Entscheidungsstichwort (Thema)
Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Prozessvergleich
Leitsatz (amtlich)
Ein Prozessvergleich über den Ersatz von Verdienstausfall kann seine Geschäftsgrundlage mit dem Ende der Erwerbstätigkeit mit Vollendung des 65. Lebensjahres verlieren, wenn zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses die Erwartung der Parteien des Vergleichs bestand, der damals arbeitslose Geschädigte würde wie vor der Arbeitslosigkeit als Nichtselbständiger tätig.
Normenkette
BGB §§ 242, 252, 799
Verfahrensgang
LG Freiburg i. Br. (Aktenzeichen 6 O 363/99) |
Nachgehend
Tenor
1. Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des LG Freiburg vom 9.10.2000 wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Berufung zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung von 52.000 DM abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten. Die Sicherheit kann auch durch eine selbstschuldnerische, unwiderrufliche, unbedingte und unbefristete Bürgschaft eines im Inland als Zoll- und Steuerbürgen zugelassenen Kreditinstituts erbracht werden.
4. Die Beschwer des Beklagten übersteigt 60.000 DM.
Tatbestand
Die Klägerinnen begehren die Abänderung eines Prozessvergleichs über eine Schadensersatzrente und die Rückzahlung geleisteter und im Wege der Zwangsvollstreckung beigetriebener Zahlungen.
Der am 9.7.1933 geborene Beklagte war Bauingenieur von Beruf. Er wurde am 4.6.1976 bei einem Verkehrsunfall schwer verletzt. Der Beklagte hat die Klägerinnen – die Klägerin Ziff. 2 wohl als Fahrerin und die Klägerin Ziff. 1 als Haftpflichtversicherer – vor dem LG Freiburg (1 O 318/79) auf Schadensersatz in Anspruch genommen. Am 14.3.1980 wurde ein Teilvergleich (Anl. K 1) abgeschlossen und i.Ü. das Ruhen des Verfahrens angeordnet. In § 1 und 2 des Teilvergleichs haben sich die Parteien über den Ersatz der bis zum 31.12.79 entstandenen Schäden mit Ausnahme des Schmerzensgeldes geeinigt.
§ 3 des Teilvergleichs lautet:
„1. Die Parteien sind sich darüber einig, dass die Beklagten als Gesamtschuldner den am 1.1.1980 entstandenen und noch entstehenden Vermögensschaden des Klägers aus dem Verkehrsunfall vom 4.6.1976 in folgender Höhe zu erstatten haben:
a) 7/12 des durch die Körperverletzung bedingten Schadens, einschließlich des Verdienstausfallschadens,
b) 2/3 des übrigen Schadens.
2. Der ab 1.1.1980 zu ersetzende Verdienstausfallschaden bei 100%iger Erwerbsunfähigkeit wird übereinstimmend auf monatlich 2529,30 DM netto festgesetzt, abzüglich der insoweit auf die öffentlichen Versicherungsträger übergegangenen und übergehenden Ersatzansprüche. Neben diesem Nettobetrag haben die Beklagten als Gesamtschuldner insbesondere die auf die Ersatzleistung entfallende Einkommens- und Kirchensteuer sowie evtl. künftig entstehende Sozialversicherungsbeiträge zu erstatten. Der Kläger kann die Zustimmung der Beklagten verlangen, dass der zu ersetzende Verdienstausfallschaden entsprechend den Rentenanpassungen in der gesetzlichen Rentenversicherung für Angestellte erhöht wird.
3. Der Kläger verpflichtet sich, den Beklagten Auskunft über alle Umstände zu erteilen, die auf die Höhe des Verdienstausfallschadens Einfluss haben könnten, insbesondere über Änderungen seiner Erwerbsfähigkeit und der Rentenzahlung aus der gesetzlichen Rentenversicherung sowie über ausgeübte Erwerbstätigkeiten. Der Kläger verpflichtet sich weiter, auf Verlangen der Beklagten im Rahmen der Zumutbarkeit sich mindestens einmal jährlich einer ärztlichen Untersuchung über seine Erwerbsunfähigkeit zu unterziehen und die Ärzte insoweit von der ärztlichen Schweigepflicht gegenüber den Beklagten zu entbinden, wobei dem Kläger ein vollständiger Untersuchungsbericht zu übermitteln ist und sämtliche Kosten von den Beklagten zu tragen sind.”
§ 4 Abs. 1 lautet wie folgt:
„Mit der gerichtlichen Protokollierung dieses Vergleichs wird der anhängige Rechtsstreit erledigt mit Ausnahme des vom Kläger begehrten, über 30.000 DM hinausgehenden Schmerzensgeldanspruches.”
Der Beklagte hatte als angestellter Bauingenieur gearbeitet und war seit Januar 1976 arbeitslos gewesen. Die Parteien waren zu dem in § 3 Ziff. 2 des Teilvergleichs genannten Betrag von 2.528,30 DM gelangt, indem sie – bei einem Streit über die Höhe des künftigen Erwerbsschadens – einen Verdienstausfallschaden von 4.334,23 DM netto zugrunde gelegt hatten (4.334,23 DM × 7/12 = 2.528,30 DM).
Am 24.10.1980 schlossen die Klägerin Ziff. 1 und der Beklagte einen außergerichtlichen Vergleich über eine zusätzliche Schmerzensgeldzahlung und vereinbarten, dass damit das Verfahren vor dem LG Freiburg erledigt sei und nicht wieder angerufen werde.
Unter Anrechnung der Erwerbsunfähigkeitsrente, die der Beklagte bezog, hat die Klägerin Ziff. 1 ab 1.1.1980 monatlich 1.502,30 DM und – nach jährlichen Anpassungen entsprechend den Erhöhungen in der gesetzlichen Rentenversicherung – zuletzt 2.425,31 DM im Monat an den B...