Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Honorarkürzung bei vermeintlich fehlerhafter Zahnarztleistung

 

Leitsatz (amtlich)

Mit der Beratung des Patienten, der anschließenden Planung, Herstellung und Einpassung von Prothesen nach dessen individuellen Erfordernissen übernimmt der Zahnarzt eine nur bedingt objektivierbare Leistung, die deshalb dienstvertraglich einzuordnen ist. Der Vergütungsanspruch des Zahnarztes kann daher allenfalls entfallen, wenn die Leistung derart unbrauchbar ist, dass sie einer Nichtleistung gleichsteht (hier verneint).

 

Normenkette

BGB §§ 253, 276, 611, 631, 823

 

Verfahrensgang

LG Koblenz (Urteil vom 16.06.2011; Aktenzeichen 10 O 151/09)

 

Gründe

Der Senat beabsichtigt nach vorläufiger Beratung, die Berufung gegen das Urteil des LG Koblenz vom 16.6.2011 - 10 O 151/09, durch einstimmigen Beschluss gem. § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil das Rechtsmittel keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Im Einzelnen ist zur Sach- und Rechtslage zu bemerken:

1. Die Klägerin klagt aus abgetretenem Recht der Zahnarztpraxis Dres. L.. Sie hat wegen offener Honorarforderungen von insgesamt 7.251,08 EUR, Mahnkosten von 18 EUR und vorgerichtlicher Anwaltskosten von 535,60 EUR einen Vollstreckungsbescheid gegen die Beklagte erwirkt. Anknüpfungspunkt sind zahnärztliche Leistungen, die im Jahr 2007 erbracht wurden.

Seinerzeit waren der Beklagten Teleskop-Prothesen im Unterkiefer (Bereich 37 bis 46) und sodann im Oberkiefer (Bereich 17 bis 27) eingesetzt worden. Die Prothesen wurden - außer an verbliebenen eigenen Zähnen - an Implantaten befestigt, die vorher ein anderer Zahnarzt gesetzt hatte. Aus der Sicht der Beklagten war die Versorgung bereits im Ansatz verfehlt, weil eine fest sitzende Brückenkonstruktion hätte gewählt werden müssen. Außerdem seien kein ordentlicher Biss und keine horizontale Kauebene erreicht worden. Des Weiteren habe man den Zahn 33 irreparabel geschädigt.

Im Hinblick darauf hat die Beklagte jedweden Vergütungsanspruch geleugnet. Hilfsweise hat sie mit Forderungen auf den Ersatz von Nachbesserungskosten, die sich auf insgesamt 18.797,45 EUR beliefen, und auf ein Schmerzensgeld, das mit mindestens 10.000 EUR zu beziffern sei, die Aufrechnung erklärt. Darüber hinaus hat sie i.H.v. 7.000 EUR Widerklage erhoben. Der Betrag stehe ihr aus einer ungerechtfertigten Bereicherung der Klägerin zu, weil sie bereits eine entsprechende Zahlung im Hinblick auf die Arbeiten der L geleistet habe, die nicht geschuldet worden sei.

Das LG hat einen Sachverständigen befragt und die Klage sodann in Aufrechterhaltung des Vollstreckungsbescheids unter gleichzeitiger Abweisung der Widerklage zugesprochen. Seiner Beurteilung nach sind die von der Beklagten eingewandten Mängel der zahnärztlichen Arbeit nicht geeignet, den streitigen Honoraransprüchen den Boden zu entziehen, da es um Forderungen aus einem Dienstvertrag gehe. Genauso wenig dringe die auf eine Aufrechnung gestützte Rechtsverteidigung durch: Für den behaupteten Nachbesserungsaufwand fehle es an einer gesicherten Grundlage, und die geltend gemachten Schmerzen ließen sich nicht ursächlich auf die Behandlung in der L zurückführen. Angesichts der bestehenden Zahlungspflichten der Beklagten sei schließlich auch kein Raum für die widerklagend verfolgte Honorarrückgewähr.

Das greift die Beklagte mit der Berufung an. Sie erstrebt die Abweisung der Klage und die Zuerkennung der Widerklage. Ihrer Auffassung nach muss das Verlangen der Klägerin an der Unbrauchbarkeit der streitigen zahnärztlichen Leistungen scheitern, und im Hinblick darauf rechtfertige sich umgekehrt der von ihr erhobene Bereicherungsanspruch. Die prothetische Versorgung sei ungenügend geplant und vorbereitet worden. So habe man insbesondere eine paradontale Sanierung und Vorgaben zur Mundhygiene versäumt. Darüber hinaus seien große Aufklärungsdefizite vorhanden gewesen. Der geschaffene Zahnersatz habe im Hinblick auf die Implantat- und Knochensituation, auf der er aufgebaut habe, keine dauerhafte Lösung darstellen können und eine vollständige Neuversorgung mit Kosten von 14.496,75 EUR erfordert.

2. Damit vermag die Beklagte nicht durchzudringen. Die erstinstanzliche Entscheidung hat Bestand.

a) Das LG ist zutreffend davon ausgegangen, dass die gegen die Beklagte gerichteten Honoraransprüche der L, die auf die Klägerin übergegangen sind, ihre rechtliche Grundlage in § 611 Abs. 1 BGB finden. Die L war - anders als ein Zahntechniker - nicht mit der bloßen Anfertigung eines Zahnersatzes nach einem vorgegebenen Abdruck beauftragt, sondern mit der Herstellung von Prothesen für den Unter- und Oberkiefer betraut, die nach der individuellen Situation der Beklagten konzipiert und in Würdigung eben dieser Situation eingepasst werden mussten. Insofern wurde eine Leistung geschuldet, die nur bedingt objektivierbar und deshalb ...

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