Leitsatz (amtlich)
1. Unter Geltung des RVG ist dem Antragsteller bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe in der Regel der von ihm gewählte Rechtsanwalt an seinem Wohn- oder Geschäftsort beizuordnen, es sei denn es handelt sich um einen einfach gelagerten Rechtsstreit, der ohne weiteres die ausschließlich schriftliche Information eines Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts zulässt.
2. Bei der Frage, ob durch die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts Mehrkosten i.S.v. § 121 Abs. 3 ZPO entstehen, ist auch zu prüfen, ob neben einem Prozessbevollmächtigten am Ort des Prozessgerichts zusätzlich ein Verkehrsanwalt (§ 121 Abs. 4 ZPO) am Wohnort des Antragstellers beizuordnen wäre (Gesamtbetrachtung; BGH v. 23.6.2004 - XII ZB 61/04, MDR 2004, 1373 = BGHReport 2004, 1371 m. Anm. Schneider = NJW 2004, 2749 [2750]). Nur wenn dieses nicht der Fall ist, darf das Gericht den auswärtigen Rechtsanwalt noch "zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts" beiordnen.
3. Die Sicherstellung der Einhaltung von § 121 Abs. 3 ZPO erfordert die Begrenzung der abrechenbaren Mehrkosten auf die Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts bereits bei der Entscheidung über die Beiordnung. Die Entscheidung kann nicht aufgrund einer bloßen Prognose der voraussichtlich entstehenden Reisekosten getroffen werden. Die Begrenzung darf auch nicht über § 46 Abs. 1 RVG ins Festsetzungsverfahren verlagert werden (entgegen OLG Hamm v. 25.11.2004 - 6 WF 269/04, OLGReport Hamm 2005, 179 = MDR 2005, 538). Vielmehr ist der Rechtsanwalt mit der Maßgabe beizuordnen, dass die Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts am Wohnort des Antragstellers erstattungsfähig sind.
4. Stellt der Wahlanwalt den Antrag auf die eigene Beiordnung selbst, so bedarf es keiner Nachfrage oder der Herbeiführung eines ausdrücklichen Einverständnisses zu einer solchermaßen eingeschränkten Beiordnung. Der Rechtsanwalt gibt bereits mit dem Beiordnungsantrag zu erkennen, dass er mit einer solchen Beiordnung, die § 121 Abs. 3 ZPO Rechnung trägt, einverstanden ist, es sei denn er weist ausdrücklich darauf hin, dass er im Falle der Einschränkung nicht bereit ist, für die vertretene Partei weiter tätig zu werden. Dann ist der Beiordnungsantrag abzulehnen.
5. Auch die Partei, die auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, hat grundsätzlich unter mehreren zuständigen Gerichten die Wahl (§ 35 ZPO). Mutwillig handelt sie nur, wenn konkrete Anhaltspunkte für eine rechtsmissbräuchliche Auswahl des weiter entfernten Gerichts vorliegen.
Normenkette
ZPO §§ 35, 121 Abs. 3-4; RVG § 46 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Beschluss vom 18.02.2005; Aktenzeichen 10 O 695/04) |
Tenor
I. Auf die sofortige Beschwerde des Antragstellers/Klägers wird der Beschluss des LG Karlsruhe vom 18.2.2005 - 10 O 695/04 - in S. 1 Halbs. 2 unter Zurückweisung der weiter gehenden Beschwerde teilweise geändert.
Dem Antragsteller/Kläger werden die im Beschluss genannten Rechtsanwälte mit der Maßgabe beigeordnet, dass Mehrkosten, die dadurch entstehen, dass der beigeordnete Rechtsanwalt seine Kanzlei nicht am Ort des Prozessgerichts hat, nur bis zur Höhe der Vergütung eines Verkehrsanwalts i.S.v. § 121 Abs. 4 Alt. 2 ZPO am Wohnort des Antragstellers/Klägers erstattungsfähig sind.
II. Eine Gerichtsgebühr für das Beschwerdeverfahren ist nicht zu erheben. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
III. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
I. Der in L. wohnhafte Kläger hat Prozesskostenhilfe (PKH) unter Beiordnung der Rechtsanwälte W. und Koll. in H. (S.) beantragt für eine Klage vor dem LG Karlsruhe gegen die Beklagte mit Sitz oder Niederlassung in Karlsruhe.
Durch den angefochtenen Beschluss hat das LG Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und die Prozessbevollmächtigten des Klägers zu den Bedingungen eines am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Rechtsanwalts beigeordnet.
Gegen diese eingeschränkte Beiordnung in dem ihnen am 23.2.2005 zugegangenen Beschluss richtet sich die am 21.3.2005 beim LG eingelegte sofortige Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers, mit der sie eine uneingeschränkte Beiordnung erstreben. Sie berufen sich darauf, dass die Beiordnung eines Anwalts zu den Bedingungen eines ortsansässigen Anwalts ohne Einverständnis der Prozessbevollmächtigten unzulässig sei. Eine Einwilligung der Beschwerdeführer zu der eingeschränkten Beiordnung sei nicht eingeholt worden, weshalb diese Beschränkung unzulässig und die Beschwerdeführer beschwert seien.
Die Beschwerdeführer machen ferner geltend, nach § 121 Abs. 3 ZPO dürfe zwar ein beim Prozessgericht zugelassener Anwalt nur dann beigeordnet werden, wenn dadurch keine höheren Kosten entstünden. Dies sei hier aber nicht der Fall. Die Beiordnung eines auswärtigen Rechtsanwalts sei nicht etwa stets wegen entstehender Reisekosten abzulehnen. Vielmehr müssten die zu erwartenden ...