Leitsatz (amtlich)
Dass Prozesskostenhilfe für ein gerichtliches Verfahren i.d.R. nicht unter Hinweis auf die Möglichkeit außergerichtlicher Streitschlichtung (wegen Mutwillens i.S.d. § 114 ZPO) versagt werden kann, gilt grundsätzlich auch für Verfahren zur Regelung des Umgangs, die ohne vorherige Inanspruchnahme des Jugendamts eingeleitet werden (wie OLG Karlsruhe Beschl. v. 17.5.2002 – 16 WF 39/02, FamRZ 2002, 1712).
Normenkette
BGB § 1684; ZPO § 114
Verfahrensgang
AG Karlsruhe (Beschluss vom 13.09.2002; Aktenzeichen 6 F 200/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des AG – FamG – Karlsruhe vom 13.9.2002 (6 F 200/02), soweit in diesem Prozesskostenhilfe für die Folgesache Umgangsrecht versagt wurde, abgeändert.
Der Antragstellerin wird (auch) für die Folgesache Umgangsrecht rückzahlungsfreie Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt T. S., bewilligt.
Gründe
I. Die Antragstellerin hat im Rahmen des anhängig gewesenen Scheidungsverfahrens ein Verfahren wegen Umgangsrechts des Antragsgegners mit den bei ihr lebenden Kindern D. (geboren am 14.8.1997) und L. (2.8.1999) eingeleitet und hierfür Prozesskostenhilfe beantragt. Zur Begründung hat sie ausgeführt, insoweit bestehe ein Titulierungsinteresse, da bisher keine Regelung und über die genauen Zeiten Uneinigkeit bestehe.
Mit Beschluss vom 13.9.2002 hat das FamG der Antragstellerin für das Scheidungsverfahren und die Folgesachen Versorgungsausgleich sowie Ehegatten- und Kindesunterhalt Prozesskostenhilfe bewilligt, die für das Umgangsrechtsverfahren nachgesuchte jedoch verweigert.
Letzteres erscheine mutwillig, da das Erfordernis einer diesbezüglichen gerichtlichen Regelung weder dargetan, noch sonst ersichtlich sei.
Auf Hinweis des FamG hat die Antragstellerin weiter vorgetragen, sie habe es „bis zum geht nicht mehr” versucht, mit dem Antragsgegner den Kindesumgang einvernehmlich zu regeln. Er habe dann die vereinbarten Zeiten nie eingehalten. So habe sie sich nicht darauf verlassen können, dass die Kinder zu den vereinbarten Zeiten untergebracht seien. Vielmehr habe er sein Umgangsrecht so ausgeübt, wie es ihm passe, es insb. davon abhängig gemacht, wie die Fußballübertragungen im Fernsehen seien.
Der von der Antragstellerin gegen die Versagung der Prozesskostenhilfe eingelegten sofortigen Beschwerde hat das FamG am 12.12.2002 mit der Begründung nicht abgeholfen, eine kostenbewusste Person würde zunächst beim zuständigen Jugendamt vorsprechen und dieses zumindest um Moderation einer außergerichtlichen Umgangsvereinbarung bitten.
II. Die gem. § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO zulässige, insb. form- und fristgerecht eingelegte (§ 127 Abs. 2 S. 3 ZPO) sofortige Beschwerde ist auch in der Sache gerechtfertigt.
Sie führte zur antragsgemäßen Bewilligung der Prozesskostenhilfe.
Entgegen der Bewertung des FamG kann nach der vorliegend gegebenen besonderen Sachlage das von der Antragstellerin eingeleitete Verfahren auf Regelung des Umgangs nicht als mutwillig angesehen werden, weil eine verständige, nicht hilfsbedürftige Partei ihr Begehren nicht in gleicher Weise verfolgen würde (vgl. zur Definition des Mutwillens, Zöller/Philippi, ZPO, 23. Aufl., § 114 Rz. 36). Dass Prozesskostenhilfe grundsätzlich nicht unter Hinweis auf die Möglichkeit außergerichtlicher Streitschlichtung versagt werden kann, muss i.d.R. auch für die Hilfe des Jugendamts in Angelegenheiten der elterlichen Sorge und des Umgangsrechts gelten (s.a. OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.5.2002 – 16 WF 39/02, FamRZ 2002, 1712). Denn auch hier gibt es keinen Erfahrungssatz des Inhaltes, eine bemittelte Partei werde regelmäßig die außergerichtliche Streitschlichtung suchen. Dann muss auch der bedürftigen Partei die Möglichkeit offen bleiben, sich nach eigenem Ermessen zwischen außergerichtlicher Streitschlichtung und gerichtlichem Verfahren zu entscheiden. Ist letzteres gewählt, hat die Partei einen entspr. Rechtsgewährungsanspruch, auch wenn sie bedürftig ist (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.5.2002 – 16 WF 39/02, FamRZ 2002, 1712). Dass im Falle der Inanspruchnahme des Jugendamts durch die Antragstellerin vor Einleitung des gerichtlichen Verfahrens eine Verständigung mit dem Antragsgegner zu Stande gekommen wäre – was ggf. ihr Begehren gleichwohl als mutwillig erscheinen ließe (vgl. hierzu OLG Karlsruhe, Beschl. v. 17.5.2002 – 16 WF 39/02, FamRZ 2002, 1712) – kann hier nicht mit der nötigen Wahrscheinlichkeit vorausgesagt werden. Dagegen spricht das unwidersprochene Vorbringen der Antragstellerin, sie habe es „bis zum geht nicht mehr” versucht, mit dem Antragsgegner zu einer einvernehmlichen Regelung zu kommen.
Der Rechtsverfolgung kann auch nicht die hinreichende Erfolgsaussicht i.S.d. § 114 ZPO abgesprochen werden. Abgesehen davon, dass nach dem dargelegten Sachvortrag der Beschwerdeführerin keine hinreichende Aussicht auf ein Einvernehmen der Eltern ohne gerichtliches Verfahren bestand, entspricht die von der Antragstellerin gewünschte feste zeitliche Regelung, die der Antragsgegner mitz...