Verfahrensgang
LG Offenburg (Aktenzeichen 3 O 149/20) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Offenburg vom 11.11.2020, Az. 3 O 149/20, aufgehoben und wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten beider Instanzen zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klagepartei begehrt die Zahlung von Schadensersatz von der Beklagten im Zusammenhang mit dem sog. Dieselabgasskandal.
Der Kläger kaufte am 07.03.2014 bei einer Autohändlerin den PKW Skoda Superb Combi, 2.0 TDI zum Preis von 20.950,00 Euro und mit einer Laufleistung von 30.900 Kilometern (Anlage K 1). Der PKW ist mit einem Diesel-Motor des Typs EA 189, der von der Beklagten hergestellt wurde, ausgestattet. In Fahrzeugen mit diesem Motortyp war eine Software zur Steuerung des Motors installiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet, und bei Erkennen des Testlaufs für dessen Dauer eine erhöhte Abgasrückführung zur Verminderung der Emissionen aktiviert.
Die Beklagte informierte die breite Öffentlichkeit in Form von Pressemitteilungen ab Ende September 2015 darüber, dass der Motor EA 189 mit einer Abschalteinrichtung versehen sei, die vom Kraftfahrtbundesamt (KBA) als nicht ordnungsgemäß angesehen werde und daher zu entfernen sei. Auch durch das KBA wurde die Öffentlichkeit informiert. Zeitgleich war der sogenannten Dieselskandal Gegenstand einer sehr umfassenden Presseberichterstattung. Hinsichtlich der einzelnen Presseberichte wird Bezug genommen auf den Vortrag der Beklagten (AS I, 91 - 111; II 6 - 10) sowie des Klägers (AS I, 211 bis 237). Auch der Kläger hatte die Pressemeldungen zur Kenntnis genommen.
Die Beklagte hat vor dem Hintergrund des Bescheides des Kraftfahrtbundesamtes vom 15.10.2015 mit öffentlicher Erklärung vom 16.12.2015 die Umsetzung technischer Maßnahmen an von dem angeordneten Rückruf des KBA betroffenen Fahrzeugen angekündigt und bezogen auf Ansprüche, die im Zusammenhang mit der in Fahrzeugen mit dem Motortyp EA 189 eingebauten Software bestehen, auf die Erhebung der Einrede der Verjährung bis zum 31.12.2017 verzichtet und diesen Verjährungsverzicht auch auf derartige Ansprüche bezogen, soweit diese bereits verjährt sind (Anlage K 10; AS I, 23).
Nach Erhalt der Halterdaten informierte die S. A. D. GmbH - wie auch die Beklagte in Bezug auf die von ihr hergestellten Fahrzeuge - alle Halter und auch den Kläger mit Schreiben vom Februar 2016 darüber, dass "der in seinem Fahrzeug eingebaute Dieselmotor mit einer Software ausgestattet sei, durch die die Stickoxidwerte (NOx) im Vergleich zwischen Prüfstand (NEFZ) und realem Fahrbetrieb verschlechtert würden" sowie über die Entwicklung und den weiteren Zeitplan für die konkrete Zurverfügungstellung des Updates (AS I, 239; II, 8).
Der Kläger hat das Software-Update am 01.08.2017 installiert (AS I, 207).
Die Klageschrift datiert vom 02.05.2020, ist am 04.05.2020 beim Landgericht eingegangen und wurde der Beklagten am 09.07.2020 zugestellt.
Die Beklagte hat die Einrede der Verjährung erhoben.
Wegen der weitergehenden Sach- und Streitstandes, der in erster Instanz gestellten Anträge sowie der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Das Landgericht hat einen Schadensersatzanspruch angenommen und die Beklagte zur Rückzahlung des Kaufpreises abzüglich einer Nutzungsentschädigung nebst Zinsen Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des streitgegenständlichen PKW verurteilt. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger von den durch die Beauftragung seiner Prozessbevollmächtigten entstandenen vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten freizustellen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
Hiergegen richten sich die Berufung der Beklagten, mit der sie ihren erstinstanzlichen Antrag auf Klageabweisung weiterverfolgt.
Die Beklagte ist der Auffassung, dass Schadensersatzansprüch jedenfalls verjährt seien. Spätestens im Jahr 2016 habe der Kläger aufgrund des Informationsschreibens der Beklagten an alle Fahrzeughalter positive Kenntnis von der individuellen Betroffenheit seines Fahrzeugs vom Dieselskandal erhalten. Sich angesichts der persönlichen und auch finanziellen Bedeutung eines Fahrzeugs nicht mit der Betroffenheit auseinandergesetzt zu haben, obwohl die erforderlichen Informationen auf einfachstem Wege zu erlangen gewesen seien, lasse die erforderliche Sorgfalt in eigenen Angelegenheiten ersichtlich außer Acht und stelle sich damit als grobe Fahrlässigkeit dar (AS II, 13). Die Anwendung von § 852 BGB scheide aus, da sich ein erforderlicher wirtschaftlicher Schaden des Klägers vorliegend nicht feststellen lasse. Darüber hinaus könne sich der Kläger auf § 852 S. 1 BGB dann nicht berufen, wenn er sich als Verbraucher der Musterfeststellungsklage gegen die Beklagte vor dem Oberlandesgericht Braunschweig (Az. 4 MK 1/18) hätte anschließen können. Die Voraussetzungen des § 852 S. 1 BGB ...