Leitsatz (amtlich)

Die aktuelle COVID-19-Pandemie kann die Aussetzung einer begonnenen Hauptverhandlung in einer Haftsache rechtfertigen.

 

Normenkette

StPO §§ 121, 229

 

Tenor

Die Untersuchungshaft des Angeklagten hat fortzudauern.

Die weitere Haftprüfung wird für die Dauer von drei Monaten dem Landgericht C. (Schwurgericht) - übertragen.

 

Gründe

I.

Der Angeklagte befindet sich nach seiner vorläufigen Festnahme am 24.09.2019 aufgrund des Haftbefehls des Amtsgerichts C. vom 25.09.2019 seit diesem Tag ununterbrochen in der JVA D. in Untersuchungshaft. Ihm wird unter dem Gesichtspunkt des Totschlags (§ 212) zur Last gelegt, er habe am 24.09.2019 zwischen 12.00 Uhr und 12.45 Uhr seine ehemalige Freundin F., die sich kurz zuvor von ihm getrennt gehabt habe, in seiner Wohnung im G. mit beiden Händen mehrere Minuten lang so kräftig am Hals gewürgt zu haben, bis seiner Absicht entsprechend deren Tod eingetreten sei.

Das aufgrund der Anklage der Staatsanwalt C. vom 25.11.2019, welche die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat rechtlich als Verbrechen des heimtückischen Mordes bewertet hat, mit der Sache befasste Schwurgericht des Landgerichts C. hat mit Beschluss vom 17.03.2020 die am 09.03.2020 begonnene Hauptverhandlung wegen der andauernden COVID-19-Pandemie unter Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft ausgesetzt und mit Verfügung vom selben Tag die Sache dem Senat zur Haftprüfung nach § 121 Abs. 3Satz 3 StPO vorgelegt. Die Generalstaatsanwaltschaft trägt auf Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft an. Der Verteidiger hat die Aufhebung des Haftbefehls beantragt.

II.

Die Haftprüfung führt zur Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft.

1. Der Angeklagte ist der ihm zur Last gelegten Tat dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht ergibt sich aus den im wesentlichen Ermittlungsergebnis der Anklageschrift vom 25.11.2019 umfassend dargestellten Beweismitteln, auf welche der Senat nach eigener Prüfung der Beweislage Bezug nimmt. Darüber hinaus hat der Angeklagte, der sich bislang nicht zum Vorwurf eingelassen hat, die Tat in einem Brief an die Eltern der F. unter Ausdruck seines Bedauerns eingeräumt. Die abschließende Bewertung des Beweisergebnisses, die Klärung des Schuldumfangs im Einzelnen sowie die nähere rechtliche Einordnung des Tatgeschehens bleibt dabei - wie stets - der in der Hauptverhandlung durchzuführenden Beweisaufnahme vorbehalten.

2. Es besteht der Haftgrund der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO). Von Fluchtgefahr ist auszugehen. Der Verurteilte hat im Falle einer Verurteilung mit einer lebenslangen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem hiervon ausgehenden natürlichen Fluchtanreiz stehen fluchthindernde Umstände von ausreichendem Gewicht nicht entgegen. Mildere Maßnahmen nach § 116 Abs. 1 StPO sind nicht geeignet, der Gefahr, dass sich der ledige und kinderlose Angeklagte - auf freiem Fuß befindlich - dem Verfahren durch Untertauchen entziehen könnte, hinreichend zu begegnen.

3. Auch die besonderen Voraussetzungen über die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor. Das in Haftsachen geltende Gebot der besonderen Verfahrensbeschleunigung ist gewahrt. Wegen eines (anderen) wichtigen Grundes, welcher die Fortdauer der Untersuchungshaft rechtfertigt, konnte Urteil noch nicht ergehen (§ § 121 Abs. 1 StPO).

a. Noch am Tag des Bekanntwerdens der Tat am 24.09.2019 hat die Kriminalpolizei die Ermittlungen übernommen und in der Folge, insbesondere zur Aufklärung der Hintergründe der Tat, zahlreiche Zeugen vernommen sowie die elektronische Kommunikation des Angeklagten ausgewertet. Die rechtsmedizinischen Untersuchungen zur Todesursache fanden am 25.09.2019 statt. Nach Vorlage des Schlussvermerks der Kriminalpolizei am 07.11.2019 schloss die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen am 25.11.2019 mit der Erhebung der Anklage ab. Nach Eingang der Anklage am 26.11.2019 veranlasste der Vorsitzende des Schwurgerichts noch am selben Tag das gemäß § 201 StPO Erforderliche. Am 20.12.2019 beschloss das Schwurgericht die Eröffnung des Hauptverfahrens. Entsprechend der Verfügung des Vorsitzenden des Schwurgerichts vom 08.01.2020 begann die Hauptverhandlung am 09.03.2020 mit geplanten Fortsetzungsterminen am 25.03.2020, 26.03.2020 und 27.03.2020; ein früherer Beginn der Hauptverhandlung im Februar war wegen der Verhinderung des Verteidigers und der Vertreterin der Nebenklage nicht möglich.

b. Am 17.03.2020 beschloss die Strafkammer außerhalb der Hauptverhandlung die Aussetzung der Hauptverhandlung mit der Begründung, dass wegen der COVID-19-Pandemie ein Schutz der zahlreichen Verfahrensbeteiligten, der Zeugen, Vorführungsbeamten und Gerichtswachtmeister sowie der Zuhörer im Sitzungssaal vor einer Infektion durch das Virus in den Fortsetzungsterminen nicht gewährleistet sei und deshalb eine bloße Unterbrechung der Hauptverhandlung gemäß § 229 Abs. 1 StPO nicht mehr in Betracht komme. Mit Verfügung vom selben Tag teilte der Vorsitzende des Schwurgerichts dem Verteidiger, der Vertreterin der Nebenklage sowie d...

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