Leitsatz (amtlich)
1. Das Lizenzvertragsangebot desjenigen, der sich mit Erfolg auf den kartellrechtlichen Zwangslizenzeinwand berufen will, muss so gefasst sein, dass ihm im Falle der Annahme des Angebots durch den Patentinhaber solche Einwendungen abgeschnitten sind, mit denen die Pflicht zur Unterlassung oder zum Schadensersatz bestritten wird.
2. Dagegen ist der Lizenzsucher nicht gehalten, sich bereits mit dem Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags solcher Einwendungen zu begeben, die sich auf die Höhe einer angemessenen Lizenzgebühr beziehen.
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Mannheim vom 9.12.2011 - 7 O 122/11 - wird hinsichtlich Ziff. I 1a des Tenors (Unterlassung) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 90 Millionen Euro einstweilen eingestellt. Soweit die Beklagte zukünftig weitere Beträge beim AG Mannheim zugunsten der Klägerin hinterlegt, kann sie in gleicher Höhe Freigabe der Sicherheit von der Klägerin verlangen.
2. Die Zwangsvollstreckung aus dem Urteil des LG Mannheim vom 9.12.2011 - 7 O 122/11 - wird hinsichtlich der Ziff. I 2 des Tenors (Rechnungslegung) gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000Euro einstweilen eingestellt.
Gründe
I. Das LG Mannheim hat mit Urteil vom 9.12.2011 die Beklagte auf Antrag der Klägerin wegen Patentverletzung u.a. zur Unterlassung und zur Rechnungslegung verurteilt. Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 14.12.2011, der am 15.12.2011 beim OLG eingegangen ist, Berufung eingelegt und diese sogleich begründet. Mit einem weiteren Schriftsatz vom gleichen Tag hat sie zudem beantragt, die Zwangsvollstreckung aus dem angefochtenen Urteil gegen Sicherheitsleistung einstweilen einzustellen.
Die Klägerin ist seit dem 26.5.2011 eingetragene Inhaberin des europäischen Patents EP 1 010 336 (Klagepatent). Gegen den deutschen Teil des Klagepatent hat [ein mit der Beklagten verbundenes Unternehmen] am 26.2.2011 Nichtigkeitsklage erhoben.
Die Beklagte bietet als europäische Vertriebsgesellschaft der X Mobiltelefone und andere mobile Geräte an, die nach dem GPRS-Standard arbeiten (GPRS = General Packet Radio Service), u.a. Geräte unter den Bezeichnungen xxx, yyy ... Hieraus leitete die Klägerin den Vorwurf der Patentverletzung ab. Geräte, die den Standard erfüllen, machen nach ihrer Darstellung von der Lehre des Klagepatents Gebrauch.
Die Beklagte hat der Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 4.10.2011 ein Lizenzvertragsangebot unterbreitet. Zudem hat die Beklagte über den durch die X in der Bundesrepublik Deutschland im Zeitraum vom 1.1.2008 - 30.9.2011 mit den angegriffenen Ausführungsformen erzielten Umsatz Rechnung gelegt, hieraus die sich nach dem Lizenzvertragsangebot ergebenden Lizenzgebühren berechnet und einen entsprechenden Betrag beim AG Mannheim - Hinterlegungsstelle - unter Verzicht auf die Rücknahme hinterlegt.
Die Beklagte hat sich im ersten Rechtszug u.a. mit dem Einwand verteidigt, die Klägerin sei an der Durchsetzung des Unterlassungsanspruchs gehindert, weil die Beklagte aus kartellrechtlichen Gründen Anspruch auf Gewährung einer Lizenz habe. Das von ihr unterbreitete Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags könne die Klägerin nicht ablehnen, ohne sich kartellrechtswidrig zu verhalten.
Das LG hat der Klage ganz überwiegend stattgegeben und die Auffassung vertreten, der von der Beklagten erhobene kartellrechtliche Zwangslizenzeinwand sei nicht begründet. Wenn der Verletzer - wie hier die Beklagte - bereits in der Vergangenheit Benutzungshandlungen vorgenommen habe, ohne eine Lizenz zu haben oder ein Lizenzvertragsangebot unterbreitet zu haben, das der Schutzrechtsinhaber nicht ohne Missachtung seiner kartellrechtlichen Pflichten ablehnen dürfe, sei dieser zur Annahme eines später unterbreiteten Lizenzvertragsangebots nur verpflichtet, wenn der Lizenzsucher dem Grunde nach anerkenne, dass er für die Vergangenheit Schadensersatz schulde. An einer solchen Anerkennung der Schadensersatzpflicht seitens der Beklagten fehle es. Die Klägerin sei zur Annahme des Lizenzvertragsangebots gemäß Anlage B 7 ferner deshalb nicht verpflichtet, weil die Beklagte sich für den Fall, dass die Klägerin einen Schadensersatz geltend mache, der den von der Beklagten als angemessen angesehenen Betrag übersteige, einen Angriff auf den Rechtsbestand des Klagepatents vorbehalte. Auch wenn die Vereinbarung eines Nichtangriffs auf das lizenzierte Schutzrechte kartellrechtlich regelmäßig unwirksam sei, könne der Lizenzgeber doch jedenfalls eine Regelung verlangen, wonach er berechtigt sei, den Lizenzvertrag aus wichtigem Grund zu kündigen, wenn der Lizenznehmer einen Nichtigkeitsangriff gegen das lizenzierte Schutzrecht führe.
Die Beklagte hält diese Beurteilung des LG für unzutreffend. Sie meint, die Klägerin hätte das von der Beklagten am 4.10.2011 unterbreitete Angebot zum Abschluss eines Lizenzvertrags annehmen müssen. Sie verweist ferner auf das von ihr am 10.11.2011 unterbreitete, nochmals modifizierte Angebot...