Leitsatz (amtlich)
Ob die Überschreitung eines Gutachtensauftrags geeignet ist, bei einem Beteiligten die Besorgnis der Befangenheit des Sachverständigen hervorzurufen, kann nur aufgrund der Umstände des jeweiligen Einzelfalles entschieden werden. Es kann die Besorgnis der Befangenheit begründen, wenn der Sachverständige aus Gründen des Kindeswohls eine Übertragung von Teilbereichen der elterlichen Sorge auf die Mutter anregt, obwohl Gegenstand des Sorgerechtsverfahrens und der Begutachtung allein die Frage ist, ob das Sorgerecht in Teilbereichen allein auf den Vater zu übertragen ist. Ein Anschein der Befangenheit wird auch dann begründet, wenn der Sachverständige empfiehlt, einem der Beteiligten Verfahrenskostenhilfe künftig zu verweigern.
Normenkette
ZPO § 406 Abs. 1, § 42 Abs. 2
Verfahrensgang
AG Karlsruhe-Durlach (Beschluss vom 29.09.2014; Aktenzeichen 2 F 205/13) |
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Karlsruhe-Durlach vom 29.9.2014 (2 F 205/13) wie folgt abgeändert:
Das Gesuch des Antragstellers, den Sachverständigen Prof. Dr. med. R. wegen der Besorgnis der Befangenheit abzulehnen, wird für begründet erklärt.
2. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Gründe
I. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des Kindes B. K. K., geboren am ... 2008. B. lebt zusammen mit seinen Halbgeschwistern im Haushalt seiner Mutter. Der Antragsteller und die Antragsgegnerin waren nicht miteinander verheiratet. Mit Beschluss vom 2.8.2012 ist im Verfahren 2 F 220/10 ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern begründet worden.
Unter dem 4.9.2013 hat der Antragsteller beantragt, ihm das Aufenthaltsbestimmungsrecht, das Recht auf Gesundheitsfürsorge und das alleinige Recht zur Anmeldung im Kindergarten und zur Vertretung in schulischen Angelegenheiten zu übertragen. Zur Begründung hat er angeführt, dass die Mutter sich nicht in ausreichender Weise um die Entwicklung und Erziehung des Kindes kümmere und es nicht ausreichend fördere. Sprachlich habe sich B. nicht weiter entwickelt. B. werde sowohl im Kindergarten als auch von seinem Halbbruder I. gemobbt und geschlagen. Die Mutter lasse die Kinder oft stundenlang allein.
Die Mutter ist dem Antrag entgegengetreten.
Mit Beschluss vom 4.4.2014 hat das AG Beweis wie folgt erhoben:
"Zur Vorbereitung der Hauptsacheentscheidung über das Aufenthaltsbestimmungsrecht und das alleinige Recht zur Anmeldung im Kindergarten und für schulische Angelegenheiten betreffend das Kind B. K. K. ist ein familienpsychologisches Gutachten einzuholen."
Zum Sachverständigen hat das AG Prof. Dr. med. U. R. bestimmt, der sein Gutachten unter dem 18.6.2014 erstattet hat.
Der Sachverständige hat nachfolgende gutachterliche Empfehlungen abgegeben:
Der Antrag von Herrn K. sollte zurückgewiesen werden.
B. sollte im Hinblick auf seine Aufmerksamkeitsstörung in der Schule engmaschig betreut werden und eventuell eine therapeutische Betreuung erhalten.
Das gemeinsame Sorgerecht sollte für Herrn K. im Hinblick auf die Entscheidung über Beschulung und Gesundheitsfürsorge eingeschränkt und auf Frau H. übertragen werden.
Die weitere Gewährung von Prozesskostenhilfe für Herrn K. in einem weiteren Verfahren sollte kritisch überprüft werden.
Hinsichtlich der Einzelheiten der Ausführungen des Sachverständigen wird ergänzend auf das schriftliche Sachverständigengutachten vom 18.6.2014 (I, 155 ff.) verwiesen.
Mit Schriftsatz vom 28.7.2014, eingegangen am 29.7.2014, hat der Antragsteller den Sachverständigen Prof. Dr. med. R. wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt. Er hat vorgebracht, dass der Sachverständige ungefragt mit seinen Feststellungen über die durch den Beweisbeschluss vorgegebenen Beweisfragen hinausgegangen sei und vom Auftrag nicht umfasste Fragen beantwortet habe. Er habe eigenmächtig seinen Gutachterauftrag ausgeweitet und dem Gericht Vorschläge zu nicht gestellten Sorgerechtsanträgen unterbreitet. Der Gutachter habe seine Kompetenzen weit überschritten und dem Gericht Vorschläge zur Gewährung von Verfahrenskostenhilfe gemacht. Er habe ihm finanzielle Gründe für seinen Sorgerechtsantrag unterstellt. Die polemische Art und Weise der Formulierungen des Sachverständigen zeige eine eindeutig emotional geprägte parteiische Haltung, etwa wenn er frage, ob der Vater V. gefördert habe, und übersehe, dass V. überhaupt nicht durch ihre Mutter gefördert worden sei, da sie sich in einem Kinderheim befunden habe. Der Gutachter habe B. auch suggestive Fragen, beispielsweise nach seinem Fernsehkonsum, gestellt und den übermäßigen Fernsehkonsum allein dem Vater angelastet.
Der Sachverständige hat unter dem 4.9.2014 eine schriftliche Stellungnahme zum Ablehnungsgesuch abgegeben. Wegen der Einzelheiten wird Bezug genommen auf die schriftlichen Äußerungen des Sachverständigen vom 4.9.2014 (I, 309, 311).
Mit Beschluss vom 29.9.2014 hat das AG den Antrag auf Ablehnung des Sachverständigen wegen der Besorgnis der Befangenheit zurückgewiesen. Das AG ist der Auffass...