Leitsatz (amtlich)
Der Abschluss einer Kostenausgleichsvereinbarung im Rahmen eines "Nettopolicenmodells" kann in einer bestimmten Ausgestaltung durch Umgehung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen und daher nichtig sein (§ 134 BGB).
Zur Frage der Intransparenz von Kostenausgleichsvereinbarungen im Rahmen eines vom Versicherer angebotenen "Nettopolicenmodells".
Im Rahmen der pflichtgemäßen Beratung (§§ 6, 61 VVG) ist der Versicherungsinteressent vor Vertragsschluss ausführlich und nachvollziehbar über die Unterschiede zwischen Brutto- und Nettopolicen und die aus einer Kostenausgleichsvereinbarung folgende Schlechterstellung des Versicherungsnehmers im Fall eines Frühstornos aufzuklären.
Normenkette
BGB §§ 134, 307; VVG §§ 6, 61, 169
Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 10.05.2013; Aktenzeichen 10 O 29/13) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 10.5.2013 - 10 O 29/13 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
4. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin, ein in Liechtenstein ansässiger Lebensversicherer, verlangt von der Beklagten restliche Zahlung aus einer sog. Kostenausgleichsvereinbarung.
Die Beklagte beantragte am 13.9.2011 bei der Klägerin eine fondsgebundene Rentenversicherung und - in einem gesonderten Vordruck - den Abschluss einer "Kostenausgleichsvereinbarung". Der Antrag auf fondsgebundene Rentenversicherung sieht die Zahlung eines monatlichen Beitrags von EUR 200 vor. Die entsprechende Regelung im Versicherungsantrag enthält folgenden Zusatz:
"In den ersten 60 Monaten wird der Versicherungsbeitrag um die monatliche Teilzahlung der Abschluss- und Einrichtungskosten (s. Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung) reduziert."
Der "Antrag auf Fondsgebundene Rentenversicherung" enthält zugleich eine formularmäßige Beratungsdokumentation. Zu den darin u.a. enthaltenen Sätzen: "Ich habe verstanden, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten separat vom Versicherungsvertrag getilgt werden. Diese Kosten sind auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu bezahlen." ist "nein" angekreuzt. In einem gesondert angefertigten Beratungsprotokoll heißt es zur Produktempfehlung "Prisma Rent" als Begründung "Kostentransparenz, Renditen stark".
Der "Antrag auf Kostenausgleichsvereinbarung" sieht vor, dass die Abschluss- und Einrichtungskosten von zusammen EUR 6.720 in monatlichen Teilzahlungen erbracht werden. Er enthält vor dem Unterschriftsfeld den Hinweis, dass der Antragstellerin bekannt sei, dass sie die "Kostenausgleichsvereinbarung nicht kündigen" könne. Im Abschnitt "Tilgungsplan" enthält der Antrag außerdem den Hinweis, dass die Auflösung des Versicherungsvertrags "grundsätzlich nicht zur Beendigung dieser Kostenausgleichsvereinbarung" führe, sondern die Kosten auch im Falle einer Beitragsfreistellung oder Kündigung des Versicherungsvertrages zu bezahlen seien. Die "Bedingungen für die Kostenausgleichsvereinbarung" sehen u.a. vor (§ 2), dass die Klägerin den restlichen Gesamtbetrag fällig stellen kann, wenn der Versicherungsnehmer mit einem dort näher bestimmten Teil der Zahlungen in Verzug ist.
Die Beklagte entrichtete zunächst die vereinbarten Raten, stellte dann aber ab dem 30.4.2012 die Zahlungen auf die Kostenausgleichsvereinbarung ein. Mit Schreiben ihrer Rechtsanwälte vom 25.4.2012 ließ sie hinsichtlich des Versicherungsvertrags sowie der korrespondierenden Kostenausgleichsvereinbarung einen Widerruf erklären. Sie erklärte außerdem die Anfechtung der Verträge wegen arglistiger Täuschung und kündigte diese mit sofortiger Wirkung.
Die Klägerin mahnte die Beklagte mit Schreiben vom 20.7.2012 zum Ausgleich der rückständigen Beträge auf die Kostenausgleichsvereinbarung. Mit Schreiben vom 22.8.2012 stellte sie den gesamten ausstehenden Restbetrag von EUR 5.197,47 sofort fällig.
Die Klägerin hat die Abschluss- und Einrichtungskosten von EUR 6.720 abzgl. des Rückkaufswerts der Lebensversicherung von EUR 307,93 sowie der sieben Teilzahlungen i.H.v. je EUR 112 verlangt, von denen nach Abzinsung zuletzt EUR 5.197,47 Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens waren.
Die Klägerin hat behauptet, das Risikoprofil und das Beratungsprotokoll seien vom Vermittler Kadrija ordnungsgemäß angefertigt worden. Die Beklagte habe alle notwendigen Unterlagen leserlich erhalten und insbesondere eine Versicherungsdauer von 40 Jahren gewünscht.
Die Klägerin ist der Auffassung, dass die Kostenausgleichsvereinbarung nicht nach den §§ 8, 152 VVG widerruflich sei, so dass die Widerrufsbelehrung nicht dem Versicherungsvertragsgesetz zu entsprechen brauche und der Wider...