Leitsatz (amtlich)
Hat das Bundespatentgericht durch einen qualifizierten Hinweis nach § 83 PatG zu erkennen gegeben, dass es das Klageschutzrecht bei vorläufiger Würdigung in seinem der Verurteilung zugrundeliegenden Umfang nicht als rechtsbeständig ansieht, gebietet dies im Berufungsverfahren im Rechtsstreit wegen Patentverletzung in der Regel die Einstellung der Zwangsvollstreckung gegen Sicherheitsleistung nach §§ 719 Abs. 1, 707 Abs. 1 Satz 1 ZPO.
Tenor
Die Zwangsvollstreckung aus Ziffern 2 bis 4 (Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung) des Urteils des Landgerichts Mannheim vom 20. September 2016 - 2 O 114/15 - wird gegen Sicherheitsleistung einstweilen eingestellt.
Die Sicherheit wird für die Ansprüche auf Rückruf und Vernichtung (Tenor Ziffern 4.1, 4.2) auf jeweils 8.000 EUR, für die Ansprüche auf Auskunft und Rechnungslegung (Tenor Ziffern 2, 3) auf jeweils 20.000 EUR und wegen der Kosten auf 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags festgesetzt.
Der weitergehende Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird zurückgewiesen.
Gründe
I. Die Beklagten sind durch Urteil des Landgerichts Mannheim vom 20. September 2016 (2 O 114/15) wegen (mittelbarer) Verletzung des Verfahrensanspruchs 1 sowie wegen Verletzung des Vorrichtungsanspruchs 12 des Klagepatents EP 1 697 061 zu Unterlassung, Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf aus den Vertriebswegen und Vernichtung verurteilt. Dagegen wenden sie sich mit ihrer Berufung, über die noch nicht entschieden ist. In dem das Klagepatent betreffenden Nichtigkeitsverfahren hat das Bundespatentgericht am 29. März 2017 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 19. Juli 2017 bestimmt und mitgeteilt, dass es vorläufig zu der Auffassung neigt, dass die Ansprüche 1 und 12 des Klagepatents in Zusammenschau der Entgegenhaltungen D3 und D4 nicht auf erfinderischer Tätigkeit beruhen (Anlagen B 12, B 13).
Die Beklagte beantragt daraufhin,
die Zwangsvollstreckung der Klägerin aus dem Urteil des Landgerichts Mannheim vom 20. Oktober 2016, Aktenzeichen 2 O 114/15, erforderlichenfalls gegen Sicherheitsleistung, die in das Ermessen des Senats gestellt wird, einstweilen einzustellen.
Die Klägerin tritt dem Antrag entgegen.
II. Der Einstellungsantrag ist nur teilweise zulässig. Im zulässigen Umfang hat er in der Sache überwiegend Erfolg.
1. Der Zulässigkeit des erneuten Einstellungsantrags steht allerdings nicht entgegen, dass die Beklagte im laufenden Berufungsverfahren schon früher mit Schriftsatz vom 15. November 2016 erfolglos (Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2016) die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung beantragt hat. Die einstweilige Vollstreckungsregelung nach §§ 707, 719 ZPO unterliegt wegen ihres vorläufigen Charakters der jederzeitigen Möglichkeit der Überprüfung und Abänderung durch das Gericht (MüKo.ZPO/Götz, 5. Aufl., § 707 Rn. 22; Zöller/Herget, ZPO, 31. Aufl., § 719 Rn. 10). Mit dem Hinweis des Bundespatentgerichts vom 29. März 2017 liegen veränderte Umstände vor, die eine erneute Beurteilung rechtfertigen.
2. Das Rechtsschutzbedürfnis für den Einstellungsantrag besteht aber nur insoweit, als die Klägerin die vom Landgericht festgesetzte Sicherheit durch Bürgschaft geleistet hat und die Zwangsvollstreckung betreibt oder jederzeit betreiben könnte. Dies trifft hier - wie bereits im Senatsbeschluss vom 22. Dezember 2016 dargelegt - allein auf die Ansprüche auf Auskunft, Rechnungslegung, Rückruf und Vernichtung zu, nicht aber für den Unterlassungsanspruch. Dass die Klägerin inzwischen auch die Voraussetzungen für eine Vollstreckung der Verurteilung zur Unterlassung (Tenor Ziffern 1.1 und 1.2) geschaffen hätte, ist weder vorgetragen noch ersichtlich. Insoweit fehlt es damit an einem Bedürfnis für die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung. Zwar wird mit der Vollstreckung der Ansprüche auf Vernichtung und Rückruf aus den Vertriebswegen der Unterlassungsanspruch faktisch in wesentlichem Umfang mit durchgesetzt. Die Verpflichtung, im eigenen Besitz befindliche Gegenstände zu vernichten und gleichwohl in Verkehr gebrachte Geräte umgehend wieder zurückzurufen, nimmt dem Schuldner regelmäßig die Möglichkeit, die angegriffenen Erzeugnisse weiterhin in Verkehr zu bringen (vgl. Kühnen, Handbuch der Patentverletzung, 9. Aufl., Kap H Rn. 14). Deshalb dürfte es in der Regel sachgerecht sein, für die Ansprüche auf Unterlassung, Rückruf, Entfernung aus den Vertriebswegen und Vernichtung als Sicherheit einen einzigen Betrag festzusetzen. Hat aber das Landgericht - wie hier - gesonderte Vollstreckungssicherheiten festgesetzt und hat der Gläubiger die für die Vollstreckung des Unterlassungsanspruchs (§ 890 ZPO) festgesetzte Sicherheit nicht geleistet, droht dem Schuldner insoweit auch keine Vollstreckung. Seinen berechtigten Interessen ist in diesem Fall schon durch die einstweilige Einstellung der Vollstreckung aus dem Rückrufs- und Vernichtungsanspruch Genüge getan.
2. Der Einstellungsantrag ist im zulässigen Umfang (überwiegend) begründ...