Verfahrensgang
LG Karlsruhe (Urteil vom 22.06.2006; Aktenzeichen 14 O 70/05 KfH IM) |
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des LG Karlsruhe vom 22.6.2006 - 14 O 70/05 KfH III - im Kostenpunkt aufgehoben und im übrigen wie folgt abgeändert:
Der Beklagten wird es bei Meidung eines Ordnungsgeldes von bis zu 250.000 EUR, ersatzweise Ordnungshaft, oder einer Ordnungshaft von bis zu sechs Monaten, zu vollziehen an den Geschäftsführern der Beklagten, untersagt, im geschäftlichen Verkehr für das verschreibungspflichtige Arzneimittel "S" außerhalb der Fachkreise zu werben, wenn dies geschieht durch die Veröffentlichung der auf S. 6 und 7 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Anzeigen "Können Kassenpatienten wirklich auf S. verzichten?".
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger 4/5, die Beklagte 1/5.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung hisichtlich Ziff. 1 gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 50.000 EUR abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Im Übrigen können die Parteien die Vollstreckung jeweils gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des aus dem Urteil vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Gegenseite zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
5. Die Revision wird zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger ist ein eingetragener Verein, dessen satzungsmäßige Aufgabe die Wahrung der gewerblichen Interessen seiner Mitglieder sowie die Einhaltung der Regeln des lauteren Wettbewerbs ist. Er ist gem. § 1 Ziff. 4 Unterlassungsklageverordnung als branchenübergreifend und überregional tätiger Wettbewerbsverband i.S.v. § 13 Abs. 5 Nr. 2 UKIaG festgestellt. Im Streitfall nimmt er die Beklagte, ein Unternehmen der Pharmabranche, unter verschiedenen Gesichtspunkten auf Unterlassung der Veröffentlichung einer im Klagantrag näher bezeichneten Anzeige in Anspruch.
Die Beklagte produziert und vertreibt ein versehreibungspflichtiges, zur Behandlung der primären Hypercholesterinämie zugelassenes, patentgeschütztes Arzneimittel unter der Bezeichnung "S". Das Arzneimittel enthält den Wirkstoff Ator-vastatin, der - ähnlich wie die Wirkstoffe Fluvastatin, Pravastatin, Simvastatin und Lovastatin - die HMG-CoA-Reduktase hemmt und auf diese Weise das LDL-Cholesterin senkt. Am 20.7.2004 beschloss der gemeinsame Bundesaus-schuss gem. den §§ 35 Abs. 1 Satz 1, 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 SGB V, die Arzneimittel-Richtlinien um eine Festbetragsgruppe mit HMG-CoA-Reduktasehemmern zu ergänzen, in die sämtliche oben genannten Wirkstoffe aufgenommen wurden. In der Beschlussbegründung wurde ausgeführt, dass kein Zweifel daran bestehe, dass sich die verschiedenen Statine in vielerlei Hinsicht voneinander unterschieden und von einer gegenseitigen beliebigen Austauschbarkeit nicht ausgegangen werden könne. Atorvastatin senke stärker und schneller als andere Statine das LDL-Cholesterin und damit das Risiko bestimmter kardiovaskulärer Ereignisse. Zugleich wurde jedoch festgestellt, dass dies keine therapeutische Verbesserung bedeute. Wegen der Einzelheiten wird auf die Beschlussbegründung (B 7, insbesondere deren Seiten 26 ff., 44) Bezug genommen. Am 29.10.2005 setzten die Spitzenverbände der Krankenkassen gem. § 35 Abs. 3 SGB V für die Gruppe der HyG-CoA-Reduktasehemmer mit Wirkung ab 1.1.2005 einen Festbetrag fest.
In einer Pressemitteilung vom 8.11.2004 (B 11) kritisierte die Beklagte die Festsetzung eines Festbetrages für S.. S. sei eine therapeutische Verbesserung und dürfe nach dem Gesetz, das Innovationen schütze, nicht unter einen Festbetrag fallen. Zugleich kündigte sie an, S. auch bei einem Inkrafttreten des Festbetrags zu unveränderten Preisen anzubieten, mit der Folge, dass Kassenpatienten, die mit dem Präparat behandelt würden, eine Zuzahlung leisten müss-ten. In einer gemeinsamen Presseerklärung vom 8.11.2004 (B 14) reagierten der gemeinsame Bundesausschuss, das Bundesministerium für Gesundheit und soziale Sicherung, die Spitzenverbände der gesetzlichen Krankenkassen und die kassenärztliche Bundesvereinigung auf die Ankündigung der "Firma P ...,... den Preis des Cholesterinsenkers S. mit dem Wirkstoff Atorvastatin nicht auf den von den Kassen zu erstattenden Festbetrag" zu senken. Sie warfen der Beklagten vor, Patienten zu verunsichern und riefen Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung, die eine Zuzahlung für das Medikament S. vermeiden wollten, auf, mit ihrem Arzt über den Wechsel auf ein anderes, gleichwertiges Präparat zu sprechen. Es stehe eine große Auswahl an therapeutisch vergleichbaren Produkten zur Verfügung, die nicht teurer als der Festbetrag seien. Der gemeinsame Bundesausschuss habe die verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse sorgfältig aufbereitet und sei zu der Auffassung gelangt, dass alle Wirkstoffe der Klasse der Statine therapeutisch vergleichbar, zwe...