Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Aktenzeichen 4 O 125/22) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landgerichts Baden-Baden vom 13.07.2022 - 4 O 125/22 - wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Antragstellerin auferlegt.
3. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 786.587,18 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Verfügung, die Antragsgegnerin zu verpflichten, an die Antragstellerin Mehrvergütungen für erbrachte Werkleistungen in Gesamthöhe von 786.587,18 EUR zu zahlen.
Die Antragsgegnerin beauftragte die Antragstellerin als Nachunternehmerin unter anderem mit der Erbringung von Erd- und Rohbauarbeiten das Neubauvorhaben "B. F." in K.-B. betreffend. Das Bauvorhaben wurde in drei Bauabschnitte eingeteilt. Soweit hier von Interesse, schlossen die Bauvertragsparteien unter anderem den Nachunternehmervertrag Nr. 8584/130/005 über Erd- und Rohbauarbeiten zur Errichtung von 18 Reihenhäusern im ersten Bauabschnitt 8584 mit vier unterschiedlichen Haustypen zum Pauschalpreis von 1.079.100 EUR netto (Anl. 3, Seite 5). Der weitere Bauauftrag über Erd- und Rohbauarbeiten für den zweiten Bauabschnitt Nr. 8585/130/003 betrifft 16 Reihenhäuser verschiedener Typen zum Pauschalpreis von 940.500 EUR netto (Anl. 3, Seite 9). Die Geltung der VOB/B wurde jeweils vereinbart.
Nach Fertigstellung der Bauarbeiten und deren Abnahme erteilte die Antragstellerin der Antragsgegnerin jeweils Schlussrechnung vom 18.02.2021 (nicht vorgelegt). Die Antragsgegnerin kürzte im Rahmen der Rechnungsprüfungen die Schlussrechnungen und wies mit (nicht vorgelegtem) Schreiben vom 25.02.2021 auf die Wirkung einer vorbehaltlos angenommenen Schlusszahlung hin. Hierauf reagierte die Antragstellerin mit (nicht vorgelegtem) Schreiben vom 08.03.2021 und erklärte den Vorbehalt gegen den Schlussrechnungseinwand. Mit Schreiben vom 20.04.2021 (Anl. 8 und 9) begründete die Antragstellerin ihre Einwände gegen die vorgenommenen Rechnungskürzungen. Darüber hinaus machte sie mit diesen Schreiben jeweils weitere Nachträge "für zusätzliche oder geänderte Leistungen" geltend. Für den ersten Bauabschnitt (8584) bezifferte sie ihre vermeintliche Mehrvergütungsforderung mit insgesamt weiteren 283.850,36 EUR und für den zweiten Bauabschnitt (8585) mit insgesamt weiteren 502.136,82 EUR. Sie setzte der Antragsgegnerin jeweils Zahlungsfristen auf den 04.05.2021 zur Begleichung der sich nunmehr aus den Schlussrechnungen ergebenden Restwerklohnforderungen von 673.531,42 EUR (erster Bauabschnitt) und 840.193,84 EUR (zweite Bauabschnitt).
Die Antragsgegnerin hat auf die vorgenannten Schreiben vom 20.04.2021, die per Einschreiben mit Rückschein versandt wurden, nicht reagiert.
Mit ihrem am 07.07.2022 beim Landgericht Köln eingereichten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung begehrt die Antragstellerin die Zahlung der in den oben genannten Schreiben vom 20.04.2021 gegenüber der Antragsgegnerin geltend gemachten Mehrvergütungsforderungen von 283.850,36 EUR und 502.736,82 EUR.
Das Landgericht Köln hat sich mit Beschluss vom 08.07.2022 für örtlich unzuständig erklärt und den Antrag an das Landgericht Baden-Baden verwiesen.
Das Landgericht hat den Antrag ohne mündliche Verhandlung mit Beschluss vom 13.07.2022 zurückgewiesen. Es fehle an dem erforderlichen Verfügungsgrund. Insoweit könne sich die Antragstellerin nicht auf die Vermutung des § 650d BGB berufen. Denn die Antragstellerin habe nicht schlüssig dargelegt, dass sich die Vertragsparteien über das Anordnungsrecht gemäß § 650b BGB oder die Vergütungsanpassung nach § 650c BGB streiten würden.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Antragstellerin, mit der sie ihren Eilantrag weiterverfolgt und der das Landgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet und daher zurückzuweisen.
Der im Beschwerdeverfahren weiterverfolgte Antrag, die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Verfügung zu verpflichten, an die Antragstellerin einen Betrag von 786.587,18 EUR zu zahlen, ist unbegründet. Der Erlass einer solchen Leistungsverfügung (Befriedigungsverfügung) setzt einen Verfügungsanspruch und einen Verfügungsgrund voraus. Beide Voraussetzungen sind im vorliegenden Verfahren nicht gegeben.
1. Verfügungsgrund
a) Das Landgericht ist im Ergebnis der zutreffenden Auffassung, dass im vorliegenden Fall der nach Maßgabe der §§ 935, 940 ZPO grundsätzlich erforderliche Verfügungsgrund nicht nach § 650d BGB vermutet wird. Abgesehen davon, dass Streitigkeiten über reine Mengenänderungen, auf die der Antrag teilweise gestützt wird, nicht unter §§ 650b und 650c
BGB und damit auch nicht unter § 650d BGB fallen (vergleiche Sacher in Kniffka/Koeble/Jurgeleit/Sacher, Kompendium des Baurechts, 5. Aufl., 12. Teil Rn. 105-107), kommt die Anwendung dieser Bestimmung im vorliegenden Fall nicht in Betracht. Denn nach Sinn und Zweck des § 650d BGB ist nach Fertigstellung der Bauleistungen dessen Anwendung...