Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrssicherungspflicht in einer öffentlichen Tiefgarage
Leitsatz (amtlich)
1. Wird ein Rolltor an der Einfahrt einer öffentlichen Tiefgarage zur Hälfte herabgelassen, weil die Garage vorübergehend gesperrt werden soll, entsteht eine Gefahrenquelle, mit der Fahrzeugführer normalerweise nicht rechnen. Wenn ein Fahrzeug beim Einfahren durch das in 1,45 m Höhe befindliche Hindernis (Unterkante des Rolltores) beschädigt wird, ist der Betreiber der Tiefgarage zum Schadensersatz verpflichtet.
2. Ein Mitverschulden des Fahrzeugführers, der das Hindernis übersehen hat, ist nach den Umständen des Einzelfalles zu berücksichtigen. (Hier: Mitverschulden des Fahrzeugführers von 25 %).
Normenkette
BGB § 254 Abs. 1, § 311 Abs. 2 Ziff. 2, § 823 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen K 5 O 349/14) |
Tenor
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Konstanz vom 30.10.2015 - K 5 O 349/14 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 3.141,35 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 16.08.2014.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtlichen materiellen zukünftigen Schaden mit einer Quote von 75 % zu ersetzen, der aus dem Vorfall vom 09.07.2014 resultiert.
3. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von einer Forderung seiner Prozessbevollmächtigten in Höhe von 419,59 EUR freizuhalten.
4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.
III. Die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen tragen der Kläger zu 1/4 und die Beklagte zu 3/4.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger macht Schadensersatzansprüche gegen die Beklagte geltend. Am Fahrzeug des Klägers ist ein Schaden entstanden, als der Kläger am 09.07.2014 versuchte, in eine Tiefgarage in S. einzufahren.
Die Beklagte unterhielt im Jahr 2014 in der Innenstadt von S. in ihrem Bankgebäude eine Tiefgarage, die sowohl für ihre Kunden als auch für Dritte zugänglich war. Die Einfahrt erfolgte über die Hegaustraße. In der Einfahrt befand sich eine Schrankenanlage. Die Nutzer der Tiefgarage konnten bis zu 30 Minuten kostenlos parken; bei einer längeren Parkdauer war eine Parkgebühr zu entrichten.
Am 09.07.2014 gegen 14.45 Uhr wollte der Kläger mit seinem Pkw Toyota Corolla Verso in die Tiefgarage einfahren. Zu diesem Zeitpunkt war die Schranke an der Einfahrt defekt. Der Hausmeister der Beklagten, der Zeuge O., wollte die Schranke reparieren. Um Fahrzeuge an der Einfang zu hindern, und um während seiner Reparaturarbeiten nicht von Fahrzeugen gestört zu werden, ließ der Zeuge ein Rolltor, welches sich an der Gebäude-Außenseite befand - 1,80 m vor der im Inneren des Gebäudes befindlichen Schranke - ein Stück herab. Der Abstand zwischen dem Boden und der Unterkante des teilweise herabgelassenen Rolltores betrug noch 1,45 m. Der Zeuge wollte mit dieser Maßnahme einerseits - für die Dauer seiner Reparaturarbeiten - Fahrzeuge an einer Einfahrt hindern; andererseits sollten Fußgänger die Möglichkeit haben, gebückt an der Einfahrt in die Garage zu ihren abgestellten Fahrzeugen zu gelangen. An der Einfahrt leuchtete weiterhin - von außen sichtbar - ein grünes Signal "frei"; eine Umschaltung auf rot "besetzt" war nicht erfolgt.
Der Kläger bemerkte bei der Einfahrt nicht, dass das Rolltor ein Stück herabgelassen war. Mit seinem Fahrzeug, welches eine Höhe von 1,64 m aufwies, stieß er im vorderen oberen Bereich gegen die Unterkante des Rolltores. Der Pkw des Klägers wurde im Bereich des Daches erheblich beschädigt. Die notwendigen Reparaturkosten betragen unstreitig netto 4.163,46 EUR. Außerdem ist dem Kläger ein Schaden in Höhe von weiteren 25,00 EUR (Unkostenpauschale) entstanden. Das Fahrzeug des Klägers ist bisher nicht repariert worden.
Der Kläger hat im Verfahren vor dem Landgericht von der Beklagten Ersatz seines Schadens verlangt. Der für die Beklagte tätige Zeuge O. habe die Einfahrt während der von ihm an der Schranke durchgeführten Reparaturarbeiten nicht ausreichend abgesichert. Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Mit Urteil vom 30.10.2015 hat das Landgericht die Klage abgewiesen. Zwar habe durch das teilweise herabgelassene Rolltor eine Gefahrenlage bestanden. Die Beklagte, bzw. der für diese handelnde Zeuge O., habe jedoch darauf vertrauen dürfen, dass für Fahrzeugführer die Situation des Rolltores erkennbar gewesen sei. Den Kläger treffe bei der Entstehung des Schadens ein weit überwiegendes Mitverschulden, weil er ohne Weiteres hätte erkennen können, dass die Durchfahrtshöhe unter dem Rolltor für sein Fahrzeug nicht ausreichend war. Angesichts des erheblichen Verschuldens auf Seiten des Klägers trete bei der Abwägung der beiderseitigen Verursachungsbeiträge eine mögliche schuldhafte Pflichtverletzung des Zeuen O. gänzlich zurück, so dass eine Haftung der Beklagt...