Entscheidungsstichwort (Thema)

Verjährungshemmung durch Anmeldung zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage

 

Leitsatz (amtlich)

Es begründet ohne das Vorliegen besonderer Umstände keinen Rechtsmissbrauch, wenn sich ein Antragsteller zum Zwecke der Verjährungshemmung zum Klageregister einer Musterfeststellungsklage anmeldet.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klagepartei wird das Urteil des Landgerichts Freiburg im Breisgau (2 O 126/19) vom 18.10.2019 im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klagepartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeuges VW Tiguan 2.0 TDI (Fahrzeugidentifikationsnummer: ...) mittels der vom Kraftfahrt-Bundesamt mit Bescheid vom 15.10.2015 als unzulässig beanstandeten Abschalteinrichtung resultieren.

2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitergehende Berufung der Klagepartei wird zurückgewiesen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

IV. Das Urteil und die angefochtene Entscheidung sind vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung der Klagepartei abwenden durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund der Urteile jeweils vollstreckbaren Betrags, wenn nicht die Klagepartei Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Die Klagepartei begehrt die Feststellung der Haftung der Beklagten wegen eines von ihr hergestellten Fahrzeuges im Zusammenhang mit dem sog. Dieselabgasskandal.

Am 17.11.2014 erwarb die Klagepartei bei einer Autohändlerin einen neuen Pkw der Marke VW, Typ Tiguan Sport & Style 4Motion BM Techn. 2,0 l TDI 130 kw (177 PS) für 35.900,00 Euro brutto einschließlich Überführungskosten von 462,19 Euro und Zulassungsbescheinigung II von 6,67 Euro (netto) (Anlage K 1).

In den Fahrzeugen des streitigen Typs war - beginnend im Laufe des Jahres 2008 - eine Software zur Steuerung des Motors installiert, die erkennt, ob sich das Fahrzeug im Testlauf unter Laborbedingungen oder im normalen Straßenverkehr befindet. Während im Testlauf die Motorsteuerung dergestalt erfolgt, dass mittels einer Abgasrückführung die Abgase zusätzlich gereinigt werden und die Emissionsgrenzwerte entsprechend der genannten Verordnung eingehalten werden (Abgasrückführungsmodus 1), ist im Betriebsmodus des normalen Straßenverkehrs der Abgasrückführungsmodus 0 aktiv, in dem keine oder eine deutlich geringere Abgasrückführung stattfindet.

Im September 2015 räumte die Beklagte öffentlich die Verwendung einer entsprechenden Software ein. Unter dem 15. Oktober 2015 erging gegen sie ein bestandskräftiger Bescheid des Kraftfahrt-Bundesamts (KBA) mit nachträglichen Nebenbestimmungen zur Typgenehmigung. Das KBA ging vom Vorliegen einer unzulässigen Abschalteinrichtung aus und gab der Beklagten auf, diese zu beseitigen und die Einhaltung der maßgeblichen Grenzwerte anderweitig zu gewährleisten. Die Beklagte hat den Haltern von betroffenen Fahrzeugen das Aufspielen eines Software-Updates angeboten, mit denen die Software entfernt werden sollte.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlichen Feststellungen wird auf das angefochtene Urteil nebst Berichtigungsbeschluss vom 03.12.2019 (AS. I 387) Bezug genommen.

Die Klagepartei hat sich mit beim Bundesamt für Justiz eingegangener E-Mail vom 18.12.2018 in das Klageregister zur Musterfeststellungsklage des Oberlandesgerichts Braunschweig, 4 MK 1/18, angemeldet (Anlagen R 01, 02). Mit E-Mail vom 26.03.2019 haben die Prozessbevollmächtigten der Klagepartei die Anmeldung zum Klageregister zurückgenommen (Anlage R 03). Mit Schreiben vom 22.05.2019 hat das Bundesamt für Justiz die Anmeldedaten der Klagepartei korrigiert (Anlage R 04).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, die Klagepartei habe nicht nachgewiesen, die vor Klageerhebung erfolgte Anmeldung zum Klageregister für Musterfeststellungsklagen gemäß Schreiben des Bundesamts für Justiz vom 22.05.2019 wirksam zurückgenommen zu haben. Die Klage sei daher unzulässig, § 610 Abs. 3 ZPO.

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klagepartei, mit der sie die Feststellung der Haftung der Beklagten und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten weiterverfolgt. Zur Begründung trägt sie vor, das Landgericht habe übersehen, dass sie am 03.06.2019 auch die Rücknahme der Anmeldung zu dem vom Bundesamt für Justiz korrigierten Geschäftszeichen erklärt und durch Vorlage entsprechender Kopien nachgewiesen habe (Anlage R 05, KB 1, KB 2). Bei zutreffender Prüfung hätte das Landgericht die Beklagte, auch hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten, verurteilt.

Die Klagepartei beantragt:

Das Urteil des LG Freiburg im Breisgau vom 18.10.2019, 2 O 126/19, wird aufgehoben und der Rechtstreit an das LG Freiburg im Breisgau zurückverwiesen.

Hilfsweise für den Fall, dass eine Zurückverweisung nicht in Betracht kommt, beantragen wir:

Das U...

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