Entscheidungsstichwort (Thema)
Beurteilung der Leistungsfähigkeit des unterhaltsverpflichteten Kindes im Rahmen des Elternunterhalts
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Übersendung einer Rechtswahrungsanzeige mit anschließender Mitteilung über die Fortdauer der Hilfegewährung reicht aus, um einen Anspruch auf Elternunterhalt aus übergegangenem Recht gegenüber dem leistungsverpflichteten Kind uneingeschränkt geltend machen zu können.
2. Für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit im Rahmen des Elternunterhalts kommt es ausschließlich auf das Einkommen des Kindes an. Der Mindestselbstbehalt beträgt regelmäßig 1.250,00 EUR. Die konkrete Bemessung richtet sicht nach der im Einzelfall vorliegenden Lebensstellung des Unterhaltsverpflichteten.
3. Die Unterschreitung des Mindestselbstbehalts des Unterhaltsverpflichteten führt nicht automatisch zu einer Befreiung von der Unterhaltspflicht, wenn das Einkommen des Ehepartners ausreicht, um den Familienunterhalt zu decken.
4. Eine pauschale Beurteilung des Familienbedarfs ist grundsätzlich nicht möglich. Insoweit ist ebenfalls auf die familiäre Lebensstellung abzustellen, wobei bei niedrigen Einkünften nicht automatisch von einem Verbrauch ausgegangen werden kann. Ein solcher muss von dem Unterhaltsverpflichteten substantiiert dargelegt und beweisen werden. Anderenfalls bleibt es bei dem Mindestbedarfssaltz.
Normenkette
BGB §§ 1601, 1603 Abs. 1, § 1613; BSHG §§ 70, 91
Verfahrensgang
AG Heidelberg (Urteil vom 26.01.2005; Aktenzeichen 33 F 221/04) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des AG - FamG - Heidelberg vom 26.1.2005 (33 F 221/04) im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin einen rückständigen Unterhaltsbetrag für die Zeit vom 1.1.2003 bis 30.6.2004 i.H.v. 1.080 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB hieraus seit 28.8.2004 zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I. Die Parteien streiten um rückständige Ansprüche auf Elternunterhalt aus übergegangenem Recht für die Zeit von 1.1.2003-30.6.2004. Für den Unterhaltszeitraum Januar 2003-Januar 2004 einschließlich macht die Klägerin einen monatlichen Anspruch von 55 EUR geltend, ab Februar 2004 geht sie von einer Leistungsfähigkeit der Beklagten i.H.v. 73 EUR aus.
Die Beklagte, geboren am ...1957, ist die Tochter von Frau ..., geboren am ...1937. Die Ehe der Eltern der Beklagten ist geschieden. Der Vater ist am 11.10.1987 verstorben und hat nie nachehelichen Unterhalt an die Mutter gezahlt. Diese bezieht seit 5.12.1985 Leistungen der Klägerin. Sie hat eine eigene monatliche Rente von 333,16 EUR. Eine Rechtswahrungsanzeige der Klägerin ggü. der Beklagten ist 1986 erfolgt.
Bis zum 30.6.2004 hat die Klägerin neben Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz auch die Kosten für eine Haushaltshilfe nach dem BSHG für die Mutter der Beklagten mit 130,52 EUR monatlich gezahlt. Diese Kosten möchte die Klägerin von der Beklagen im Rahmen deren Leistungsfähigkeit erstattet bekommen.
Die zwei Geschwister der Beklagten sind unstreitig leistungsunfähig.
In einem weiteren Verfahren vor dem FamG Heidelberg (33 F 316/02) machte die Klägerin für einen Unterhaltszeitraum vom 1.3.-31.10.2002 55 EUR monatlich gegen die Beklagte unter Zugrundelegung eines Taschengeldanspruchs der Beklagten ggü. ihrem Ehemann geltend. Das Verfahren endete mit dem Vergleich vom 17.1.2003, in dem sich die Beklagte verpflichtete, zur Abgeltung der Unterhaltsansprüche ihrer Mutter bis Ende 2002 275 EUR zu zahlen.
Bis 30.9.2003 befand sich die seit 31.7.1999 verheiratete, kinderlose Beklagte in einer Ausbildung. Sie hatte eine monatliche Ausbildungsvergütung und Unterhaltsgeld. Unstreitig ist ein Einkommen von mindestens 1.000 EUR. Seit 1.10.2003 arbeitet die Beklagte rd. 28 Stunden wöchentlich als Altenpflegerin. Sie verdient 990,17 EUR netto monatlich, dies nach Steuerklasse V. Die Verdienstbescheinigungen für den Zeitraum 10/2003 bis 9/2004 einschließlich liegen vor.
Der Ehemann der Beklagten hatte ab 1.10.2003 ein Einkommen von 2.074,62 EUR. Er nutzt die Steuerklasse III. Die Verdienstabrechnungen für das Jahr 2003 liegen vor. Für die vor dem 1.10.2003 liegende Zeit ist ein Einkommen von 2.013 EUR zugestanden.
Die Klägerin hat vorgetragen:
Mit dem Vergleich im Verfahren 33 F 316/02 seien nur die in jenem Verfahren streitgegenständlichen Ansprüche abgegolten worden.
Nachdem die Rechtswahrungsanzeige bereits am 5.2.1986 versandt worden sei, sei ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Unterhalts gegeben.
Bis zum Abschluss der Ausbildung sei die Beklagte aufgrund ihres Taschengeldanspruchs ggü. ihrem Ehemann i.H.v. 55 EUR leistungsfähig, danach i.H.v. 73 EUR. Bis Januar 2004 einschließlich werde gleichwohl nur ein monatlicher Betrag von 55 EUR verlangt.
Ein vollständiger Verbrauch des Familieneinkommens liege nicht vor. Die von der Beklagten aufgeführten Positionen seien bereits im Selbstbehalt...