Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine Anfechtbarkeit der Entscheidung nach § 769 ZPO
Leitsatz (amtlich)
Eine Entscheidung nach § 769 ZPO kann nicht mit der sofortigen Beschwerde angefochten werden. Auch eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" führt nicht zur Zulässigkeit eines Rechtsmittels.
Verfahrensgang
LG Baden-Baden (Beschluss vom 20.05.2003; Aktenzeichen 2 O 187/03) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG Baden-Baden vom 20.5.2003 wird als unzulässig verworfen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.000 Euro festgesetzt.
Gründe
I. In einem Vorprozess wurde die Klägerin rechtskräftig zur Zahlung von 5.061,79 Euro nebst Zinsen an den Beklagten verurteilt. Gegen diese Verurteilung wendet sich die Klägerin im vorliegenden Rechtsstreit mit der Vollstreckungsgegenklage.
Mit Beschluss vom 20.5.2003 hat das LG Baden-Baden den Antrag der Klägerin auf vorläufige Einstellung der Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des Vorprozesses zurückgewiesen. Gegen diesen Beschluss hat die Klägerin sofortige Beschwerde eingelegt mit der Begründung, das LG habe bei seiner ablehnenden Entscheidung in unzulässiger Weise eine "mittelbar vorgreifliche sachliche Beurteilung der Hauptsache" vorgenommen. Außerdem lägen in der Person des Einzelrichters des LG Gründe vor, die eine Ablehnung wegen Besorgnis der Befangenheit rechtfertigen würden. Mit Beschluss vom 27.6.2003 hat das LG Baden-Baden der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem OLG Karlsruhe zur Entscheidung vorgelegt.
Der Beklagte tritt der sofortigen Beschwerde entgegen.
Mit Schriftsatz vom 22.8.2003 hat die Klägerin die Hauptsache im Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung für erledigt erklärt, da die Urteilssumme aus dem Vorprozess von der Klägerin inzwischen vollständig bezahlt worden sei.
II. Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des LG, mit dem dieses eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung abgelehnt hat, ist unzulässig.
1. Der Umstand, dass die einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung - nach Bezahlung der Urteilssumme aus dem Vorprozess - für die Klägerin keine Bedeutung mehr hat, spielt für das Beschwerdeverfahren keine Rolle. Da das Rechtsmittel der Klägerin unzulässig ist, kommt eine Erledigung der Hauptsache im Beschwerdeverfahren nicht in Betracht (vgl. BGHZ 50, 197).
2. Die sofortige Beschwerde ist unzulässig, da nach dem Gesetz eine Anfechtung des Beschlusses, mit dem über einen Antrag auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung entschieden wird, nicht vorgesehen ist. § 707 Abs. 2 S. 2 ZPO ist im Rahmen von § 769 ZPO nach allgemeiner Meinung analog anwendbar (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 769 Rz. 13).
3. Das Rechtsmittel der Klägerin ist auch nicht etwa zulässig als außerordentlicher Rechtsbehelf wegen greifbarer Gesetzwidrigkeit. Eine Entscheidung gem. § 769 ZPO kann auch bei einer besonders schwerwiegenden Rechtsverletzung nicht mit einer sofortigen Beschwerde angefochten werden. Eine Überprüfung der Entscheidung des LG Baden-Baden ist dem Senat mithin gänzlich verwehrt.
a) Eine verbreitete Auffassung in der Rechtsprechung hat in der Vergangenheit eine sofortige Beschwerde bei Entscheidungen nach § 769 ZPO als außerordentlichen Rechtsbehelf zugelassen, wenn vorinstanzlich die Grenzen des Ermessensspielraums verkannt oder eine sonst greifbar gesetzwidrige Entscheidung getroffen worden sei (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl. 2002, § 769 Rz. 13 mit umfangreichen Rechtsprechungsnachweisen). Die Abgrenzung, in welchen Fällen eine "greifbare Gesetzwidrigkeit" gegeben sei, hat sich in der Praxis als schwierig erwiesen. Die Zulassung der sofortigen Beschwerde unter bestimmten Voraussetzungen im Rahmen von § 769 ZPO hat daher teilweise auch Kritik erfahren (vgl. die Nachweise bei Zöller/Herget, ZPO, 23. Aufl., § 769 Rz. 13). Der Senat kann sich dieser Rechtsprechung zur Zulässigkeit der sofortigen Beschwerde bei Entscheidungen über eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nicht anschließen.
b) Nach In-Kraft-Treten der ZPO-Reform zum 1.1.2002 wird teilweise die Auffassung vertreten, die Änderung der ZPO-Vorschriften lasse eine sofortige Beschwerde als außerordentlichen Rechtsbehelf im Rahmen von § 769 ZPO nicht mehr zu (vgl. OLG Frankfurt v. 29.8.2002 - 26 W 102/02, OLGReport Frankfurt 2004, 102 = NJW-RR 2003, 140; ähnlich für den Bereich von Prozesskostenhilfeentscheidungen OLG Celle v. 24.9.2002 - 2 W 57/02, OLGReport Celle 2002, 304 = NJW 2002, 3715). Diese Entscheidungen entsprechen der neueren Rechtsprechung des BGH zur Frage eines außerordentlichen Rechtsmittels zum BGH (vgl. BGH v. 7.3.2002 - IX ZB 11/02, BGHReport 2002, 431 = MDR 2002, 901 = NJW 2002, 1577). Ob die Änderung der Vorschriften der ZPO für sich allein bereits gegen die Zulassung eines außerordentlichen Rechtsmittels im Rahmen von § 769 ZPO spricht, kann nach Auffassung des Senats dahinstehen, da sich dasselbe Ergebnis ...