Leitsatz (amtlich)
Es besteht kein Anlass für die Einholung eines weiteren Gutachtens nach § 412 ZPO, wenn der erstinstanzlich hinzugezogene gerichtliche Sachverständige und der im vorprozessualen Schlichtungsverfahren tätige Gutachter eine Nervenverletzung unterschiedlichen Ursachen zuweisen, aber für beide Verursachungsvarianten kein standardwidriges Vorgehen festgestellt werden kann.
Für eine Aufklärung über das Risiko einer Nervenschädigung ist es grundsätzlich nicht erforderlich, auch verschiedene denkbare Ursachen zu erläutern, sofern das Risiko der Nervenschädigung als solches hinreichend verdeutlicht wird.
Verfahrensgang
LG Koblenz (Aktenzeichen 1 O 85/15) |
Tenor
1. Der Senat weist die Parteien darauf hin, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 1. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 8. Dezember 2016 einstimmig gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
2. Die Klägerin kann zu den Hinweisen des Senats bis zum 31. März 2017 Stellung nehmen. Die Rücknahme der Berufung wird empfohlen.
Gründe
I. Die Klägerin verfolgt Ansprüche im Zusammenhang mit einer operationsbegleitenden Nervenverletzung.
Die Klägerin litt unter einem Uterus myomatosus mit Blutungsstörungen und konsekutiver Anämie. Bereits im Jahr 2012 war ihr eine Hysterektomie nahegelegt worden. Wegen persistierender Beschwerden empfahl ihr der Beklagte zu 2), bei dem sie sich in gynäkologischer Behandlung befand, im Jahr 2013 erneut einen operativen Eingriff. Am 14. März 2013 unterzeichnete die Klägerin eine Einwilligungserklärung zur Durchführung einer Hysterektomie. Sie begab sich hierzu in das von der Beklagten zu 1) betriebene Krankenhaus, in dem der Beklagte zu 2) als Belegarzt tätig war. Am 18. März 2013 entfernte der Beklagte zu 2) in Ausführung seiner belegärztlichen Tätigkeit die Gebärmutter.
Unmittelbar nach der Operation bemerkte die Klägerin eine Taubheit am linken Bein sowie eine Einschränkung der Gehfähigkeit. Daraufhin eingeleitete Untersuchungen zeigten eine Verletzung des Nervus femoralis sowie des Nervus cutaneus femoralis lateralis.
Die Klägerin hat erstinstanzlich zur Begründung ihres auf Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes in einer Mindesthöhe von 10.000 EUR sowie Feststellung der Einstandspflicht für sämtliche künftigen immateriellen sowie aller vergangenen und künftigen materiellen Schäden gerichteten Begehrens vorgetragen, die während der Operation verursachten Nervenschädigungen seien auf Behandlungsfehler zurückzuführen. Die Zerrung des Nervus femoralis beruhe auf dem fehlerhaften Einsatz des Selbsthaltespekulums. Die Nervenlähmung werde sich nicht vollständig zurückbilden. Zur Schädigung des Nervus cutaneus femoralis lateralis sei es durch eine Überstreckung des Inguinalbereichs durch die Kopftieflagerung gekommen. Der Beklagte zu 2) hätte zur Vermeidung der Schädigung für eine gelegentliche Entspannung während des Eingriffs Sorge tragen müssen. Die Verletzung habe über längere Zeit zu einer schmerzhaften Parästhesie an der Außenseite des linken Oberschenkels geführt. Zudem sei sie nicht hinreichend aufgeklärt worden. Der Aufklärungsbogen weise die eingetretenen Nervschädigungen nicht konkret genug auf.
Die Beklagten haben dem entgegengehalten, die Hysterektomie sei komplikationslos und standardgerecht durchgeführt worden. Die Nervenschädigungen seien schicksalhaft eingetreten. Zudem sei die Klägerin vor dem Eingriff über sämtliche Risiken aufgeklärt worden. Hilfsweise müsse vom Vorliegen einer hypothetischen Einwilligung ausgegangen werden.
Hinsichtlich des weiteren erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes sowie der erstinstanzlich von den Parteien gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 218 ff. GA) verwiesen.
Das sachverständig beratene Landgericht hat die Klage nach Anhörung der Parteien zum Aufklärungsgespräch abgewiesen. Von einem behandlungsfehlerhaften Vorgehen des Beklagten zu 2) könne nicht ausgegangen werden. Sowohl die vom gerichtlichen Sachverständigen Dr. B. erwogene Ursache der Nervenschädigung im Zusammenhang mit dem Herausleiten einer Drainage aus dem Bauchraum als auch die Bewertung des im ärztlichen Schlichtungsverfahren tätigen Sachverständigen Prof. Dr. V., der von Lagerungsschäden ausgegangen sei, könne nicht mit einem Behandlungsfehler gleichgestellt werden. Das Herausleiten der Drainage sei nicht behandlungsfehlerhaft erfolgt. Zu der Nervschädigung könne es hierbei kommen, da der Verlauf der Nerven während der Operation nicht zu beurteilen sei. Insofern bestehe das Risiko, dass es zu Verletzungen von Nerven und Gefäßen kommen könne. Selbst wenn es tatsächlich zu Lagerungsschäden gekommen sei, seien diese nicht vermeidbar gewesen. Die gewählte Lagerung sei nicht zu beanstanden und angesichts der Operationsdauer habe auch eine Entspannung zur Vermeidung einer Beeinträchtigung des Nervus cutaneus femoralis lateralis nicht erfolgen müssen. Von einer unzureichenden Aufklärung könne ebenfalls nicht ausgegangen werden. Ein Aufklärungsgespräch...