Leitsatz (amtlich)
Es kann offen bleiben, ob der Auftragnehmer eines Depotverwaltungsvertrages ebenso wie der Verkäufer von Aktienfonds (BGHZ 170, 226) nicht nur auf die Tatsache, sondern auch auf die Höhe bzw. Größenordnung von Rückvergütungen hinweisen muss, die er von Dritten erhält. Hat der Auftragnehmer vor Erlass dieser Entscheidung, die am 19.12.2006 erging, auf mögliche Rückvergütungen von Transaktionsgebühren hingewiesen, ausdrücklich über die daraus für den Anleger folgende Gefahr aufgeklärt und angeboten, dem Anleger die Gebührenhöhe auf Anfrage mitzuteilen, hat er eine etwaige Pflicht jedenfalls nicht schuldhaft verletzt.
Der Auftraggeber kann sich nicht darauf berufen, er hätte den Depotverwaltungsvertrag nicht abgeschlossen, wenn er gewusst hätte, dass sich der Auftragnehmer durch die Nichtangabe der Gebührenhöhe "gesetzwidrig" verhalten habe.
Normenkette
BGB §§ 276, 311, 675
Verfahrensgang
LG Heidelberg (Urteil vom 31.07.2008; Aktenzeichen 3 O 98/08) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Heidelberg vom 31.7.2008 - 3 O 98/08 - im Kostenpunkt aufgehoben und im Übrigen geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Berufung der Klägerin wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I. Die Klägerin macht Schadensersatz aus vier mit der Beklagten geschlossenen Vermögensverwaltungsverträgen geltend.
Die Klägerin schloss mit der Beklagten unter dem 1.4.2005, unter dem 25.7.2005, unter dem 10.8.2005 und unter den 4.9.2006 insgesamt vier "Depotverwaltungsverträge". In den in die jeweiligen Vertragsformulare eingegliederten Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten wird an je nach Fassung der AGB unterschiedlichen Stellen die Frage von Gebührenrückvergütungen behandelt, die die Beklagte von Dritten, z.B. den kontenführenden Instituten, erhält. In dem Vertrag vom 1.4.2005 heißt es unter Ziff. 6.5, dass diese Rückvergütung "bis zu 100 %" der von Dritten dem Auftraggeber in Rechnung gestellten Vergütungen betragen könne. In den übrigen Verträgen ist angegeben, diese Rückvergütung könne den "überwiegenden Teil" der von Dritten dem Auftraggeber in Rechnung gestellten Vergütungen ausmachen. In allen Verträgen heißt es ferner, Einzelheiten von Gebührenrückvergütungsvereinbarungen könne der Auftraggeber bei dem Depotverwalter anfragen. Ferner enthalten alle Verträge durch Einrahmung und Fettdruck hervorgehobene "Risikohinweise". In diesen heißt es u.a.:
"Aufgrund der auftragsbezogenen Vergütung des Depotverwalters und der möglichen Gebührenrückvergütungen besteht, da die Vergütung bei jedem Handel anfällt, eine Interessenkollision. Wird eine hohe Anzahl von Vermögensanlagen für den Auftraggeber durchgeführt, führt dies zu einer entsprechenden Kostenbelastung zugunsten des Depotverwalters. Der Depotverwalter hat hier ein Interesse am möglichst häufigen Handel, der gegen die Interessen des Auftraggebers sein könnte."
An anderer Stelle der "Risikohinweise" heißt es:
"Es handelt sich bei den Geschäften, die der Depotverwalter für den Auftraggeber vornehmen wird, um spekulative Vermögensanlagen und insbesondere hochspekulative Aktien in Nebenwerten und Rohstoffaktien. Diese Form der Anlage beinhaltet erhebliche Risiken einschließlich eines Totalverlustes."
Die Klägerin nahm auf die Depotverwaltungsverträge folgende Einzahlungen vor:
...
Die Gesamtsumme betrug insgesamt somit mindestens 173.959,83 EUR.
Die Klägerin hat vorgebracht, der Anlagevermittler und Beauftragte der Beklagten X habe mit der Klägerin die Vermögensverwaltungsverträge nicht durchgesprochen. Er habe ggü. der Klägerin lediglich klargestellt, dass in Rohstoffwerte investiert werde. Aufgrund der weltweiten erhöhte Nachfrage seien für Rohstoffwerte Kurssteigerungen zu erwarten. Das Risiko eines Totalverlusts habe er verneint. Er habe gesagt, dass dieses theoretisch eintreten könne, aber praktisch ausgeschlossen sei. Er könne sich dies nicht vorstellen, und die Klägerin solle sich hierüber keine Gedanken machen.
Die Klägerin habe keine Auskunft darüber erhalten, in welcher genauen Höhe die Beklagte Rückvergütungen von der Klägerin in Rechnung gestellten Entgelten anderer Leistungserbringer vereinnahme. Auf spätere Nachfrage der Klägerin hin hätten X und der Ehemann der Geschäftsführerin der Beklagten erklärt, dass die Rückvergütungszahlungen sehr gering seien. Es handle sich um kleine Beträge, die sich Cent - Bereich bewegten. Diese würden nicht ins Gewicht fallen.
Die Beklagte habe daher ihre Pflichten verletzt, da sie das Verlustrisiko verharmlost und entgegen der Rechtsprechung des BGH (Urt. v. 19.12.2006 - XI ZR 56/05) nicht über die Höhe der Rückvergütungen aufgeklärt ha...