Entscheidungsstichwort (Thema)

Zur Fortwirkung der Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers bei der (gestreckten) Begründung von Sondernutzungsrechten in der Wohnungseigentümergemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Macht der teilende Eigentümer noch als Mitglied der Eigentümergemeinschaft von der in der Teilungserklärung vorgesehenen Befugnis zur Zuweisung eines Sondernutzungsrechts an Gemeinschaftsflächen zu einer Wohnungseigentumseinheit Gebrauch, hat das Grundbuchamt durch Auslegung der Teilungserklärung zu ermitteln, ob die Bewilligungsberechtigung des teilenden Eigentümers trotz zwischenzeitlichen Ausscheidens aus der Eigentümergemeinschaft fortwirkt, bis das Sondernutzungsrecht zu Gunsten des Erwerbers des Sondernutzungsrechts im Grundbuch eingetragen und verdinglicht ist.

2. Bei der Auslegung der Teilungserklärung ist insbesondere der jedem unbefangenen Betrachter erkennbare Sinn und Zweck der gestreckten Begründung des Sondernutzungsrechts in den Blick zu nehmen, wonach eine möglichst flexible, sowohl für den teilenden Eigentümer als auch die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft und deren Grundpfandrechtsgläubiger zeit- und kostensparende Zuweisung dieser Sondernutzungsrechte ermöglicht werden und die mit der Beschaffung der Bewilligung aller Wohnungseigentümer und ihrer Grundpfandrechtsgläubiger möglicherweise verbundenen praktischen (und rechtlichen) Probleme vermieden werden sollen.

3. Das Grundbuchamt darf die Eintragung des Sondernutzungsrechts nur nach Maßgabe des im Eintragungsverfahren beschränkt geltenden Legalitätsgrundsatzes von der Bewilligung der übrigen Wohnungseigentümer abhängig machen, wenn es greifbare Anhaltspunkte für die Annahme gibt, dass das zunächst nur schuldrechtlich begründete und nach den §§ 414, 2. Halbsatz, 398 Satz 1 BGB formlos übertragbare Sondernutzungsrecht tatsächlich unterdessen einem anderen Wohnungseigentümer übertragen worden ist.

 

Normenkette

BGB § 311b Abs. 1, § 398; FamFG § 69 Abs. 1; GBO §§ 13, 19, 29; WEG §§ 4, 10 Abs. 3

 

Verfahrensgang

AG Villingen-Schwenningen (Aktenzeichen VSW 016 GRG 720/2023)

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts - Grundbuchamt - Villingen-Schwenningen vom 02.03.2023 in Gestalt des Nichtabhilfebeschlusses vom 08.12.2023, Az.: VSW 016 GRG 720/2023, aufgehoben.

Das Grundbuchamt wird angewiesen, über die mit Schreiben des Notars Dr. Andreas Frey vom 01.02.2022 beantragte Eintragung der Sondernutzungsrechte im Grundbuch von Markdorf Blatt 7221 gemäß Kaufvertragsurkunde vom 13.09.2021 - UR 1963/2021 - unter Beachtung der Rechtsauffassung des Senats erneut zu entscheiden.

2. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben; außergerichtliche Kosten der Beteiligten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Die Beteiligte Ziffer 1 wendet sich gegen die Zurückweisung ihres Antrags auf Eintragung mehrerer Sondernutzungsrechte im Teileigentumsgrundbuch von Markdorf Blatt 7221.

Die Beteiligte Ziffer 1 ist ein Bauträgerunternehmen. Sie war ursprünglich Eigentümerin des in Abt. II und Abt. III lastenfreien Grundstücks Flurstück Nr. 973 BV Nr. 36, Xstraße ZZ, Gebäude- und Freifläche, Landwirtschaftsfläche im Grundbuch von Markdorf Blatt 853. Mit notarieller Teilungserklärung vom 04.02.2014 (AS 389 ff.) - UR 417/2014 -, geändert durch Nachtrag vom 07.11.2014 (AS 459 ff.) - UR 4308/2014 - und durch Nachtrag vom 16.12.2014 (AS 498 ff.) - UR 5003/2014 - teilte sie das Grundstück in Wohn- und Teileigentum mit der Absicht, auf dem Grundstück später Mehrfamilienhäuser mit mehreren Wohneinheiten und Tiefgaragenstellplätzen zu errichten.

Abschnitt VII der Teilungserklärung lautet in der zuletzt maßgeblichen Fassung (AS 395, 466 der Grundakten):

"Bestimmungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und über die Verwaltung (Gemeinschaftsordnung)

"[...]

Sondernutzungsrechte

a) Kfz-Stellplätze im Freien und weitere Freiflächen

Von Nutzen und Gebrauch

  • des im Tiefgaragenplan Haus A/B zum Aufteilungsplan vom 9. Oktober 2013 mit "SN 1" und "SN2" bezeichneten Kellerräume,
  • der Treppenaufgänge jeweils vom Obergeschoss ins Dachgeschoss sowie den Treppenpodesten jeweils im Dachgeschoss je im Haus A und Haus B gem. der Teilungserklärung vom 4. Februar 2014 beigefügten Plan Anlage 4,
  • der Kfz-Stellplätze wie im Erdgeschossplan Anlage 1 zu dieser Urkunde mit "AA1" bis "AA7" bezeichnet,
  • der Freiflächen wie im Erdgeschossplan Anlage 1 zu dieser Urkunde mit "SN1", "SN2", SNX" und "SNY" bezeichnet,
  • sämtlicher nicht überbauter Freiflächen auf dem Grundstück, an welchen nicht bereits Sondernutzungsrechte begründet wurden und welche nicht als Zugang zum Gebäude dienen,

sind alle Wohnungs- und Teileigentümer ausgeschlossen, mit Ausnahme der teilenden Eigentümerin (negative Komponente).

Diese Flächen bzw. Räume sind somit der Nutzung durch die Eigentümergemeinschaft entzogen; hieran wird jeweils Sondernutzungsrecht begründet.

Der teilende Eigentümer bzw. dessen Rechtsnachfolger ist gemäß vorstehender Vorgabe berec...

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