Verfahrensgang
LG Offenburg (Entscheidung vom 15.08.2008; Aktenzeichen 2 O 155/07) |
Nachgehend
Tenor
1.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 15.08.2008 - 2 O 155/07 - aufgehoben. Die Klage wird abgewiesen.
2.
Das klagende Land trägt die dem Beklagten in beiden Instanzen entstandenen außergerichtlichen Kosten und behält seine eigenen außergerichtlichen Kosten auf sich.
3.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Das klagende Land kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
4.
Die Revision wird zugelassen.
5.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000,00 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um den insolvenzrechtlichen Rang einer Forderung.
Der Beklagte ist Insolvenzverwalter in dem am 12.05.2006 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der MFV Management für Finanzierungs- und Versicherungs-Vermittlung GmbH. Der Geschäftsführer der GmbH ist durch Urteil des Landgerichts Mannheim vom 12.10.2005 wegen Steuerhinterziehung und Betruges zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden. Gegen die GmbH, die Verfallsbeteiligte war, wurde gemäß § 73 Abs. 1 S. 1, 73a StGB der Verfall von Wertersatz in Höhe von 503.440,00 EUR angeordnet. Zur Begründung hat das Strafgericht ausgeführt, die Geschädigte habe infolge eines Vergleichs auf den für verfallen erklärten Teil der Betrugsbeute verzichtet, so dass § 73 Abs. 1 S. 2 StGB nicht zur Anwendung komme; eine unbillige Härte liege nicht vor. Das Strafurteil ist seit dem 12.01.2006 rechtskräftig. Das Insolvenzgericht hat nicht zur Anmeldung nachrangiger Insolvenzforderungen aufgefordert. Das klagende Land hat die Forderung im Rang des § 38 InsO zur Insolvenztabelle angemeldet. Der Beklagte hat sie bestritten; er ist der Ansicht, die Forderung falle unter § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO.
Das klagende Land hat begehrt, seine Forderung in Höhe von 503.440,00 EUR zur Insolvenztabelle festzustellen. Es hat geltend gemacht, der Wertersatzverfall sei keine zu einer Geldzahlung verpflichtende Nebenfolge einer Straftat im Sinne des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO. Dies ergebe sich schon daraus, dass der Verfall im Siebenten Titel des Dritten Abschnitts des Allgemeinen Teils des Strafgesetzbuches geregelt sei und nicht in dem Unterabschnitt "Nebenfolgen" des Ersten Titels des Dritten Abschnitts des Allgemeinen Teils. Werde der Verfall gegenüber einem unbeteiligten Dritten angeordnet, könne er denknotwendig nicht die Nebenfolge einer Straftat sein. Dem illegitimen Empfänger werde vielmehr im Wege des öffentlich-rechtlichen Erstattungsanspruchs das durch die rechtswidrige Tat Erlangte wieder abgenommen. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO verweise nicht auf § 459 g Abs. 2 StPO und diese Verfahrensvorschrift könne nicht zur Begründung einer materiellen Rechtsposition herangezogen werden. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO solle nur Forderungen mit pönalem Charakter erfassen, weil diese ihre sanktionierende Wirkung gegen den Insolvenzschuldner entfalten sollten. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und des Bundesverfassungsgerichts habe die Anordnung des Verfalls und des Wertersatzverfalls gerade keinen pönalen Charakter. Der generalpräventive Zweck der Maßnahme entfalle in der Insolvenz nicht. Bei einem Verzicht des Geschädigten gebe es keinen Grund, die anderen Gläubiger gegenüber dem klagenden Land zu bevorzugen. Der ursprüngliche Schadensersatzanspruch der durch die Straftat Geschädigten setze sich in der Wertersatzverfallsforderung fort. Deshalb könne ein Nachrang der Forderung nicht damit begründet werden, dass der Staat im Gegensatz zu den anderen Gläubigern kein Vermögensopfer erbracht habe.
Der Beklagte hat geltend gemacht, da das Strafgesetzbuch keine zu einer Geldzahlung verpflichtende "Nebenfolge einer Straftat" kenne, müsse der Begriff im Sinne des § 459g Abs. 2 StPO verstanden werden. Eine Beschränkung des § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO auf Nebenfolgen mit strafähnlichem Charakter sei weder nach dem Gesetzeswortlaut noch nach dem Sinn und Zweck des Verfalls geboten. Beim Verfall stehe der Präventionszweck im Vordergrund. Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen einer juristischen Person bestehe kein Präventionsbedarf mehr. Fiele die staatliche Verfallsforderung unter § 38 InsO, würden lediglich die übrigen Gläubiger des Insolvenzschuldners belastet, die für eine staatliche Präventionsmaßnahme keinerlei Anlass geboten hätten. Eine insolvente natürliche Person bleibe nach § 302 Nr. 2 InsO der Wirkung der Verfallsanordnung ausgesetzt. § 39 Abs. 1 Nr. 3 InsO schütze also nur die sonstigen Gläubiger des von der Verfallsanordnung Betroffenen vor deren negativen Folgen und stelle sicher, dass sie nicht de facto - über eine Schmälerung der Quote - für die Bezahlung der Verfallsforderung aufkommen müssten. Insolvenzgläubiger im Rang des §...