Leitsatz (amtlich)
Keine Haftung der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder wegen Pflichtverletzung aus dem Versicherungsvertrag für eine zwar fehlerhafte, jedoch auf unverschuldetem Rechtsirrtum beruhende Startgutschrift (hier: Umsetzung von Tarifrecht).
Normenkette
BGB §§ 276, 280 Abs. 1 S. 2, § 286 Abs. 4
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 14.09.2007; Aktenzeichen 6 O 230/06) |
Tenor
1. Auf die Berufungen beider Parteien wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 14.9.2007 - 6 O 230/06 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Es wird festgestellt, dass die von der Beklagten gemäß ihrer Satzung erteilte Startgutschrift den Wert der von dem Kläger bis zum 31.12.2001 erlangten Anwartschaft auf eine bei Eintritt des Versicherungsfalles zu leistende Betriebsrente nicht verbindlich festlegt und die hierauf beruhende Betriebsrentenmitteilung unverbindlich ist.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehenden Berufungen werden zurückgewiesen.
3. Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Zwangsvollstreckung kann durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrages abgewendet werden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger beanstandet die ihm von der Beklagten auf der Grundlage ihrer neu gefassten Satzung mitgeteilte Startgutschrift.
Die beklagte Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zahlt Versicherten im öffentlichen Dienst eine Zusatzrente, mit der die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aufgestockt wird. Mit Ablauf des 31.12.2001 hat die Beklagte ihr Zusatzversorgungssystem umgestellt von einer an der Beamtenversorgung orientierten Gesamtversorgung auf ein auf die Verzinsung von Beiträgen ausgerichtetes Punktemodell. Danach errechnet sich die bei Eintritt des Versicherungsfalls zu leistende Betriebsrente aus der Summe der erworbenen Versorgungspunkte.
Der Systemwechsel beruht auf einer Einigung der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im Tarifvertrag Altersversorgung vom 1.3.2002 (ATV). Die Tarifregelungen hat die VBL durch eine Neufassung ihrer Satzung (VBLS) rückwirkend zum 1.1.2002 umgesetzt. Die neue Satzung enthält auch Übergangsregelungen für die bereits Rentenberechtigten (§§ 75 - 77 VBLS) sowie Regelungen zu den Rentenanwartschaften der über den Umstellungsstichtag hinaus bei ihr pflichtversicherten Arbeitnehmer (Rentenanwärter - §§ 78 ff. VBLS). Die Anwartschaften werden wertmäßig festgestellt und als sog. Startgutschriften auf die neuen Versorgungskonten übertragen. Dabei wird unterschieden zwischen rentennahen Jahrgängen (die am 1.1.2002 das 55. Lebensjahr vollendet haben und nicht dem Tarifgebiet Ost unterliegen) und den übrigen, sog. rentenfernen Jahrgängen. Die Anwartschaften der ca. 200.000 rentennahen Versicherten werden weitgehend nach dem alten Satzungsrecht ermittelt und übertragen. Die Anwartschaften der ca. 1,7 Millionen Rentenfernen berechnen sich gem. § 79 Abs. 1 Satz 1 VBLS nach § 18 Abs. 2 BetrAVG. § 18 Abs. 2 BetrAVG in der hier maßgeblichen, am 1.1.2001 in Kraft getretenen Fassung enthält Regelungen zur Höhe betrieblicher Versorgungsrentenanwartschaften für Arbeitnehmer, die vor Eintritt des Versorgungsfalles aus einem Arbeitsverhältnis im öffentlichen Dienst ausgeschieden sind.
Der 1968 geborene Kläger gehört zu den rentenfernen Jahrgängen. In der Mitteilung vom 15.10.2002 hat die Beklagte die Rentenanwartschaft des Klägers zum 31.12.2001 auf 183,48 EUR beziffert und ihm dementsprechend eine Startgutschrift von 45,87 Versorgungspunkten erteilt. Der Kläger erhält gemäß Rentenbescheid der BfA vom 29.11.2004 eine (befristete) Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung. Gemäß Mitteilung vom 16.2.2005 erhält der Kläger von der Beklagten seit 1.1.2005 eine Betriebsrente i.H.v. 203,98 EUR brutto. Bei der Berechnung hat die Beklagte die Betriebsrente gem. § 35 Abs. 3 VBLS wegen vorzeitiger in Anspruchnahme um 10,8 EUR herabgesetzt.
Wegen der weiteren tatsächlichen Feststellungen, insbesondere auch zur näheren Ausgestaltung des alten und des neuen Versorgungssystems und der Übergangsvorschriften, wird auf das Urteil des LG Bezug genommen.
Das LG hat die Anträge des Klägers bei Klagabweisung im Übrigen wie folgt verbeschieden:...
Nach Auffassung des LG durften die Tarifvertragsparteien und die Beklagte in ihrer Satzung den Systemwechsel ohne Zustimmung der Versicherten umsetzen und die bisher erdienten Anwartschaften in das neue System transferieren. Jedoch werde - auch bei wie hier rentenfernen Versicherten - in unzulässiger Weise in bestehende Rentenanwartschaften eingegriffen. Inwieweit Eingriffe in Versorgungsanwartschaften zulässig seien, beurteile sich nach der in der Rechtsprechung des BAG entwickelten Dreistufentheorie. Zum erdienten Besitzstand einer Versorgungsrentenanwartschaft gehöre auch eine künftige Wertsteigerung infolge eine...