Verfahrensgang
LG Mannheim (Aktenzeichen 5 O 11/22) |
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Mannheim vom 22.12.2022 - 5 O 11/22 - wird einstimmig zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieser Beschluss und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.
3. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 8.376,41 EUR festgesetzt.
Gründe
Die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für die Zurückweisung der Berufung durch Beschluss liegen vor. Die Berufung des Beklagten ist offensichtlich unbegründet. Die Rechtssache hat auch keine grundsätzliche Bedeutung und die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordert keine Entscheidung des Berufungsgerichts.
1. Der Senat hat in dem Hinweisbeschluss vom 20.03.2023 die Gründe für die beabsichtigte Zurückweisung der Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO im Einzelnen dargelegt. Hierauf nimmt der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Die Stellungnahme des Beklagten vom 21.02.2023 rechtfertigt keine andere Beurteilung und gibt nur Anlass zu folgenden ergänzenden Ausführungen:
a. "Nachträge", die - wie im Streitfall - die Vereinbarung einer (zusätzlichen) Vergütung für zusätzliche Leistungen des Unternehmers zum Gegenstand haben, sind rechtlich selbstständige Werkverträge, weil sie - wie der Hauptvertrag - durch Angebot und Annahme zustande gekommen sind. Sie können daher unter den Voraussetzungen der §§ 312b, 312g BGB (oder den bei zusätzlichen Leistungen nur selten gegebenen Voraussetzungen der §§ 650i, 650l BGB) selbstständig widerrufen werden. Für die rechtliche Einordnung von Nachtragsvereinbarungen als selbstständige Werkverträge macht es keinen Unterschied, ob es sich bei dem Hauptvertrag um einen Bauvertrag im Sinne des § 650a BGB oder um einen Verbraucherbauvertrag im Sinne des § 650i BGB handelt. Auch der Umstand, dass Nachtragsvereinbarungen insbesondere dann mit dem Hauptvertrag "zusammenhängen", wenn sie die nach dem Hauptvertrag geschuldeten Leistungen nur ergänzen oder lediglich solche zusätzlichen Leistungen zum Gegenstand haben, die zur Herstellung eines funktionstauglichen Werks erforderlich sind (vgl. § 650b Abs. 1 BGB), ändert nichts daran, dass die von den Parteien getroffene Abrede über den zusätzlichen Leistungsinhalt und dessen Vergütung - also die Nachtragsvereinbarung - ein selbstständiger Werkvertrag ist.
b. Nach dem Gesetzeswortlaut des § 312b Abs. 1 Nr. 1 BGB kommt es für das Widerrufsrecht nur darauf an, dass der Vertragsschluss außerhalb von Geschäftsräumen erfolgt ist. Auf eine konkrete Überraschung oder Überrumpelung kommt es nicht an. Es ist auch nicht erforderlich, dass die Überrumpelungssituation im konkreten Fall kausal zum Vertragsschluss durch den Verbraucher geführt hat.
Die Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 17/12637, S. 49) und der Erwägungsgrund 21 der Verbraucherrichtlinie 2011/83/EU gebieten keine einschränkende Auslegung des Gesetzeswortlauts. Sie machen im Gegenteil deutlich, dass dem Verbraucher ein Widerrufsrecht bereits deshalb eingeräumt wird, weil er außerhalb von Geschäftsräumen "möglicherweise" psychisch unter Druck steht oder einem Überraschungsmoment ausgesetzt ist. Nach diesem typisierten Maßstab kommt es auf eine konkrete Schutzbedürftigkeit des Verbrauchers im Einzelfall nicht an.
Der Unternehmer kann den für ihn nachteiligen Folgen des Widerrufs dadurch begegnen, dass er den Verbraucher über das Widerrufsrecht belehrt und ein ausdrückliches Leistungsverlangen des Verbrauchers vor Ablauf der Widerrufsfrist sich von diesem schriftlich oder in Gegenwart von Zeugen bestätigen lässt (vgl. § 357a Abs. 2 Nr. 1 BGB).
c. Wie bereits im Hinweisbeschluss ausgeführt, liegt der Ausschlusstatbestand des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht vor. Auch wenn die von dem Beklagten eingebauten Materialien nach den planerischen Vorgaben des Klägers hergestellt und eingepasst wurden, schuldete der Beklagte nach dem Inhalt der geschlossenen Verträge nicht die Lieferung von Waren, sondern ein funktionstaugliches Werk, nämlich den Innenausbau des Dachgeschosses des Klägers. Hierbei handelt es sich um Werkverträge (Bauverträge), die dem Anwendungsbereich des § 312g Abs. 2 Nr. 1 BGB nicht unterfallen (vgl. BGH, Urteil vom 30. August 2018 - VII ZR 243/17 -, juris Rn. 22 ff.).
d. Der Widerruf ist aus den im Hinweisbeschluss genannten Gründen auch nicht treuwidrig.
2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit hat seine Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 63 Abs. 2 GKG i.V.m. §§ 48 GKG, 3 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 16079802 |
NJW 2024, 156 |
BauR 2024, 512 |
IBR 2023, 447 |
NZBau 2023, 5 |
NZBau 2024, 27 |