Entscheidungsstichwort (Thema)
Nichtigkeit eines den unterhaltspflichtigen Ehegatten finanziell überfordernden Ehevertrages
Leitsatz (amtlich)
Zur Sittenwidrigkeit einer ehevertraglichen Regelung, mit der sich der voraussichtlich unterhaltspflichtige Ehegatte für den Fall der Ehescheidung zur Zahlung einer Leibrente verpflichtet.
Für die Beurteilung der Frage, ob eine solche Vereinbarung zu einer einseitigen und nicht gerechtfertigten Lastenverteilung führt, sind die das gesetzliche Leitbild des Ehegattenunterhalts maßgeblich prägenden Grundsätze der Halbteilung und der Rücksichtnahme auf die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners maßgebend.
Für eine tatsächliche Störung der Verhandlungsparität bei Abschluss des Ehevertrages spricht eine tatsächliche Vermutung, wenn die Parteien eine evident einseitig belastende ehevertragliche Regelung getroffen haben, ohne dass hierfür ein nachvollziehbarer Grund erkennbar ist.
Normenkette
BGB §§ 138, 242, 1408, 1585c
Verfahrensgang
AG Bruchsal (Urteil vom 14.10.2005; Aktenzeichen 3 F 188/05) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des AG - FamG - Bruchsal vom 14.10.2005 - 3 F 188/05 - abgeändert:
Es wird festgestellt, dass der Beklagten keine Ansprüche auf Zahlung einer Leibrente gegen den Kläger aus Ziff. 7 der notariellen Urkunde des Notars Z., Notariat K., 9 UR 2295/1999, zustehen. Die Regelung in Ziff. 7 der genannten notariellen Urkunde ist nichtig.
Die Beklagte wird verurteilt, die ihr erteilte vollstreckbare Ausfertigung der vorgenannten notariellen Urkunde an den Kläger herauszugeben.
2. Die Beklagte trägt die Kosten beider Instanzen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagten wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer durch Ehevertrag vom Kläger zugunsten der Beklagten übernommenen Leibrentenverpflichtung.
Der im Jahr 1962 geborene Kläger und die im Jahr 1953 geborene Beklagte schlossen am 12.12.1997 die Ehe. Am 24.11.1999 schlossen sie einen notariell beurkundeten Ehevertrag, welcher in Ziff. 7 einen Unterhaltsverzicht für den Fall der Ehescheidung sowie die Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Leibrente an die Beklagte enthält. Die Regelung lautet:
Im Hinblick auf den Altsreunterschied zwischen den Eheleuten regeln die Eheleute einen etwaigen nachehelichen Unterhaltsanspruch der Ehefrau durch eine Leibrente.
Für den Fall der Ehescheidung verzichten die Eheleute gegenseitig völlig auf jeden gesetzlichen Unterhalt und nehmen diesen Verzicht wechselseitig an.
Als Abfindung für ihren Verzicht erhält die Ehefrau die folgende Leibrente. Für diese Leibrente wird die entsprechende oder ergänzende Anwendung der gesetzlichen Vorschriften über den nachehelichen Unterhalt ausdrücklich ausgeschlossen. Die Leibrente ist monatlich am 15. eines jeden Monats zu entrichten und beläuft sich auf monatlich 1.300 DM. Diese Leibrente erlischt mit dem Tode der Ehefrau. Die erlischt weiter mit Beginn des ersten Monats, an dem die Ehefrau Altersrente aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezieht. Ferner ruht der Anspruch auf Leibrente, sobald und solange die Ehefrau Einkünfte aus einer Vollerwerbstätigkeit bezieht.
Verändert sich der Preisindex aller privaten Haushalte für ganz Deutschland, festgestellt vom statistischen Bundesamt, Basis 1991 = 100, ggü. den im Monat dieses Vertragsabschluss gültigen Index, so erhöht oder ermäßigt sich der Rentenbetrag entsprechend. Eine Anpassung findet jedoch nur statt, wenn sich eine Veränderung dieses Index von mehr als 10 % eingestellt hat, wobei jeweils von der letzten Anpassung zugrunde liegenden Indexzahl auszugehen ist. Die Rente erhöht oder ermäßigt sich ab dem der Anpassung folgenden Monatsfünfzehnten. Rückwirkende Anpassung kann nicht verlangt werden. Weiter gehende Anpassungen finden nicht statt. Insbesondere wird die Änderungsklage nach § 323 ZPO ausdrücklich ausgeschlossen.
Der Ehemann unterwirft sich wegen der Verpflichtung zur Zahlung obiger wertgesicherter Rente der sofortigen Zwangsvollstreckung aus dieser Urkunde in sein gesamtes Vermögen.
Die Ehefrau verpflichtet sich jedoch ihrerseits, im Falle einer Ehescheidung sich nach Kräften um eine Vollerwerbstätigkeit als Bürokauffrau oder um eine vergleichbare Tätigkeit zu bemühen.
Wegen des weiteren Vertragsinhalts wird auf die bei den Akten befindliche Ablichtung Bezug genommen (AS I 13 ff.).
Die Ehe wurde durch Urteil vom 9.4.2002 rechtskräftig geschieden.
Der Kläger hat Klage erhoben auf Feststellung, dass die notarielle Vereinbarung bezüglich der Leibrenten- oder Unterhaltsansprüche gegen den Kläger nichtig ist. Er hat die Klage weiter gerichtet auf Herausgabe der vollstreckbaren Ausfertigung der notar...