Leitsatz (amtlich)

1. Das Festpreisgeschäft wird in der Wertpapierhandelspraxis zwar wie ein Kommissionsgeschäft abgewickelt, ist aber zivilrechtlich davon zu unterscheiden. Denn die Pflichtenlage der Bank ist hier schon deshalb eine andere, weil sie ihren Kunden über die Anschaffung der Wertpapiere nicht Rechnung legen muss.

2. Bei einem außerbörslichen Handel (Freiverkauf) ist der Regelfall nicht Kommission, sondern Kauf. Daher muss die beratende Bank den Kunden nicht darüber aufklären, dass der Wertpapiererwerb als Eigengeschäft erfolgen sollte (BGH, Urt. v. 27.9.2011 - XI ZR 178/10 Rz. 51 ff. und XI ZR 182/10 Rz. 48 ff.). Anders liegt es bei einem Auftrag zum Wertpapierkauf an der Börse (BGH, Urt. v. 25.6.2002 - XI ZR 239/01).

 

Verfahrensgang

LG Heidelberg (Urteil vom 07.12.2010; Aktenzeichen 2 O 114/10)

 

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Heidelberg vom 7.12.2010 - 2 O 114/10 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

5. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 9.642,50 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Mit dem angefochtenen Urteil hat das LG die Schadensersatzklage im Zusammenhang mit einem verlustreichen Wertpapiergeschäft der Klägerin abgewiesen.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz i.H.v. 9.642,50 EUR sowie vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten i.H.v. 399,72 EUR nach dem Kauf von 243 Stück Bonus Cap Sprint Zertifikaten der..-Bank gemäß Kaufauftrag vom 8.1.2008 auf Empfehlung des Mitarbeiters der Beklagten, des Zeugen E. Wegen der tatsächlichen Feststellungen im Übrigen wird auf den Tatbestand des Urteils des LG Bezug genommen (§ 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO).

Das LG hat die Klage nach Vernehmung des Zeugen und nach Anhörung der Klägerin abgewiesen. Die Klägerin habe den ihr obliegenden Beweis für eine Pflichtverletzung der Beklagten nicht geführt. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.

Mit der dagegen gerichteten Berufung verfolgt die Klägerin die erstinstanzlichen Zahlungsanträge in vollem Umfang weiter. Zur Begründung führt sie an, die Feststellungen des LG seien bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller entscheidungserheblichen Umstände rechtsfehlerhaft. Insbesondere habe das LG den Vortrag der Klägerin übergangen, es sei ausdrücklich ein Warnhinweis der Beklagten in dem Fall geschuldet gewesen, dass die Kursentwicklung sich der kritischen Schwelle nähere. Auch in diesem Fall läge ein entsprechender Schaden der Klägerin vor. Rechtlich fehlerhaft gehe das LG davon aus, dass eine nicht aufklärungspflichtige Gewinnspanne vorliege. Von Rechts wegen hätte die Beklagte aber auch hierüber die Klägerin unterrichten müssen.

Die Beklagte verteidigt das landgerichtliche Urteil und beantragt Zurückweisung der Berufung.

II. Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht gerechtfertigt.

Das Urteil des LG ist richtig. Es kann nach dem im ersten Rechtszug erreichten Sach- und Streitstand weder festgestellt werden, dass die Beklagte im Zusammenhang mit den Wertpapiergeschäften einen Beratungsfehler begangen hat, noch war sie verpflichtet, die Klägerin über ihr Gewinninteresse im Zusammenhang mit der Veräußerung der Papiere in Kenntnis zu setzen.

1. Zutreffend geht das LG davon aus, dass die Klägerin nach allgemeinen Grundsätzen als Anspruchstellerin die Beweislast für die behauptete Verletzung der Pflichten aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Beratungsvertrag trägt.

a) Diesen Nachweis konnte die Klägerin im ersten Rechtszug nicht führen. Gemäß § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO hat das Berufungsgericht die vom LG festgestellten Tatsachen seiner Verhandlung und Entscheidung zugrunde zu legen, soweit nicht konkrete Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Solche konkrete Zweifel zeigt die Berufung jedoch nicht auf. Die Beweiswürdigung des LG ist weder unvollständig noch in sich widersprüchlich. Sie verstößt auch nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze und lässt schließlich auch keine Verfahrensfehler erkennen. Vielmehr wird an den Entscheidungsgründen deutlich, dass das LG die Aussage des Zeugen E unter Berücksichtigung der Einlassung der Klägerin gewürdigt und beide Angaben gegeneinander abgewogen hat, sich aber nicht von der Richtigkeit der klägerischen Behauptung hat überzeugen können.

b) Das LG hat hiernach rechtsfehlerfrei ein Anlageberatungsverschulden der Beklagten verneint.

aa) Entgegen der Darstellung der Berufung entsprach die Empfehlung der Beklagten dem Anlageziel und der Risikobereitschaft der in Kapitalanlagen nicht unerfahrenen Anlegerin.

Der empfohlene Kauf der Zertifikate mit einem Risikopuffer von 65 % steht in Einklang mit dem Risikoprofil der Klägerin, die in der Vergangenheit schon in erheblich r...

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