Leitsatz (amtlich)
1. Im Fall der gesetzlichen Erbfolge eines türkischen Staatsangehörigen, der seinen letzten Wohnsitz in Deutschland hatte und nach türkischem Recht verheiratet war, kommt es nicht zu einer Erhöhung des gesetzlichen Erbteils des überlebenden Ehegatten nach § 1371 Abs. 1 BGB.
2. Aus Art. 20 des Deutsch-Türkischen Nachlassabkommens ergibt sich keine Anwendbarkeit von § 1371 Abs. 1 BGB, wenn die Eheleute im Güterstand der Errungschaftsbeteiligung nach türkischem Recht lebten.
3. Das über Art. 15 Abs. 1, 14 Abs. 1 Nr. 1 EGBGB anwendbare türkische internationale Privatrecht (Art. 15 Abs. 2 TIPRG) enthält keine Rückverweisung auf § 1371 Abs. 1 BGB.
Verfahrensgang
AG Villingen-Schwenningen (Beschluss vom 04.07.2016; Aktenzeichen II NG 294/2015) |
Tenor
Die Beschwerde der Beteiligten gegen den Beschluss des Amtsgerichts Villingen-Schwenningen vom 04.07.2016, Az. II NG 294/2015, wird zurückgewiesen.
Die Beteiligte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 500 EUR festgesetzt.
Gründe
I. Der Erblasser ist zwischen dem 27. und 31.10.2015 in Deutschland verstorben und hat kein Testament errichtet. Er war in der Türkei geborener türkischer Staatsangehöriger und hatte seinen letzten gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland. Er war mit der Beteiligten, ebenfalls türkische Staatsangehörige mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland, verheiratet. Die Ehe war am 15.07.2003 in der Türkei geschlossen worden. Die Eheleute hatten keine güterrechtlichen Regelungen getroffen. Aus der Ehe sind zwei Kinder hervorgegangen. Die Eheleute lebten getrennt, Scheidungsantrag war von keiner Seite gestellt.
Seit 02.03.2010 waren der Erblasser und die Beteiligte als Miteigentümer einer Immobilie in Deutschland im Grundbuch zu jeweils 1/2 eingetragen.
Die Beteiligte hat einen Erbschein beantragt, wonach für den in Deutschland belegenen Grundbesitz sie selbst Erbin zu 1/2 und die Kinder Erben zu je 1/4 und für den restlichen Nachlass sie selbst Erbin zu 1/4 und die Kinder Erben zu je 3/8 geworden sind.
Das Nachlassgericht hat den Antrag zurückgewiesen. Die Erbquote der Beteiligten für das in Deutschland belegene Grundvermögen betrage nicht 1/2, sondern nur 1/4. Die Regelung des § 1371 Abs. 1 BGB sei nicht anwendbar, so dass es nicht zu einer Erhöhung des der Beteiligten nach § 1931 Abs. 1 BGB zustehenden gesetzlichen Erbteils von 1/4 komme.
Gegen diese Entscheidung hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt.
Der Senat hat durch Beschluss vom 17.11.2016 (AS 235 ff.) zur Frage der Anwendbarkeit von Art. 15 Abs. 2 des IPR-Gesetzes der Türkei Nr. 5718 vom 27.11.2007 (im Folgenden: TIPRG) und dazu, ob sich aus der Regelung nach türkischem Rechtsverständnis eine Rückverweisung auf § 1371 Abs. 1 BGB ergibt, ein Rechtsgutachten eingeholt.
II. Die zulässige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Das Nachlassgericht hat den Erbscheinsantrag der Beteiligten zu Recht zurückgewiesen.
1. Welches Erbrecht vorliegend anzuwenden ist, ist in Ziffer 14 der Anlage zu Art. 20 des Konsularvertrags zwischen dem Deutschen Reich und der Türkischen Republik vom 28.05.1929 (RGBl 1930 II S. 748, im Folgenden: deutsch-türkisches Nachlassabkommen) geregelt. Dort heißt es:
"Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des beweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, dem der Erblasser zur Zeit seines Todes angehörte.
Die erbrechtlichen Verhältnisse in Ansehung des unbeweglichen Nachlasses bestimmen sich nach den Gesetzen des Landes, in dem dieser Nachlass liegt, und zwar in der gleichen Weise, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Angehöriger dieses Landes gewesen wäre."
Hieraus folgt, dass vorliegend für den beweglichen Nachlass türkisches Erbrecht gilt, weil der Erblasser im Zeitpunkt seines Todes türkischer Staatsangehöriger war, und für den unbeweglichen Nachlass in Deutschland deutsches Erbrecht gilt.
Nach den Regelungen des deutschen Erbrechts erbt der überlebende Ehegatte 1/4 neben Erben der ersten Ordnung, die hier mit den Kindern vorhanden sind (§ 1931 Abs. 1 S. 1 BGB). Der restliche Nachlass von 3/4 geht je zur Hälfte an diese (§§ 1924, 1927 BGB). Einen solchen Antrag hat die Beteiligte nicht gestellt, auch nicht hilfsweise.
2. Eine Erhöhung des gesetzlichen Erbteils der Beteiligten um 1/4 kommt nicht in Betracht. § 1371 Abs. 1 BGB, wonach dann, wenn der gesetzliche Güterstand der Zugewinngemeinschaft durch den Tod eines Ehegatten beendet wird, der Ausgleich des Zugewinns dadurch verwirklicht wird, dass sich der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten um 1/4 der Erbschaft erhöht, findet vorliegend keine Anwendung.
a. Eine Anwendbarkeit der Vorschrift folgt nicht daraus, dass nach dem deutsch-türkischen Nachlassabkommen für die Rechtsnachfolge in den Miteigentumsanteil des Erblassers an der in Deutschland belegenen Immobilie deutsches Erbrecht in der gleichen Weise gilt, wie wenn der Erblasser zur Zeit seines Todes Deutscher gewesen wäre. § 1371 Abs. 1 BGB setzt nämlich voraus, dass d...