Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterhaltsverzicht: Sittenwidrigkeit. Familiensache. Ehegattenunterhalt. Prozeßkostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
Bei notariell vereinbarten beiderseitigen Unterhaltsverzicht für den Fall einer rechtskräftigen Scheidung, auch bei Notbedarf, kann eine Sittenwidrigkeit nicht schon dann angenommen werden, wenn sie eine Belastung des Sozialhilfeträgers zur Folge hat. Eine Sittenwidrigkeit kann jedoch angenommen werden, wenn sich die Parteien zum Zeitpunkt der notariellen Vereinbarung der Sozialhilfebedürftigkeit eines der beiden Parteien bewußt gewesen waren.
Normenkette
BGB §§ 1585c, 242
Tenor
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den ihr Prozeßkostenhilfe versagenden Beschluß des Amtsgerichts – Familiengericht – Sch. vom 26.01.2000 (2 F 3/99 U) wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Die Parteien sind getrennt lebende Eheleute. Das Scheidungsverfahren ist seit 22.03.1999 rechtshängig.
Die Parteien haben am 27.11.1976 in Jena die Ehe geschlossen. Aus erster Ehe hat die Antragsgegnerin zwei Kinder. Aus der Ehe mit dem Antragsteller sind zwei weitere Kinder, ein zwischenzeitlich volljähriger Sohn und eine am 20.04.1984 geborene Tochter hervorgegangen, die bei der Antragsgegnerin lebt. Im Jahre 1989 erfolgte die Übersiedlung nach H..
Das vorliegende Verfahren auf nachehelichen Unterhalt hat die Antragsgegnerin durch ihre Prozeßbevollmächtigte mit Schriftsatz vom 27.07.1999 innerhalb des Scheidungsverbundes anhängig gemacht, welcher dem Antragsteller am 02.08.1999 zugestellt wurde.
Die Antragsgegnerin hat in der ehemaligen DDR eine Ausbildung als Facharbeiterin in der maschinellen Glasverarbeitung absolviert. Während des Zusammenlebens der Parteien war die Antragsgegnerin im wechselnden Umfang erwerbstätig; vor der Ausreise aus der DDR war sie zuletzt in einer Kinderkrippe als Näherin tätig. Nach der Ausreise machte sie in Mannheim eine Ausbildung zur Fußpflegerin, nachdem sie in ihrem erlernten Beruf lediglich in Mainz hätte arbeiten können. In der jüngeren Vergangenheit war sie dann zunächst selbständig als Fußpflegerin tätig und zuletzt bis Anfang Mai 1999 als Putzhilfe bei einer Firma LTG geringfügig beschäftigt.
Im Jahre 1995 hatten sich die Parteien bereits schon einmal vorübergehend getrennt. Damals war die Antragsgegnerin wegen einer Beziehung zu einem anderen Mann aus der ehegemeinschaftlichen Wohnung ausgezogen. Nach Beendigung dieser Beziehung im Frühjahr 1996 entschloß sie sich, zum Antragsteller zurückzukehren und sich mit diesem zu versöhnen. Der Antragsteller machte den Versöhnungsversuch allerdings vom Abschluß eines Ehevertrages abhängig. Deshalb schlossen die Parteien am 24.05.1996 einen notariellen Ehe- und Übergabevertrag, in dem sie Gütertrennung und einen wechselseitigen vollständigen Verzicht auf nachehelichen Unterhalt, auch bei Notbedarf, vereinbarten.
Die Antragsgegnerin behauptet, schon bei Abschluß der notariellen Vereinbarung sei aufgrund ihrer vielfachen Krankheiten klar gewesen, daß sie, wenn überhaupt, nur einer leichten Teilzeitarbeit werde nachgehen können. Seit 1999 sei sie aufgrund ihres angegriffenen Gesundheitszustandes nicht arbeitsfähig. Der zwischen den Parteien vereinbarte Unterhaltsverzicht sei gemäß § 138 BGB nichtig, da er seinem objektiven Gehalt nach zu Lasten des Sozialhilfeträgers abgeschlossen worden sei. Darüber hinaus sei sie vor Abschluß dieses Vertrages von dem jetzigen Prozeßbevollmächtigten des Antragstellers nicht beraten worden, sondern habe diese Vereinbarung nur unterzeichnet, um eine dauerhafte Versöhnung mit dem Antragsteller herbeizuführen. Dieser habe sie zur Unterzeichnung der Vereinbarung mehr oder minder genötigt.
Die von ihr zwischenzeitlich aufgenommene Beziehung zu einem anderen Mann habe keinen Versorgungscharakter. Sie lebten in getrennten Wohnungen und eine wechselseitige Versorgung finde nicht statt. Da der Antragsteller über ein monatliches Nettoeinkommen von 6.774 DM verfüge, belaufe sich ihr Unterhaltsbedarf nach Berücksichtigung des Kindesunterhalts sowie weiterer Aufwendungen auf 2.148 DM monatlich.
Die Antragsgegnerin beantragt unter Gewährung von Prozeßkostenhilfe, den Antragsteller zu verurteilen, an die Antragsgegnerin monatlichen nachehelichen Unterhalt von DM 1.700 zu bezahlen.
Der Antragsteller tritt dem Antrag, insbesondere auch jenem auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe, entgegen.
Er behauptet, die Antragsgegnerin habe schon seit Sommer 1992 schon intime Beziehungen zu anderen Männern unterhalten und hierdurch die Ehe zerstört. Diese Beziehungen hätten jeweils mehrere Monate angedauert. Daher habe er seine Versöhnungsbereitschaft vom Abschluß der notariellen Vereinbarung abhängig gemacht.
Das Amtsgericht – Familiengericht – Sch. hat den Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe zurückgewiesen, da die beabsichtigte Rechts Verfolgung keine hinreichende Aussicht auf Erfolg biete (§ 114 ZPO).
Es hat ausgeführt, daß der von den Parteien am 24.05.1996 notariell vereinbarte Verzicht auf nachehelichen Ehega...