Entscheidungsstichwort (Thema)
Festsetzung von Gutachterkosten trotz Ablehnung eines materiellen Erstattungsanspruchs
Leitsatz (amtlich)
1. Die erfolglose klageweise Geltendmachung eines materiellen Kostenerstattungsanspruchs steht der Festsetzung dieser Kosten im Verfahren nach §§ 104 ff. ZPO nicht entgegen.
2. Die Kosten eines vorprozessualen Gutachtens können erstattungsfähig sein, wenn der Sachverständige wegen eines sich konkret abzeichnenden Rechtsstreits eingeschaltet wurde.
Normenkette
ZPO §§ 91, 104
Verfahrensgang
LG Koblenz (Beschluss vom 17.04.2008; Aktenzeichen 12 T 20/08) |
Tenor
In Sachen ...wird die Rechtsbeschwerde des Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der 12. Zivilkammer des LG Koblenz vom 17.4.2008 zurückgewiesen.
Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde (Wert: 600,07 EUR) zu tragen.
Gründe
Die gem. § 574 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 ZPO zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das LG hat zutreffend darauf abgestellt, dass die Abweisung der Klage, gerichtet auf Erstattung der Gutachterkosten, nicht ausschließt, dass diese Kosten im hierauf folgenden Festsetzungsverfahren geltend gemacht und festgesetzt werden können. Der Senat vertritt bereits seit langem die Auffassung (vgl. JurBüro 1992, 475 mit Anm. Mümmler), dass der materielle Kostenerstattungsanspruch (Gutachterkosten) nicht durch seine erfolglose klageweise Geltendmachung dergestalt verbraucht wird, dass er nicht mehr in das Kostenfestsetzungsverfahren eingebracht werden könnte. Das hat der Senat damit begründet, dass der Anspruch im Urteilsverfahren nur nach materiellen Anspruchsgrundlagen auf seine Begründetheit geprüft werde, während im Kostenfestsetzungeverfahren andere Voraussetzungen, nämlich Prozessbezogenheit und Notwendigkeit maßgeblich seien.
Diese Auffassung entspricht auch der überwiegenden Meinung in Rechtsprechung und Literatur.
Wolst (in Musielak, ZPO, 6. A., vor § 91 Rz. 17) verweist darauf, die Doppelnatur der Vorbereitungskosten gestatte die wahlweise Festsetzung im Festsetzungsverfahren (als Prozesskosten) oder im Streitverfahren (als sachlich-rechtlicher Anspruch). Der Misserfolg in einer Verfahrensart stehe einer anschließenden Geltendmachung auf dem anderen Weg nicht entgegen.
Aus der Rechtskraft folge nichts anderes. Werde etwa im Kostenfestsetzungsver-fahren die Prozessbezogenheit einer Kosten verursachenden Maßnahme verneint, so könne dessen ungeachtet ein materieller Anspruch auf Schadensersatz bestehen und auch durchgesetzt werden, weil möglicherweise die Frage der Prozessbezogenheit für das materielle Recht bedeutungslos sei. Umgekehrt gelte Gleiches.
Bork (in Stein/Jonas, ZPO, 22. Aufl., § 103 Rz. 1 m.w.N. aus der Rechtsprechung in Fn. 6) trifft ebenfalls die Unterscheidung nach materiellem und prozessualem Er-stattungsanspruch. Die rechtskräftige Abweisung eines materiellen Erstattungsanspruchs hindere nicht, denselben Posten im Kostenfestsetzungsverfahren geltend zu machen, denn über den prozessualen Erstattungsanspruch habe im Verfahren über den materiellen Anspruch nicht entschieden werden können; er sei aus verfahrensrechtlichen Gründen nicht Urteilsgegenstand gewesen.
Diese Meinungen stimmen mit der Rechtsauffassung des Senats überein und stehen auch nicht im Gegensatz zur Auffassung des BGH (vgl. z.B. BGH NJW 1990, 2060).
Soweit Giebel (in MünchKomm/ZPO, 3. A., vor §§ 91 ff. Rz. 23) der Meinung ist, bei Abweisung der Klage wegen der Nichterforderlichkeit der Kosten bestehe kein Anlass, die Frage ihrer Notwendigkeit erneut unter dem noch strengeren objektiven Maßstab prozessualer Erstattung zu prüfen, bedarf dies keiner Erörterung, denn im vorliegenden Fall erfolgte die Abweisung der Klage, wie die Kammer zu-treffend hervorgehoben hat, nicht aus diesem rechtlichen Gesichtspunkt, sondern weil das für den materiell-rechtlichen Anspruch erforderliche Verschulden nicht gegeben war.
2. Die geltend gemachten Sachverständigenkosten sind erstattungsfähig.
Prozessbezogenheit und Notwendigkeit sind zu bejahen. Nach der Rechtsprechung des BGH (BGH VersR 2008, 801; s. auch BGHZ 153, 235; VersR 2006, 1236 [1237]; OLG Koblenz VersR 2008, 802) können die Kosten für ein vorprozessual erstattetes Privatgutachten nur ausnahmsweise als "Kosten des Rechtsstreits" i.S.d. § 91 Abs. 1 ZPO angesehen werden. Insoweit genügt es nicht, wenn das Gutachten irgendwann in einem Rechtsstreit verwendet wird, was hier noch nicht einmal geschehen ist, sondern das Gutachten muss sich auf den konkreten Rechtsstreit beziehen und gerade mit Rücksicht auf den konkreten Prozess in Auftrag gegeben worden sein. Deshalb sind diejenigen Aufwendungen, die veranlasst werden, bevor sich der Rechtsstreit einigermaßen konkret abzeichnet, regelmäßig nicht erstattungsfähig. Damit soll verhindert werden, dass eine Partei ihre allgemeinen Unkosten oder prozessfremde Kosten auf den Gegner abzuwälzen versucht und so den Prozess verteuert. Die Partei hat dabei grundsätzlich ihre Einstandspflicht und ihre Ersatzberechtigung ...