Entscheidungsstichwort (Thema)
Erstattungsfähigkeit der Prozessgebühr des Rechtsmittelbeklagten im Berufungsverfahren
Leitsatz (amtlich)
Formuliert der Prozessbevollmächtigte des Rechtsmittelbeklagten einen Zurückweisungsantrag, obwohl noch kein Berufungsantrag vorliegt, ist die volle Prozessgebühr zwar entstanden, aber nicht erstattungsfähig. Dies gilt auch dann, wenn der Zusatz fehlte, die Berufung werde vorerst nur zur Fristwahrung eingelegt.
Verfahrensgang
LG Mainz (Beschluss vom 22.07.2004; Aktenzeichen 12 HKO 11/03) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss (II. Instanz) des LG Mainz vom 22.7.2004 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen der Beklagten zur Last.
Der Beschwerdewert wird auf 846,74 Euro (= 1.716,68 Euro./. 869,94 Euro) festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Das fristgerecht eingelegte Rechtsmittel ist in der Sache ohne Erfolg. Der angefochtene Beschluss hat die Ansprüche der Beklagten auf Erstattung der in zweiter Instanz angefallenen außergerichtlichen Kosten im Ergebnis zutreffend beurteilt.
1. Allerdings hat der Beklagtenvertreter im Berufungsverfahren trotz der Rechtsmittelrücknahme durch den Kläger eine volle 13/10-Prozessgebühr verdient. Denn sein Auftrag erledigte sich erst, nachdem er einen Antrag auf Zurückweisung der Berufung bei Gericht eingereicht hatte, so dass für die Anwendung des § 32 Abs. 1 BRAGO kein Raum ist. Aber die zweite, zwischen den Parteien streitige Hälfte dieser Gebühr ist nicht erstattungsfähig, weil es dafür an den Voraussetzungen des § 91 Abs. 1 S. 1 ZPO fehlt. Der Zurückweisungsantrag war nämlich zu einer zweckentsprechenden Rechtsverteidigung nicht geboten, solange der Kläger seine Berufung nicht begründet und keinen bestimmten Antrag angekündigt hatte. Hätte der Beklagtenvertreter den Antrag noch nicht gestellt, wären die Anwaltskosten, die seiner Partei in dem alsbald wieder beendeten Berufungsverfahren entstanden, in den Grenzen des § 32 Abs. 1 BRAGO geblieben.
Dass es anders war, darf nicht zu Lasten des Klägers gehen. Es gab keine Notwendigkeit, der Berufung sogleich mit einem Antrag entgegenzutreten. Ein Berufungsbeklagter hat regelmäßig erst dann Anlass, dem Gericht seinen Standpunkt zu verdeutlichen, wenn der Berufungskläger seinerseits erklärt hat, welches Ziel er verfolgt. Eine Antragstellung vor diesem Zeitpunkt ist grundsätzlich nicht geeignet, das Verfahren im Interesse der eigenen Partei zu fördern (BGH v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = NJW 2003, 2992 [2993]).
2. In diesem Sinne hat der Senat bereits mehrfach entschieden. Freilich betrafen diese Entscheidungen teilweise Fälle, in denen die Berufung mit dem Bemerken eingelegt worden war, es handele sich lediglich um eine fristwahrende Maßnahme (OLG Koblenz JurBüro 1991, 74 [75]; 1992, 466; 2002, 305 [306]). Das ist jedoch kein für die Kostenerstattung maßgeblicher Gesichtspunkt (OLG Koblenz v. 6.12.1994 - 14 W 687/94, MDR 1995, 968; JurBüro 2000, 85). Fehlt ein solcher Hinweis, wird das Begehren des Rechtsmittelführers dadurch nicht in einer Weise inhaltlich präzisiert, dass es einer Gegenwehr bedürfte. Auch dann ist regelmäßig eine Stellungnahme des Berufungsbeklagten allein auf die Berufungsschrift hin noch nicht sinnvoll und erst recht nicht erforderlich.
3. Das ist allerdings - auch in der oberlandesgerichtlichen Rechtsprechung - umstritten (OLG Karlsruhe JurBüro 1995, 88 [89]; Zöller/Herget, ZPO, 24. Aufl., § 91 ZPO Rz. 13 Berufung; a.A. OLG Düsseldorf v. 11.7.1996 - 6 W 4/96, AnwBl 1996, 589 f.; OLG Schleswig v. 12.9.1996 - 9 W 140/96, OLGReport Schleswig 1996, 351 = AnwBl 1997, 681; Musielak/Wolst, ZPO, 3. Aufl., § 91 ZPO Rz. 15; vermittelnd Belz in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., § 91 ZPO Rz. 39). Der BGH hat, soweit zu ersehen, bisher keine Klärung geschaffen. Seine dem Senat bekannten Beschlüsse (BGH v. 3.6.2003 - VIII ZB 19/03, BGHReport 2003, 1115 = MDR 2003, 1140 = NJW 2003, 2992; JurBüro 2004, 196 [197]) betreffen den Fall, dass die Berufung erklärtermaßen zur Fristwahrung eingelegt wurde. Von daher ist die Rechtsbeschwerde zuzulassen (§ 574 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 ZPO).
Dabei ist ohne Belang, dass die im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Vorschrift des § 32 Abs. 1 BRAGO mittlerweile nicht mehr in Kraft ist; denn sie ist wegen der Wirkung der Überleitungsvorschrift des § 72 Nr. 1 RVG weiterhin von praktischem Gewicht (BGH v. 27.3.2003 - V ZR 291/02, BGHReport 2003, 686 = MDR 2003, 822 f.). Außerdem findet sich jetzt in Nr. 3101 der Anlage 1 zu § 3 Abs. 2 RVG eine gleichgelagerte Regelung.
4. Der Kostenausspruch beruht auf Nr. 1811 GKG-KV, § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 1241298 |
FamRZ 2005, 1848 |
AnwBl 2004, 730 |
MDR 2005, 658 |
Rpfleger 2005, 166 |
AGS 2005, 174 |