Entscheidungsstichwort (Thema)
Abschiebungshaft: Antragstellung durch örtlich unzuständige Ausländerbehörde aufgrund Amtshilfeersuchens der zuständigen Behörde
Leitsatz (amtlich)
1. Ob der Antrag auf Anordnung der Abschiebungshaft von der zuständigen Verwaltungsbehörde gestellt wurde, ist in jeder Lage des Verfahrens und damit auch durch das Rechtsbeschwerdegericht von Amts wegen zu prüfen.
2. Es bleibt offen, ob das an eine nach der bad.-württ. Aufenthalts- und Asyl-Zuständigkeitsverordnung (AAZuVO) örtlich unzuständige Ausländerbehörde gerichtete entsprechende Ersuchen der zuständigen Behörde grundsätzlich eine Befugnis der ersuchten Behörde zur Stellung eines Antrags auf Anordnung der Abschiebungshaft begründen kann.
3. Eine von der zuständigen Behörde aufgrund eines Amtshilfeersuchens abgeleitete Zuständigkeit der nach der normierten Zuständigkeitsordnung unzuständigen Ausländerbehörde kommt - wenn überhaupt - allenfalls dann in Betracht, wenn zum einen die Voraussetzungen für ein entsprechendes Amtshilfeersuchen gegeben waren und zum anderen sowohl ggü. dem Betroffenen als auch ggü. dem Gericht offengelegt wird, dass im Wege der Amtshilfe vorgegangen wird.
4. Ein Vorgehen im Wege der Amtshilfe ist wegen der damit verbundenen Überschreitung von Zuständigkeitsgrenzen nur insoweit zulässig, als sie zur rechtmäßigen Aufgabenerfüllung tatsächlich erforderlich ist.
Verfahrensgang
LG Offenburg (Beschluss vom 21.01.2008; Aktenzeichen 4 T 108/07) |
Tenor
1. Der Beschluss des LG Offenburg vom 21.1.2008 - 4 T 108/07 - wird aufgehoben.
2. Es wird festgestellt, dass die Anordnung der Abschiebungshaft durch Beschluss des AG Offenburg vom 4.4.2007 - XIV 15/07 B - rechtwidrig war.
3. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung des Betroffenen notwendigen Auslagen des Betroffenen werden dem Land Baden-Württemberg auferlegt.
4. Der Geschäftswert des Verfahrens der weiteren Beschwerde wird auf 3.000 EUR festgesetzt.
5. Dem Betroffenen wird für das Verfahren der weiteren Beschwerde Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt J.L., Bremen, H. Straße ..., bewilligt.
Tatbestand
Der Betroffene, ein togoischer Staatsbürger, war am 20.8.2001 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Sein am 23.8.2001 gestellter Asylantrag wurde durch Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (Bundesamt) vom 19.9.2001 unter Androhung der Abschiebung abgelehnt. Die Abschiebungsandrohung ist seit dem 29.3.2003 vollziehbar. Der vom Betroffenen am 9.6.2004 gestellte Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens wurde durch Beschluss des Bundesamtes vom 17.6.2004 abgelehnt. Die hiergegen gerichtete Klage war jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung des LG noch anhängig.
Die vom Landkreis S.-F. (Niedersachsen) als der zuständigen Ausländerbehörde für den 28.6.2005 vorgesehene Abschiebung konnte nicht durchgeführt werden, weil der Betroffene seit dem 1.6.2005 untergetaucht war.
Nachdem der Betroffene in Frankreich aufgegriffen und im Regierungsbezirk Freiburg den deutschen Behörden überstellt worden war, hat das Regierungspräsidium Freiburg - Bezirksstelle für Asyl - am 4.4.2007 beim AG Offenburg gegen den Betroffenen die Sicherungshaft bis zum 31.5.2007. Dabei wurde es - wie es dem LG auf dessen Anfrage am 26.4.2007 mitgeteilt hat - in Amtshilfe für die Ausländerbehörde des Landratsamtes S.-F. auf deren Ersuchen vom 4.4.2007 hin tätig.
Auf diesen Antrag hat das AG Offenburg mit Beschluss vom 4.4.2007 gegen den Betroffenen die bis zum 31.5.2007 befristete Abschiebungshaft angeordnet. Dagegen hat der Betroffene mit Anwaltschriftsatz vom 18.4.2007 sofortige Beschwerde eingelegt. Am 25.4.2007 wurde er abgeschoben. Mit Anwaltschriftsatz vom 3.5.2007 hat der Betroffene Feststellung beantragt, dass die Abschiebungshaft rechtswidrig war.
Mit Beschluss vom 21.1.2008, der seinen Verfahrensbevollmächtigten am 7.2.2008 zugestellt wurde, hat das LG Offenburg die sofortige Beschwerde zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die mit am 21.2.2008 als Fax-Schreiben beim LG eingegangenem (AS 239) Anwaltschriftsatz vom selben Tag eingelegte sofortige weitere Beschwerde des Betroffenen, für die er Prozesskostenhilfe begehrt.
Entscheidungsgründe
II. Das gem. §§ 3 S. 2, 7 Abs. 2, 6 Abs. 2 lit. a FEVG i.V.m. §§ 27, 29 FGG statthafte sowie form- und fristgemäß eingelegte Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Mit Recht hat das LG die Erstbeschwerde des Betroffenen für zulässig erachtet. Durch den am 25.4.2007 erfolgten Vollzug der Abschiebung ist zwar Erledigung der Hauptsache eingetreten (Kahl in Keidel/Kuntze/Winkler, FGG, 15. Aufl. 2003, Rz. 87 zu § 19 - Stichwort "Freiheitsentziehung"), das Rechtsschutzinteresse des Betroffenen an einer Entscheidung zur Frage der Rechtsmäßigkeit der erledigten Freiheitsentziehung ist damit aber nicht entfallen (BVerfGE 104, 220 ff., 231 ff.). Dem hat der Betroffene dadurch Rechnung getragen, dass er die Feststellung beantragt hat, dass die aufgrund des amtsgerichtlichen Beschlusses vom 4.4.2007 voll...