Leitsatz (amtlich)

1. Die Wiedereinsetzungsfrist nach versäumter Berufungsschrift beginnt für die der Prozesskostenhilfe bedürftige Partei mit der Mitteilung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe und der Beiordnung eines Rechtsanwalts.

2. Der Antrag auf Abschluss eines Anwaltsvertrages für den Berufungsrechtszug kann von dem Rechtsanwalt auch dadurch angenommen werden, dass er ggü. dem Berufungsgericht tätig wird, und sei es unter Bezeichnung des Rechtsstreites durch Anzeige der Verlegung seines Kanzleisitzes.

 

Verfahrensgang

LG Mannheim (Beschluss vom 10.03.2004; Aktenzeichen 8 O 424/03)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Mannheim vom 10.3.2004 (8 O 424/03) aufgehoben.

Der Antragstellerin wird Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin H., S., beigeordnet. Die Antragstellerin hat keine Raten oder sonstige Beträge auf die Prozesskosten an die Landeskasse zu zahlen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin macht mit der beabsichtigten Klage gegen die Beklagte Schadensersatz wegen Anwaltshaftung geltend.

Durch Urteil des AG - FamG - L. (6 F .../01) vom 12.4.2002 wurde die Antragstellerin zur Zahlung von Kindesunterhalt an ihre beiden Töchter S., geboren am ...1988, und Sa., geboren ...1992, verurteilt und zwar zu jeweils 100 % des Regelbetrags ohne Anrechnung von Kindergeld. Das Urteil wurde dem damaligen Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin, Rechtsanwalt D. F., am 15.5.2004 zugestellt. Am 17.6.2004 ging der Antrag des Prozessbevollmächtigten, der über keine Zulassung an einem OLG verfügt, auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren beim OLG ein.

Mit Beschluss vom 19.8.2002 bewilligte das OLG Stuttgart (OLG Stuttgart, Beschl. v. 19.8.2002 - 16 UF 167/02) der Antragsstellerin für die Berufung gegen das Urteil des AG L. Prozesskostenhilfe, soweit sie für den Zeitraum Dezember 2001 bis April 2002 überhaupt und ab 1.5.2002 verurteilt worden war, mehr als 70 Euro monatlich an die Tochter S. und mehr als 60 Euro monatlich an die Tochter Sa. zu zahlen. Mit Verfügung vom 20.8.2002 forderte das OLG Stuttgart die Antragstellerin auf, sich zu erklären, welcher Rechtsanwalt ihr beigeordnet werden solle. Der Beschluss und die Verfügung wurden ihrem bisherigen Prozessbevollmächtigten, Rechtsanwalt D. F., übersandt, welcher beide Mitteilungen spätestens am 5.9.2002 erhielt, weil an diesem Tag die Antragsgegnerin dem damaligen Prozessbevollmächtigten bereits mitteilte, dass sie beim OLG Karlsruhe zugelassen sei und damit bei allen OLG auftreten könne, nachdem er mit ihr telefonisch wegen einer Vertretung der Antragstellerin vor dem OLG Stuttgart angefragt hatte. Mit am 8.10.2002 eingegangenen Schreiben teilte Rechtsanwalt D. F. mit, dass die Antragsgegnerin beigeordnet werden solle. Das geschah mit Beschluss vom gleichen Tag, welcher auch der Antragsgegnerin bekannt gegeben wurde. Am 15.10.2002 teilte die Antragsgegnerin dem OLG Stuttgart mit, dass sie ihren Kanzleisitz geändert habe und dass insoweit das Rubrum zu berichtigen sei. Danach wurden weder von der Antragstellerin, noch von Rechtsanwalt D. F. weitere Maßnahmen ergriffen.

Die Antragstellerin ist der Ansicht, die Berufung sei zumindest im Rahmen der bewilligten Prozesskostenhilfe erfolgreich gewesen, wenn die Antragsgegnerin einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt hätte.

Durch Beschluss vom 10.3.2004 hat das LG Mannheim den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen. Das LG ist der Auffassung, dass die Berufungsfrist zwar am 17.6.2002 endete, da der 15.6.2002 ein Samstag gewesen sei. Da aber keine Berufung eingelegt worden sei, sei ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand notwendig gewesen. Die Frist für einen solchen Antrag habe spätestens am 5.9.2002 zu laufen begonnen. Sie sei am 19.9.2002 abgelaufen. Aus dem Vortrag der Antragstellerin lasse sich nicht darauf schließen, dass die Antragsgegnerin zuvor mit der Prozessvertretung beauftragt worden sei und das Mandat übernommen habe. Es sei nicht ersichtlich, dass vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist ein Geschäftsbesorgungsvertrag zustande gekommen sei. Nach ihrer Beiordnung habe ein erfolgreicher Antrag nicht mehr gestellt werden können, so dass es an dem Eintritt eines kausalen Schadens fehle.

Der Beschluss wurde der Antragstellerin am 17.3.2004 zugestellt. Die sofortige Beschwerde ging ein am 13.4.2004. Mit Beschluss vom 11.5.2004 hat das LG der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Antragstellerin ist der Auffassung, dass bereits vor dem 19.9.2002 ein Anwaltsvertrag zwischen der Antragstellerin und der Antragsgegnerin zustande gekommen ist und dass sie dafür Beweis angetreten habe.

II. Die Beschwerde ist zulässig, insb. form- und fristgerecht eingelegt, und begründet.

Die Antragstellerin hat gegen die Antragsgegnerin einen vertraglichen Schadensersatzanspruch aus anwaltlichem Geschäftsbesorgungsvertrag (§ 675 BGB). Zu dem Zeitpunkt des pflichtwidrigen Verstreichenlassen der Wiedereinsetzungsfrist war der Vertrag bereits geschlossen. Das durc...

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