Leitsatz (amtlich)
Grob fahrlässige Herbeiführung des Versicherungsfalls in objektiver und subjektiver Hinsicht kann bereits dann vorliegen, wenn der Versicherungsnehmer 5 Stunden nach Trinkende mit einer Blutalkoholkonzentration von 0,65 ‰ mit seinem PKW von der Fahrbahn abkommt.
Normenkette
VVG § 61
Verfahrensgang
LG Konstanz (Aktenzeichen 4 O 532/00) |
Tenor
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Einzelrichters der 4. Zivilkammer des LG Konstanz vom 27.7.2001 wird zurückgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Von der Darstellung des Tatbestandes wird gem. § 543 Abs. 1 ZPO a.F. abgesehen.
Gründe
Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet, weil der Kläger den Verkehrsunfall im Zustand relativer Fahruntüchtigkeit und sowohl in objektiver wie auch in subjektiver Hinsicht in grob fahrlässiger Weise herbeigeführt hat.
1. Gemäß § 61 VVG ist der Versicherer von der Verpflichtung zur Leistung frei, wenn der Versicherungsnehmer den Versicherungsfall vorsätzlich oder durch grobe Fahrlässigkeit herbeigeführt hat. Grobe Fahrlässigkeit i.S.d. § 61 VVG bezeichnet – wie auch sonst – einen erhöhten, schweren Grad fahrlässigen Fehlverhaltens. Sie setzt objektiv einen besonders groben, über das gewöhnliche Maß hinausgehenden Verstoß gegen Sorgfalts- und Verkehrspflichten und auch subjektiv ein in besonderer Weise vorwerfbares Verhalten, also ein beträchtliches und erhebliches schuldhaftes Versagen ggü. den zu stellenden Anforderungen an die Achtsamkeit und Sorgfalt voraus (OLG Karlsruhe v. 27.5.1982 – 12 U 166/81, VersR 1983, 292). Die Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des § 61 VVG sowohl für einen in objektiver wie in subjektiver Hinsicht grob fahrlässigen Verstoß wie auch für dessen Ursächlichkeit in Bezug auf den Eintritt des Versicherungsfalles obliegt der Versicherung (OLG Karlsruhe v. 27.5.1982 – 12 U 166/81, VersR 1983, 292).
a) Der Kläger hat den Unfall in alkoholisiertem Zustand verursacht. Das LG hat – sachverständig beraten – eine Blutalkoholkonzentration von 0,65 ‰ für den Unfallzeitpunkt festgestellt. Damit war er allerdings noch nicht absolut fahruntüchtig. Dieser Zustand ist erst ab einer BAK von 1,1 ‰ erreicht. Bei einer solchen Alkoholisierung steht unwiderleglich fest, dass der Fahrzeugführer infolge des Genusses alkoholischer Getränke nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen (§ 316 Abs. 1 StGB). Unterhalb dieses Alkoholisierungsgrades beginnt der Bereich der sog. relativen Fahruntüchtigkeit. Diese ist im Einzelfall konkret festzustellen.
b) Relative Fahruntüchtigkeit kann sich aus einem alkoholtypischen Fahrfehler oder auch aus sonstigen alkoholbedingten Ausfallerscheinungen ergeben, die im Blutentnahmeprotokoll festgehalten sind (Stiefel/Hofmann, Kraftfahrtversicherung, AKB-Kommentar, 17. Aufl., § 61 VVG Rz. 35).
Eine solche alkoholtypische Fehlleistung beim Steuern des Kraftfahrzeugs hat das LG zutreffend festgestellt. Der Senat nimmt insoweit Bezug auf die Entscheidungsgründe der angefochtenen Entscheidung. Entgegen der Auffassung des Klägers spricht das Ergebnis des Dekra-Gutachtens (dort S. 8), wonach die Unfallursache in einem Fahrfehler lag, nicht gegen die Annahme relativer Fahruntüchtigkeit. Der Sachverständige hatte eine technische Überprüfung des Unfallfahrzeugs durchzuführen (S. 2 des Gutachtens). Das Ergebnis seiner Untersuchungen war, dass keine Mängel des Fahrzeugs festzustellen waren, die für den Unfall hätten ursächlich oder mitursächlich sein können. Durch das Gutachten ist damit lediglich bewiesen, dass der Unfall auf einem Fehlverhalten des Klägers beruht.
Darüber hinausgehend hat der Sachverständige festgestellt, dass die Fahrbahn an dieser Stelle recht schmal sei, deshalb eine geringe Unaufmerksamkeit mit anschließender Fahrbewegung nach rechts ausreiche, um von der Fahrbahn abzukommen. Als Unfallursache kommt jedoch auch in Betracht, dass der Kläger die langgezogene Linkskurve mit einer in der konkreten Situation überhöhten Geschwindigkeit befahren hat. Andere Ursachen als die beiden genannten scheiden allerdings aus. Für beide Fälle ist der Senat davon überzeugt, dass es sich um alkoholtypische Fahrfehler handelt. Nicht entscheidend kommt es dabei darauf an, ob auch nicht unter Alkoholeinfluss stehende Fahrzeugführer an dieser Stelle verunfallen. Maßgeblich ist vielmehr, ob der Kläger in nüchternem Zustand die Verkehrssituation gemeistert hätte. Daran besteht kein Zweifel. Der Kläger verfügt seit 1984 über eine Fahrerlaubnis und ist seit 1990 selbstständiger Bauunternehmer; dieser Beruf bringt höhere Jahreskilometerleistungen mit sich. Damit hatte er – wie in der mündlichen Verhandlung mit den Parteien erörtert worden ist – zum Unfallzeitpunkt große Fahrpraxis. Dennoch ist er bei trockener Fahrbahn und guten Lichtverhältnissen – es war taghell – in einer langgestreckten Linkskurve von der Fahrbahn abgekommen. Folglich ist der Kläger entweder aus alkoholbedingter Enthemmung und...