Leitsatz (amtlich)
Bei einem Fernabsatzgeschäft verstößt die Belastung des Verbrauchers mit Versandkosten für die Hinsendung der Ware gegen verbraucherschützende Vorschriften i.S.v. § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG, wenn der Verbraucher von seinem Rückgaberecht Gebrauch macht und die Ware vollständig an den Lieferer zurücksendet. Bei richtlinienkonformer Auslegung der §§ 312d Abs. 1 Satz 2, 356 Abs. 1, 357 Abs. 1 Satz 1, 346 BGB anhand der Fernabsatzrichtlinie 97/7/EG vom 20.5.1997 hat der Verbraucher auch einen Anspruch auf Rückerstattung verauslagter Hinsendekosten.
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 19.12.2005; Aktenzeichen 10 O 794/05) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Karlsruhe vom 19.12.2005 - 10 O 794/05 - wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass es der Beklagten bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu 2 Jahren, zu verhängen gegen die Geschäftsführer der Beklagten, untersagt wird, im geschäftlichen Verkehr künftig von Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nach Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts (§§ 355, 356 BGB) die Kosten für die Hinsendung der Waren (Versandkostenpauschale) zu verlangen oder im Falle der bereits erfolgten Zahlung den Verbrauchern diese Kosten nicht zu erstatten, sofern die Verbraucher sämtliche von ihnen in einem einheitlichen Bestellvorgang bestellten Waren an die Beklagten zurücksenden.
Die Beklagte trägt auch die Kosten der Berufung.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung von 10.000 EUR vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Hinsichtlich des Tatbestands wird auf die tatsächlichen Feststellungen des Urteils des LG Karlsruhe vom 19.12.2005 - 10 O 794/05 - Bezug genommen, die im Berufungsverfahren weder ergänzt noch geändert wurden.
Das LG hat der Klage stattgegeben. Der Klägerin stünde gegen die Beklagte ein Anspruch auf Unterlassung der Erhebung der Kosten für die Hinsendung von Waren nach Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts aus § 2 Abs. 1 Satz 1 UKlaG zu. Der Anspruch ergebe sich bei richtlinienkonformer Auslegung aus §§ 357 Abs. 1 Satz 1, 346 Abs. 1 BGB. § 357 BGB sei auch unzweifelhaft eine verbraucherschützende Norm, da sie auf der Umsetzung der verbraucherschützenden Fernabsatzrichtlinie beruhe. Zwar seien die Hinsendekosten im Gegensatz zu den Rücksendekosten nicht Gegen-stand einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung, jedoch folge aus Art. 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 der Fernabsatzrichtlinie, dass dem Verbraucher einzig die Kosten der Rücksendung auferlegt werden könnten. Daraus folge, dass die Hinsendekosten gerade nicht auferlegt werden könnten. Auch aus dem Regelungsgehalt der §§ 447, 448 BGB ergebe sich nichts anderes. Die Beklagte könne sich auch nicht darauf berufen, neben dem Kaufvertrag einen eigenständigen Versendungsvertrag geschlossen zu haben. Dies sei eine unnatürliche Aufspaltung eines aus Sicht des Verbrauchers einheitlichen Vorgangs und stelle zudem ein nach § 312 f. BGB unzulässiges Umgehungsgeschäft dar.
Die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten rügt die Verletzung materiellen Rechts. Das LG habe übersehen, dass die §§ 346 ff. BGB - auch § 357 BGB - keine verbraucherschützenden Normen seien. In Verkennung der entscheidenden Grundsätze einer systematisch-teleologischen Auslegung von Art. 6 Fernabsatzrichtlinie sei das Instrument der richtlinienkonformen Auslegung fehlerhaft angewandt worden.
Die Beklagte beantragt, das erstinstanzliche Urteil abzuändern und nach den erstinstanzlichen Schlussanträgen zu entscheiden, d.h. die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Den Klagantrag I. Instanz hat sie in der mündlichen Verhandlung vom 15.8.2007 wie folgt neu gefasst:
Der Beklagten wird es bei Meidung eines für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder der Ordnungshaft bis zu 6 Monaten, im Falle wiederholter Zuwiderhandlungen bis zu 2 Jahren, zu verhängen gegen die Geschäftsführer der Beklagten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr künftig von Verbrauchern bei Fernabsatzgeschäften nach Ausübung des Widerrufs- bzw. Rückgaberechts (§§ 355, 356 BGB) die Kosten für die Hinsendung der Waren (Versandkostenpauschale) zu verlangen oder im Falle der bereits erfolgten Zahlung den Verbrauchern diese Kosten nicht zu erstatten, sofern die Verbraucher sämtliche von ihnen in einem einheitlichen Bestellvorgang bestellten Waren an die Beklagten zurücksenden.
Die Klägerin führt aus, die §§ 346, 357 BGB seien nicht isoliert zu betrachten, sondern Bestandteil der Verweisungskette §§ 312d Abs. 1, 355, 357, 346 Abs. 1 BGB. Die §§ 346, 357 BGB werden durch den unzweifelhaft verbraucherschützenden § 312d BGB Teil eines insgesamt verb...