Leitsatz (amtlich)

1. Der Beitritt zu einem geschlossenen Immobilienfonds kann ein (widerrufliches) Haustürgeschäft sein.

2. Eine notarielle Beurkundung des Beitritts schließt einen Widerruf nicht aus, wenn die Bedingungen des Beitritts zuvor in einem vom Anleger zu unterzeichnenden „Eintrittsantrag” im einzelnen festgelegt worden waren und der anschließende Notartermin als bloße Formalität („Durchlauftermin”) angewickelt wird (teleologische Reduktion von § 1 Abs. 2 Nr. 3 HWiG)

3. Ist der Fondsbeitritt wegen Widerrufs nach dem HWiG unwirksam, erstreckt sich diese Unwirksamkeit auch auf einen Darlehensvertrag, der mit dem Beitritt eine wirtschaftliche Einheit bildet.

 

Verfahrensgang

LG Karlsruhe (Aktenzeichen 5 O 27/00)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 22.3.2001 – 5 O 27/00 – im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt geändert.

1. Die Beklagte wird verurteilt,

a) an die Kläger gemeinschaftlich – 6.570,90 Euro (entspricht 12.851,57 DM) nebst 4 % Zinsen hieraus seit 12.7.2000 zu zahlen,

b) die Ansprüche aus den bei der Lebensversicherung L unter den Vertragsnummern … bestehenden Kapitallebensversicherungen an die Kläger zurückzuübertragen, Zug um Zug gegen Abtretung der Ansprüche der Kläger gegen die Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungs-GbR (Fonds Nr. …).

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagten aus dem mit den Klägern geschlossenen Darlehensvertrag Nr. … vom 25.5.1994 keine Ansprüche mehr zustehen.

II. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die klagenden Eheleute traten im Jahre 1994 als Gesellschafter bürgerlichen Rechts einem geschlossenen Immobilienfonds bei. Zur Finanzierung der beiden Fondsanteile nahmen sie bei der Beklagten ein Darlehen auf. Im Juli 2000 kündigten sie ihre Gesellschaftsbeteiligung fristlos. Sie verlangen nunmehr von der Beklagten so gestellt zu werden, als wären sie der Gesellschaft nicht beigetreten.

Durch notariellen Vertrag vom 7.10.1993 gründeten die Wohnungsbaugesellschaft W (im folgenden: W) und K eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts unter der Bezeichnung „Grundstücks-, Vermögens- und Verwaltungs-GbR” mit der Maßgabe, dass dieser Gesellschaft weitere Gesellschafter beitreten konnten, die dann im Verhältnis ihrer Kapitalanlagen am Gesellschaftsvermögen beteiligt sein sollten. Bei dieser Gesellschaft handelt es sich um den geschlossenen Immobilienfonds … Nr. …, dessen Zweck der Erwerb, die wirtschaftliche Ausnutzung und Verwaltung des Grundstücks A (Bürogebäude) und der Grundstücke B und C (Seniorenwohnanlage) war.

Im März 1994 rief der selbstständige Anlagevermittler S (im folgenden Vermittler) unaufgefordert die Kläger an, um mit ihnen einen Beratungstermin über die Möglichkeiten steuersparender und rentabler Kapitalanlagen zu vereinbaren. Nach Terminvereinbarung erschien er wenige Tage später bei den Klägern und riet diesen zum Kauf zweier Anteile am Fonds Nr. … Am 30.4.1994 ließ er die Kläger in deren Wohnung einen Eintrittsantrag unterschreiben, in dem die Einzelheiten des Eintritts in die Fondsgesellschaft geregelt waren (Anlage B 3). Wenige Tage später – am 6.5.1994 – unterzeichneten die Kläger bei der Notarin X. eine notarielle Beitrittserklärung und verpflichteten sich, zwei Fondsanteile zum Preis von zusammen 61.300 DM zuzüglich Treuhand- und Notariatsgebühr zu erwerben. Am selben Tag legte der Vermittler den Klägern den Entwurf eines Darlehensvertrages mit der Beklagten über einen Betrag von 70.480 DM sowie Abtretungserklärungen für zwei Kapitallebensversicherungen und den Entwurf einer Erklärung über die Verpfändung der beiden Fondsanteile an die Beklagte vor. Die Kläger unterzeichneten in der Folgezeit sämtliche Urkunden, weshalb die Beklagte – in der Folge – den Nettodarlehensbetrag i.H.v. 63.462 DM ausbezahlte, und zwar unmittelbar an die Treuhänderin des Immobilienfonds … (im folgenden: F). Dies entsprach der Verpflichtung der Kläger, das Entgelt für ihren Beitritt an die Treuhänderin zu bezahlen. Die W als Gründungsgesellschafterin übernahm zugleich die Funktion einer Mietgarantin. Über ihr Vermögen wurde am 31.10.1997 das Konkursverfahren eröffnet.

Die Kläger haben vorgetragen, der Vermittler habe ihnen gegenüber erklärt, der Beitritt zu dem Fonds Nr. … stelle eine sichere Geldanlage ohne größere Risiken dar. Durch die Anlage könnten zum einen erhebliche Steuerersparnisse erzielt werden, zum anderen sei eine beträchtliche Wertsteigerung der Immobilie und – in der Folge – der Fondsanteile zu erwarten. Risiken im Zusammenhang mit einer derartigen Gesellschaftsbeteiligung im allgemeinen und mit einer Beteiligung am Fonds Nr. … im besonderen seien von de...

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