Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Zulässigkeit einer Untätigkeitsbeschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Untätigkeitsbeschwerde in einer Umgangssache ist nicht erst dann zulässig, wenn ein sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Verfahrensstillstand gegeben ist, der auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft, oder wenn ein Untätigbleiben des Gerichts auf einem willkürlichen Verhalten beruht und damit den Tatbestand einer Rechtsverweigerung erfüllt, sondern bereits dann, wenn eine Verzögerung behauptet wird, die zu einem nennenswerten Rechtsverlust führt.

2. Droht ein nennenswerter Rechtsverlust, hat das Beschwerdegericht auf die Untätigkeitsbeschwerde hin dem erstinstanzlichen Gericht eine äußerste Beschleunigung des Verfahrens zu empfehlen. Was in dem konkreten Verfahren unter äußerster Beschleunigung zu verstehen ist, kann es zeitlich für die zukünftige Verfahrensweise definieren.

 

Normenkette

ZPO § 567

 

Verfahrensgang

AG Mannheim (Aktenzeichen 7B F 99/00)

 

Tenor

Auf die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters wird das AG angewiesen, das Verfahren mit äußerster Beschleunigung weiterzuführen.

 

Gründe

I. Das Umgangsrecht des Vaters ist in einer einstweiligen Anordnung im Rahmen des Ehescheidungsrechtsstreits zwischen den Eltern vom 11.11.1997 folgendermaßen geregelt:

Dem Kindesvater steht das Recht zu, mit dem ehegemeinschaftlichen Kind … geb. 1993, unter Betreuung des Deutschen Kinderschutzbundes, Ortsverband Mannheim, N 3, 7, Mannheim, in dessen Räumen persönlichen Umgang zu haben, wobei Dauer und Rhythmus des Umgangsrechts vom Kinderschutzbund – in Absprache mit den Kindeseltern – festgelegt werden.

Umgang des Vaters mit dem Kind hat seitdem so gut wie nicht stattgefunden.

Ein auf Antrag des Vaters eingeleitetes Vermittlungsverfahren – AG Mannheim 7B F 111/98 – scheiterte am 21.12.1998. Nach Aufhebung einer Entscheidung des AG vom 11.5.1999 über die Kosten des Vermittlungsverfahrens durch den Senat mit Beschluss vom 22.10.1999 – 16 WF 67/99 – leitete das AG am 26.6.2000 ein Verfahren auf Neuregelung des Umgangsrechts des Vaters ein. In diesem Verfahren ist eine Sachentscheidung noch nicht ergangen. Nachdem das AG den Parteien am 19.2.2002 seine Absicht mitgeteilt hat, ein Sachverständigengutachten zu erheben, hat es dieses Gutachten am 17.3.2003 angeordnet und den Dipl.-Psych. B., Weinheim, mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Auf ein Verhalten des Vaters selbst gehen nennenswerte Verzögerungen des Verfahrens nicht zurück. Er hat zwar am 4.7.2000 gegen den Beschluss, das Verfahren auf Neuregelung des Umgangsrechts einzuleiten, Beschwerde eingelegt. Die Mutter tat das gleiche. Beide Beschwerden wurden mit den Senatsbeschlüssen vom 2.10.2000 – 16 WF 141/00 und 16 WF 148/00 – verworfen.

Das AG hat am 23.6.2001 eine Verfahrenspflegerin bestellt, am 22.11.2002 das Kind angehört, am selben Tag ergänzenden Bericht der Verfahrenspflegerin und des Jugendamtes eingefordert, welche am 10. bzw. 16.12.2002 eingingen. Als nächste Entscheidung steht diejenige über den Antrag der Mutter vom 13.5.2003 an, welche den Sachverständigen, Dipl.-Psych. Bauer, wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt hat.

II. Die Untätigkeitsbeschwerde des Vaters ist zulässig und begründet.

1. In Streitigkeiten über den Umgang eines Elternteiles mit seinem Kind kommt dem Anspruch dieses Elternteils auf Gewährung effektiven Rechtsschutzes besondere Bedeutung zu. Denn jede Verfahrensverzögerung führt zu einem Rechtsverlust dieses Elternteils – er kann sein Umgangsrecht, so es, was aber erst mit der Endentscheidung feststeht, nicht auszuschließen ist, nicht ausüben. Zeitverlust führt zu (weiterer) Entfremdung, welche ihrerseits die Gefahr vergrößert, dass das Umgangsrecht gem. § 1684 Abs. 4 S. 1 BGB beschränkt oder gar ausgeschlossen wird. Eine Untätigkeitsbeschwerde in einer Umgangssache ist deshalb nicht erst dann zulässig, wenn ein sachlich nicht mehr zu rechtfertigender Verfahrensstillstand gegeben ist, der auf eine Rechtsverweigerung hinausläuft (vgl. etwa OLG Saarbrücken v. 16.2.1999 – 6 WF 4/99, OLGReport Saarbrücken 1999, 179) oder wenn ein Untätigbleiben des Gerichts auf einem willkürlichen Verhalten beruht und den Tatbestand einer Rechtsverweigerung erfüllt (vgl. BGH v. 21.11.1994 – AnwZ (B) 41/94, NJW-RR 1995, 887; OLG Karlsruhe, Beschl. v. 24.7.2001 – 16 WF 78/01), sondern bereits dann, wenn eine Verzögerung behauptet wird, die zu einem nennenswerten Rechtsverlust führt (vgl. BVerfG v. 11.12.2000 – 1 BvR 661/00, FamRZ 2001, 753). Dies ist hier der Fall.

2. Droht, wie hier, auch tatsächlich ein nennenswerter Rechtsverlust, hat das mit der Untätigkeitsbeschwerde angegangene Beschwerdegericht die Maßregeln zu treffen, welche einen effektiven Rechtsschutz des Beschwerdeführers jedenfalls in der Zukunft gewährleisten. Am effektivsten wäre es, wenn das Beschwerdegericht das Verfahren selbst an sich zöge. Dies ist jedoch aus guten Gründen nicht möglich. Auch die Möglichkeit, dem Gericht der ersten Instanz einen Verfahrensablauf vorzuschreiben, wie ihn da...

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