Leitsatz (amtlich)
1. Auch wenn ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen den mündlichen Vertragsverhandlungen und der Vertragserklärung von § 1 Abs. 1 Nr. 1 HWiG nicht gefordert wird, kann bei zunehmendem zeitlichen Abstand die Indizwirkung für die Kausalität der situationsbedingten Beeinträchtigung der Willensentschließungsfreiheit entfallen.
2. Ein Kausalzusammenhang zwischen Kostensituation und Abschluss des Darlehensvertrages scheidet danach regelmäßig aus, wenn der Verbraucher den Darlehensvertrag etwa drei Wochen nach dem Erstkontakt in der Haustürsituation unterzeichnet und er zuvor bereits den Fondsbeitritt in notarieller Form erklärt hat.
3. Der Darlehensnehmer eines mit dem Anlagegeschäft gem. § 9 Abs. 1 VerbrKrG verbundenen Darlehensvertrages kann von der kreditgebenden Bank nur dann im Wege des Schadensersatzes verlangen, so gestellt zu werden, als wäre er den Fonds nicht beigetreten, wenn er durch den Fonds- und Kreditvermittler vorsätzlich (nicht notwendig arglistig) getäuscht worden ist (Interpretation von BGH, Urt. v. 25.4.2006 - XI ZR 106/05, BGHReport 2006, 912).
Normenkette
HWiG § 1 Abs. 1 Nr. 1; VerbrKrG § 9 Abs. 1
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 30.08.2005; Aktenzeichen 11 O 36/05) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten und auf die Anschlussberufung der Kläger wird unter Zurückweisung der weitergehenden Rechtsmittel das Urteil des LG Karlsruhe vom 30.8.2005 - 11 O 36/05 - im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt geändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Kläger 4.728,11 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.3.2005 zu bezahlen.
2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Von den Kosten des ersten Rechtszuges tragen die Beklagte 7 % und die Kläger 93 %. Die Kosten des Berufungsrechtszuges fallen den Klägern zur Last.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Zwangsvollstreckungsschuldner dürfen jeweils die Zwangsvollstreckung der Gläubiger gegen Sicherheitsleistung von 120 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Vollstreckungsgläubiger(in) vor Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils beizutreibenden Betrages leistet.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert für den Berufungsrechtszug beträgt 51.798,87 EUR.
Gründe
I. Die Parteien streiten um die Abwicklung eines Darlehens, mit dem die beklagte Bank den Beitritt der Kläger zu einem geschlossenen Immobilienfonds finanzierte.
Das von der Gründungsgesellschaft (WGS) und einem Mitgesellschafter initiierte und von diesen über eine Vertriebsgesellschaft auf den Markt gebrachte Anlagekonzept sah vor, dass die durch Anlagevermittler gewonnenen Anleger nach Abklärung ihrer finanziellen Verhältnisse ein notarielles Eintrittsangebot abgeben und sich die Mittel für ihre (auf ein Treuhandkonto der GbR zu leistende) Einlage durch ein Bankdarlehen beschaffen.
Die von einem Anlagevermittler geworbenen Kläger unterzeichneten am 16.11.1995 einen Eintrittsantrag für den Immobilienfonds Nr. 36 der W., betreffend zwei Immobilienobjekte in L.-E. und St./Sch. und ferner eine Selbstauskunft sowie einen Antrag auf Abschluss einer Kapitallebensversicherung. Mit notarieller Urkunde vom gleichen Tag erklärten die Kläger ggü. der GbR den Eintritt mit einer Kapitalbeteiligung von 61.300 DM. Die Darlehensanträge mit einer Gesamtdarlehenssumme von 70.480 DM (netto 63.432 DM), einem Nominalzinssatz von 7,98 % und einer Zinsbindungsfrist bis 1.11.2004 unterzeichneten die Kläger am 24.11.1995. Die Beklagte nahm die Anträge am 29.12.1995 an. Die Darlehensrückzahlung sollte zum 1.11.2014 durch die an die Beklagte abgetretene Lebensversicherung erfolgen. Die Beklagte zahlte vereinbarungsgemäß die Darlehensvaluta auf das Treuhand-Konto aus.
Die Kläger erbrachten vertragsgemäß Zinsleistungen in der Zeit von Dezember 1995 bis zum 30.3.2005 i.H.v. insgesamt 19.746,75 EUR. Sie machen Formnichtigkeit des Darlehensvertrags wegen Fehlens gesetzlich vorgeschriebener Mindestangaben nach Verbraucherkreditrecht sowie Einwendungen gegen die Darlehensverpflichtung aus dem Fondsbeitritt wegen arglistiger Täuschung geltend. Außerdem haben sie mit Schreiben vom 5.8.2004 ggü. der Beklagten "Widerruf des Darlehensvertrags" erklärt.
Mit der vorliegenden Klage verlangen die Kläger Rückzahlung der erbrachten Zinsleistungen nebst Verzugszinsen und Rückabtretung der Rechte aus der Lebensversicherung, jeweils Zug um Zug gegen Übertragung des erworbenen Gesellschaftsanteils und Abtretung ihrer Ansprüche gegen "sämtliche Gegner von Schadensersatzansprüchen", sowie die Feststellung, dass der Beklagten keine weiteren Forderungen aus dem Darlehen zustehen (Freistellung).
Das LG hat der Klage (bis auf einen Teil der Zahlungsforderung und den Feststellungs- bzw. Freistellungsanspruch) unter dem Gesichtspunkt der Formnichtigkeit des Darlehensvertrages gem. §§ 4, 6 VerbrKrG (in der bis zum 30.9.2000 geltenden Fassung) stattgegeben.
Die Beklagte wendet sich mit ihrer Berufung dagegen und verfolgt ihren erstinstanzlichen Antrag...