Nr. 2c GVG, 43 Nr. 1 bis 4 und 6 WEG berufene AG als Prozessgericht des ersten Rechtszugs ist. Denn wie bereits in dem gesetzlich angeordneten Gleichlauf der Entscheidungszuständigkeit im Erkenntnis- und Vollstreckungsverfahren zum Ausdruck kommt, stehen die vom Wohnu...